OGH vom 07.04.2016, 12Os165/15d

OGH vom 07.04.2016, 12Os165/15d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Dragoljub P***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 125 Hv 110/15k 38, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem verkündeten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Winkler

I./ zu Recht erkannt:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der nach § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Über den Angeklagten wird wegen der ihm zur Last liegenden Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 143 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II./ den Beschluss gefasst:

Spruch

Die zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom zu AZ 43 Hv 118/11b nachträglich mit Beschluss vom sowie die mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom zu AZ 38 U 83/12f gewährten bedingten Strafnachsichten werden widerrufen.

Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1./ und 3./) sowie des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er am in W***** in drei Angriffen (erg: durch Drohung) mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung eines 14 cm langen, spitz zugeschliffenen metallenen Messerteils, somit einer Waffe, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt bzw dies versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Nachgenannten den spitzen Messerteil vorhielt,

1./ Luke O***** zwei Euro Bargeld, wobei es infolge Flucht des Opfers beim Versuch blieb;

2./ Stephan W***** zehn Euro Bargeld;

3./ Marcus Pr***** ein Headset und Bargeld, wobei es beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge kritisiert die tatrichterliche Annahme, der Beschwerdeführer habe dem flüchtenden Luke O***** nachgerufen „I don't want to kill you“, um ihn durch diese explizite Drohung, ihn mit dem Messerteil abzustechen und zu töten, zum Anhalten zu bewegen (US 8), als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), zumal daraus ein Drohen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht abgeleitet werden könne. Sie orientiert sich jedoch der Verfahrensordnung zuwider nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz , WK StPO § 281 Rz 394), wonach das Erstgericht aus der zuvor erfolgten Bargeldforderung des Angeklagten unter gleichzeitigem Vorhalten eines stichwaffentauglichen Messerteils logisch und empirisch einwandfrei eine konkludente Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Tatopfers Luke O***** erschloss (US 8, 16; RIS Justiz RS0092343; Eder Rieder in WK 2 StGB § 142 Rz 28, 30 ff). Damit spricht sie jedoch bloß das Nachtatverhalten des Nichtigkeitswerbers und solcherart weder einen entscheidenden noch einen erheblichen Umstand an (

zu den Begriffen: Ratz , WK StPO § 281 Rz 399 ff, 409 ff).

Der zu Schuldspruch 3./ erhobene Einwand offenbar unzureichender Begründung noch bestehenden Bereicherungsvorsatzes auf den Vermögenswert des Headsets zum Zeitpunkt des Fehlschlagens des Versuchs infolge Flucht des Opfers mitsamt der ursprünglichen Beute (vgl US 9, 12) verkennt, dass die Tatrichter den Beschwerdeausführungen zuwider nicht die Frage „dahin gestellt“ ließen, ob der Angeklagte ohne Bereicherungsvorsatz bereit gewesen wäre, die Kopfhörer zurückzugeben, sondern ausschließlich jene nach dem nicht entscheidungswesentlichen Umstand, ob der Nichtigkeitswerber „nicht zusätzlich zum Kopfhörer auch noch das (für dessen Rückgabe geforderte) Bargeld geraubt hätte“ (US 12 zweiter Absatz; vgl auch US 17).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Zutreffend releviert die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) jedoch die verfehlte Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 39 StGB (US 18 f). Die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom zu AZ 111 Hv 96/10s auf die bedingt nachgesehene (in der Folge widerrufene, jedoch bislang nicht vollzogene) Freiheitsstrafe erfolgte Anrechnung der am von 00:30 Uhr bis 12:10 Uhr erlittenen polizeilichen Verwahrungshaft (US 6, 18) erfüllt nämlich die Voraussetzung einer in der Dauer von zumindest einem Tag (§ 18 Abs 2 StGB) erfolgten (teilweisen) Strafverbüßung nicht (RIS Justiz RS0091350; Flora in WK 2 StGB § 39 Rz 4). Dass die ausgesprochene achtjährige Freiheitsstrafe (US 4) innerhalb des ersten Strafrahmens des § 143 StGB idF vor BGBl I 2015/112 ausgemessen wurde, ändert nichts an der aufgezeigten Nichtigkeit des Strafausspruchs (RIS Justiz RS0125294; Ratz , WK StPO § 281 Rz 668/3, 671; Flora in WK 2 StGB § 39 Rz 44). Überdies vermeinte das Erstgericht zu Unrecht, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB ein Strafrahmen von fünf bis 22 ½ Jahre zur Anwendung käme (US 18 f; vgl demgegenüber jedoch Flora in WK 2 StGB § 39 Rz 30).

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Strafausspruch, einschließlich der Anrechnung der Vorhaft und des (zu AZ 43 Hv 118/11b des Landesgerichts für Strafsachen Wien und zu AZ 38 U 83/12f des Bezirksgerichts Leopoldstadt gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten) Widerrufsbeschlusses (RIS Justiz RS0100194) aufzuheben und die Strafe neu zu bemessen.

Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe ist trotz Inkrafttretens des keine Übergangsbestimmungen enthaltenden Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, BGBl I 2015/112, mit von der Rechtslage im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz auszugehen, weil nur der Ausspruch über die Sanktion (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), nicht aber der Schuldspruch selbst mit Nichtigkeit behaftet ist. Damit hatte es jedoch zu keiner Aufhebung des Schuldspruchs und neuerlichen Entscheidung in der Sache selbst zu kommen, sodass der erstgerichtliche Schuldspruch der Strafneubemessung zu Grunde zu legen war ( Ratz , WK StPO § 288 Rz 34; 11 Os 95/02 [verst Senat]; RIS Justiz

RS0087462 [T1]; vgl auch § 295 Abs 1 StPO).

Als erschwerend waren die einschlägige Vorstrafenbelastung und das Zusammentreffen dreier Verbrechen als mildernd demgegenüber der Umstand zu werten, dass es in zwei Fällen beim Versuch geblieben ist und ein teilweises Geständnis.

Ausgehend von einem Strafrahmen von fünf bis zu 15 Jahren war über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren als den ein bloß geringes Erfolgsunrecht aufweisenden Taten entsprechend und seiner Schuld angemessen zu verhängen.

Die Anrechnung der Vorhaft war dem Erstgericht zu überlassen.

Im Hinblick auf die einschlägige Vordelinquenz und die Wirkungslosigkeit bisher gewährter mehrfacher bedingter Strafnachsicht waren mit Blick auf die Erfordernisse der Spezialprävention die dem Angeklagten zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , AZ 43 Hv 118/11b, nachträglich mit Beschluss vom gemäß § 40 SMG sowie die mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , AZ 38 U 83/12f, jeweils gewährten bedingten Strafnachsichten zu

widerrufen (§ 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO ).

Mit seiner Berufung und seiner (implizierten) Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00165.15D.0407.000