OGH vom 18.04.1989, 10ObS136/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Angelberger und Dr. Manfred Dafert (beide AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Walter J***, Gewerbetreibender, 4132 Lembach, Lederergasse 10, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***, 1051 Wien,
Wiedner Hauptstraße 84-86, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 25/89-33, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 15 Cgs 1007/88-28, als nichtig aufgehoben und die (modifizierte) Klage zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am stellte der Kläger bei der beklagten Partei auf deren Vordruck P 1-79c eine "Anfrage" wegen Erwerbsunfähigkeitspension. Darin gab er ua an, noch aufrechte Gewerbeberechtigungen zu haben und seine selbständigen Tätigkeiten als Gewerbetreibender noch auszuüben, aber dauernd erwerbsunfähig zu sein. Er nahm zur Kenntnis, daß eine Gewerbepension ua nur dann zuerkannt werden darf, wenn am Stichtag sämtliche Gewerbeberechtigungen ......, die die GSVG-Pflichtversicherung begründen, erloschen sind. Nach einer im Vordruck P 1-5e der beklagten Partei festgehaltenen, vom Kläger zustimmend zur Kenntnis genommenen Niederschrift vom selben Tag wurde er anläßlich der Stellung der Pensionsanfrage eingehend darüber informiert, daß die beklagte Partei aufgrund einer Pensionsanfrage lediglich ein Verfahren zur Überprüfung des Anspruches auf eine Pension nach dem GSVG durchführe. Diesem Prüfungsverfahren liege die Annahme zugrunde, daß die besondere Anspruchsvoraussetzung (Löschung der Gewerbeberechtigungen ....) erfüllt sei..... Die Pensionsanfrage sei kein Pensionsantrag. Ein positiv abgeschlossenes Prüfungsverfahren führe daher noch nicht zur Pensionszuerkennung. Die Auszahlung der Pension setze auch in diesem Fall voraus, daß die besondere Anspruchsvoraussetzung erfüllt sei und die Pension im Wege einer schriftlichen Erklärung ausdrücklich und endgültig beantragt werde. ..... Das Ergebnis der Pensionsanfrage werde unter Vorbehalt allfälliger Änderungen der Sach- bzw Rechtslage schriftlich bekanntgegeben.
Nach Durchführung des ärztlichen Feststellungsverfahrens erließ die beklagte Partei, ohne daß der Kläger einen Pensionsantrag gestellt hatte, den Bescheid vom , mit dem sie den "Antrag" vom auf "Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension" gemäß § 132 GSVG ablehnte. Sie begründete dies unter Bezugnahme auf den Inhalt des § 133 Abs 1 und 2 leg cit ausschließlich damit, daß der Kläger nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung in der Lage sei, leichte und mittelschwere, eingeschränkt auch schwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Seine Erwerbsfähigkeit sei daher noch nicht so gemindert, daß er nicht mehr imstande wäre, seine selbständige Erwerbstätigkeit weiter auszuüben.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage erklärte der Kläger zunächst, daß seine Gewerbeberechtigungen am Stichtag noch nicht gelöscht waren. Er kündigte an, sie voraussichtlich in den nächsten Monaten, jedenfalls aber dann löschen zu lassen, sobald durch das sozialgerichtliche Verfahren geklärt sei, daß er erwerbsunfähig iS des Gesetzes sei. Dann führte er aus, warum er erwerbsunfähig iS des § 133 Abs 2 GSVG sei. Er beantragte das Urteil: "Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab dem auf die Löschung der Gewerbeberechtigungen folgenden Monatsersten die Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen".
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete in erster Linie ein, daß der Kläger nicht erwerbsunfähig sei. Im Hinblick auf die nach wie vor aufrechten Gewerbeberechtigungen sei auch die Voraussetzung des § 130 Abs 2 lit a GSVG nicht erfüllt.
Vor Schluß der mündlichen Verhandlung "schränkte" der Kläger am sein Begehren auf folgenden Wortlaut ein:
"Zwischen den Parteien wird festgestellt, daß der Kläger erwerbsunfähig im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG ist".
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in dieser Fassung statt, weil es alle in der letztgenannten Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen als gegeben erachtete.
Dagegen erhob die beklagte Partei Berufung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern oder die Rechtssache allenfalls an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kläger beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben. Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung das erstgerichtliche Urteil als nichtig auf und wies die (modifizierte) Klage zurück. Das Erstgericht habe über eine nicht auf den (gerichtlichen) Rechtsweg gehörende Sache entschieden (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO), weil die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit keine Leistungssache iS des § 354 Z 1 ASVG und damit auch keine Sozialrechtssache iS des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG sei.
Gegen diesen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO statthafte, von der beklagten Partei nicht beantwortete Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Nach § 194 Abs 1 Z 3 GSVG in der seit geltenden Fassung des Art I Z 52 der 13. GSVGNov BGBl 1987/610 gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Titels des ASVG mit der Maßgabe, daß als Leistungssache iS des § 354 ASVG (Sozialrechtssache iS des § 65 !Abs 1 Z 4 ASGG) auch die Feststellung von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung (§ 117 a) und die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit (§ 133 a) außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens auf Antrag des Versicherten gilt. Nach dem durch Art I Z 41 der 13. GSVGNov eingefügten § 133 a GSVG ist der Versicherte berechtigt, vor Stellung eines Antrages auf die Pension einen Antrag auf Feststellung der Erwerbsfähigkeit zu stellen, über den der Versicherungsträger in einem gesonderten Verfahren (§ 194 Abs 1 Z 3) zu entscheiden hat.
Unter Bedachtnahme auf diese seit geltenden, vom Berufungsgericht nicht beachteten Bestimmungen ist die "Anfrage wegen Erwerbsunfähigkeitspension" des Klägers seither als vor der Stellung eines Antrages auf eine solche Pension gestellter Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit iS des § 133 a GSVG zu werten, über den die beklagte Partei nach dieser Gesetzesstelle in einem gesonderten Verfahren (bescheidmäßig) zu entscheiden hatte und mit dem Bescheid vom auch tatsächlich entschied. Im Spruch dieses Bescheides wurde zwar der Antrag vom auf "Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension" abgelehnt. Weil der Versicherte aber noch gar keinen Antrag auf eine Leistung gestellt hatte und die Ablehnung des Antrages nur damit begründet wurde, daß der Kläger noch nicht erwerbsunfähig iS des § 133 GSVG sei, muß angenommen werden, daß der Versicherungsträger mit diesem Bescheid über die durch die 13. GSVGNov zum Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit gewordene "Anfrage" des Klägers vom entschieden hat.
Nach § 194 Abs 1 Z 3 GSVG handelt es sich daher um eine Leistungssache iS des § 354 ASVG und auch um eine Sozialrechtssache iS des § 65 Abs 1 Z 4 ASGG.
Da der beklagte Versicherungsträger über diese Leistungssache bereits mit Bescheid entschieden hatte und die Klage rechtzeitig erhoben wurde, liegen die im § 67 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASGG genannten Verfahrensvoraussetzungen vor, weshalb keine Rede davon sein kann, daß vom Erstgericht über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt worden und nach § 478 Abs 1 ZPO sein Urteil als nichtig iS des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO aufzuheben und die Klage zurückzuweisen gewesen wäre.
Das dargestellte Verfahren vor dem beklagten Versicherungsträger und der Inhalt der Klage lassen erkennen, daß sich der Kläger schon bei Einbringung der Klage darüber klar war, daß er vor dem Erlöschen seiner Gewerbeberechtigungen keinen Anspruch auf Leistung einer Erwerbsunfähigkeitspension hat und daß es daher bis dahin nur um die Feststellung seiner Erwerbsunfähigkeit gehen kann. Ob deshalb schon das ursprüngliche Klagebegehren als auf diese Feststellung gerichtet anzusehen war, so daß es sich bei der erwähnten Prozeßerklärung des Klägers in der Tagsatzung vom um keine Klagseinschränkung, sondern nur um eine deutlichere Formulierung des Klagebegehrens handeln würde, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn das ursprüngliche Klagebegehren auf Leistung einer Erwerbsunfähigkeitspension gerichtet gewesen wäre, wäre die erwähnte Prozeßerklärung nämlich nach § 235 Abs 4 ZPO als Klagseinschränkung von einem Leistungsbegehren in ein Begehren auf Feststellung eines für die vorher begehrte Leistung präjudiziellen, durch das GSVG ausdrücklich als feststellungsfähig bezeichneten Umstandes zulässig (Fasching, Komm III 115 u 125; ders, ZPR Rz 1224).
Dem Rekurs war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Rekurskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.