OGH vom 07.05.1997, 10ObS136/97s

OGH vom 07.05.1997, 10ObS136/97s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Andreas Linhart (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Harald M*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Mag.Edgar Zrzavy, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 213/96h-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 6 Cgs 165/94m-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem der Klage zugrundeliegenden Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom wurde der Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgewiesen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, daß der Kläger die Voraussetzungen nach § 253 d Abs 1 Z 1, 2 und 3 ASVG nicht erfülle. Ob in seinem Fall Berufsunfähigkeit vorliege, sei nicht geprüft worden.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger, daß seinem Antrag vom stattgegeben und eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß zuerkannt werde.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe aufgrund der von ihm in der Pensionsversicherung nach dem ASVG bis zum Stichtag erworbenen 203 Beitragsmonate die Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 ASVG erfüllt, nicht aber die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 253 d Abs 1, weil er innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag überhaupt keine Versicherungsmonate und innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag lediglich 16 Beitragsmonate der freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung erworben habe. Er habe während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag auch keine Tätigkeit ausgeübt, durch die er Beitragsmonate nach dem ASVG erworben hätte, weshalb er auch die Voraussetzung nach § 253 d Abs 1 Z 3 ASVG nicht erfülle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Kläger innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag keine Beitragsmonate der Pflichtversicherung und innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag nicht wenigstens 36 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, sondern lediglich 16 Beitragsmonate der freiwilligen Weiterversicherung erworben habe. Während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag habe er überdies keine Tätigkeit ausgeübt. Damit habe er die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253 d Abs 1 Z 2 und 3 ASVG nicht erfüllt. Ferner führte das Erstgericht aus, Voraussetzung für den Anspruch auf eine Leistung im Sinne des § 271 ASVG (Berufsunfähigkeitspension) sei, daß sich der Anspruchswerber einer ärztlichen Untersuchung unterziehe, um das Vorliegen und den Grad von gesundheitlichen Schädigungen festzustellen, die Voraussetzung für einen möglichen Anspruch auf Leistung seien. Einer solchen Untersuchung habe sich der Kläger nicht unterzogen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es hielt zunächst fest, daß er die Feststellungen über Anzahl, zeitliche Lagerung und Art der erworbenen Versicherungszeiten in keiner Weise bekämpfe und auch unbestritten lasse, daß er während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag keine Tätigkeit ausgeübt habe, durch welche er Beitragsmonate nach dem ASVG erworben hätte. Nach diesen unstrittigen Feststellungen würden aber die Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253 d ASVG nicht vorliegen, so daß die Abweisung des Klagebegehrens zu Recht erfolgt sei.

Nach dem Inhalt der Anstaltsakten liege ein Bescheid betreffend die Ablehnung eines Antrages auf Berufsunfähigkeitspension nicht vor; die Beklagte habe sich zum Antrag des Klägers auf Berufsunfähigkeitspension vom (Posteingang ) lediglich in einem Schreiben an den Kläger vom geäußert. In dieser Äußerung könne kein Bescheid erblickt werden, da die Beklagte dem Kläger ausdrücklich die Erlassung eines ablehnenden Bescheides in Aussicht gestellt habe, falls er seinen Antrag nicht ohnedies zurückziehe. Die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitspension seien daher nicht zu prüfen gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an die erste oder zweite Instanz zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, auch wenn die Voraussetzungen nach § 253 d ASVG nicht vorlägen, hätten die Vorinstanzen prüfen müssen, ob nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 271 ASVG gegeben seien. Das Begehren des Klägers auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit hätte nicht abgewiesen werden dürfen, sondern als Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension behandelt werden müssen; dies ergebe sich insbesondere daraus, daß der Kläger bis zum Berufungsverfahren unvertreten gewesen sei. Das Verfahren sei mangelhaft, weil es weiterer Sachverhaltsermittlungen darüber bedurft hätte, ob beim Kläger dauernde Berufsunfähigkeit vorliege.

Diesen Ausführungen kann aus folgenden Erwägungen nicht beigetreten werden:

Die Zulässigkeit des Rechtswegs für eine Bescheidklage setzt nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG (und § 69 ASGG) voraus, daß der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. An diesem Erfordernis kann wegen des zwingenden Charakters der §§ 67, 69 und 73 ASGG auch ein allfälliges Einverständnis des beklagten Versicherungsträgers mit einer sofortigen Anrufung des Gerichtes nichts ändern. Aus dem Zweck der sukzessiven Zuständigkeit, vorerst den Sozialversicherungsträger mit der Sache zu befassen und den Gerichten nur die wirklichen streitigen Fälle zuzuführen, aber auch aus der Diktion dieser Normen (arg: "darüber" bzw "hierüber") ist abzuleiten, daß nur eine meritorische Entscheidung des Sozialversicherungsträgers über den der betreffenden Leistungssache zugrunde liegenden Anspruch des Versicherten den Weg zum Sozialgericht ebnet. Liegt eine solche nicht vor, so ist grundsätzlich - von § 68 ASGG und anderen hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - der Rechtsweg versperrt (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995], 276 mwN bei FN 113 und 114).

Das dargestellte Erfordernis ("darüber" bzw "hierüber") bewirkt überdies in Fällen, in denen die Klage zulässig ist, eine Eingrenzung des möglichen Streitgegenstandes: Dieser kann grundsätzlich nur Ansprüche umfassen, über die der Sozialversicherungsträger bescheidmäßig abgesprochen hat. Die Klage darf daher im Vergleich zum vorangegangenen Antrag weder die rechtserzeugenden Tatsachen auswechseln noch auf Leistungen (Feststellungen, Gestaltungen) gerichtet sein, über die der Versicherungsträger im bekämpften Bescheid gar nicht erkannt hat (Fink aaO mwN bei FN 116 und 117; vgl auch SSV-NF 8/94 sowie die bei Fink aaO 277 dargestellten Beispiele aus der Rechtsprechung). Daraus ergibt sich, daß jedenfalls ein "Austausch" des Versicherungsfalls oder der Art der begehrten Leistungen im gerichtlichen Verfahren nicht zulässig ist; für solche Begehren fehlt es an einer "darüber" ergangenen Entscheidung des Versicherungsträgers. Diesfalls ist auch eine Klagsänderung im Sinn des § 86 ASGG nicht zulässig (zutreffend Fink aaO 279). In Ausführung dieser Grundsätze hat der Senat kürzlich entschieden, daß es sich bei der Berufsunfähigkeitspension nach § 273 ASVG und der Erwerbsunfähigkeitspension nach § 133 GSVG nicht um denselben Versicherungsfall handle und in einem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten über die Berufsunfähigkeitspension in keiner Weise über den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit nach § 133 GSVG abgesprochen werde, so daß auch eine Änderung des Klagebegehrens oder ein Parteiwechsel nicht in Frage komme (, 10 ObS 45/97h).

Im vorliegenden Fall wurde mit dem der Klage zugrundeliegenden Bescheid ausschließlich über den Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253 d ASVG abgesprochen. Auch sein Klagebegehren richtet sich ausschließlich auf die Gewährung dieser Leistung, nicht jedoch auf eine Berufsunfähigkeitspension nach den §§ 271, 273 ASVG. Da es sich bei der vorzeitigen Alterspension und bei der Berufsunfähigkeitspension um verschiedene Leistungen der Pensionsversicherung handelt, die nicht auf demselben Versicherungsfall beruhen (§ 222 Abs 1 Z 1 und 2 ASVG), wäre ein auf Leistung der Berufsunfähigkeitspension gerichtetes Klagebegehren an der Zulässigkeit des Rechtswegs gescheitert, weil darüber kein Bescheid erging und auch ein Säumnisfall nicht vorlag. Folgerichtig wies das Erstgericht auch lediglich das Klagebegehren auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab, ohne über einen Anspruch des Klägers auf Berufsunfähigkeitspension abzusprechen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, war daher der in der Berufung gestellte Antrag des Klägers auf Abänderung dahin, daß ihm nunmehr die Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab gewährt werden möge, rechtlich verfehlt.

Dabei wird nicht übersehen, daß der Kläger am (bei der Beklagten eingelangt am ) auch einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt hat. Wie oben dargestellt, wurde dieser Antrag mit einem Schreiben der Beklagten vom dahin erledigt, daß der Kläger ersucht wurde, diesen Antrag zurückzuziehen, da sonst ein neuerlicher Ablehnungsbescheid erstellt werden müßte. Im vorliegenden Fall braucht nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob es sich bei dieser Art der Erledigung um einen Bescheid im Sinne des § 67 Abs 1 ASGG handelt, weil im Zusammenhang mit dem Antrag auf Berufsunfähigkeitspension vom Kläger bisher weder eine Bescheidklage noch eine Säumnisklage erhoben wurde. Wäre davon auszugehen, daß die Beklagte bisher über den Antrag des Klägers auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension nicht entschieden habe, stünde ihm die Säumnisklage noch immer offen (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG).

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß im vorliegenden Rechtsstreit die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitspension nicht zu prüfen sind. Damit erweist sich die Revision als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.