OGH vom 14.11.2017, 11Os104/17d

OGH vom 14.11.2017, 11Os104/17d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Ralph-Günter R***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ralph-Günter R***** und Roald R***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 4 Hv 38/14x-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ralph-Günter R***** und Roald R***** jeweils des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie von Jänner 2004 bis zum in B***** und andernorts im einverständlichen Zusammenwirken gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) insgesamt 2.000 bis 2.500 Personen („Anleger bzw Teilhaber“) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich (US 4 f, 7 f, 10) in einer Vielzahl von Angriffen durch die wahrheitswidrige Vorgabe auf ihrer Homepage, von den Anlegern investierte Gelder für den Aufbau, die Entwicklung, das Marketing und den Start eines Online-Spiels („Milliardenspiel“) zu verwenden, zur Zahlung von Geldbeträgen von zusammen 935.225 Euro verleitet, wobei sie durch die Taten (infolge nur teilweise widmungsgemäßer Verwendung der Gelder) einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden von 556.825 Euro herbeiführten.

Dagegen richten sich die von Ralph-Günter R***** auf Z 5 und 9 lit a, von Roald R***** auf Z 4, Z 5, 5a sowie 9 lit a und lit b jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ralph-Günter R*****:

Die – Mängel- (Z 5) und Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentativ miteinander vermischende (siehe aber RIS-Justiz RS0115902) – Beschwerde behauptet (der Sache nach) eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) in Bezug auf die Feststellungen zum Tatvorsatz und zur überschießenden Innentendenz. Der unter diesem Aspekt relevierte Umstand, die Homepage der Angeklagten habe (zusammengefasst) Informationen über die mit einer Beteiligung an ihrem „Projekt“ verbundenen wirtschaftlichen Risken enthalten und Anleger hätten ausdrücklich ihren Wunsch nach Fortführung der Arbeiten zur Umsetzung der „Online-Spiele-Plattform“ erklärt, ist nicht entscheidungserheblich, weil er die konstatierte Willensausrichtung des Beschwerdeführers unberührt lässt: Denn danach sollten die Opfer nicht über ein mit der Beteiligung als solcher verbundenes Risiko, sondern darüber getäuscht werden, dass der überwiegende Teil ihres Investments zur Bestreitung der (hohen) Lebenshaltungskosten der Angeklagten und ihrer Angehörigen, somit (gerade) nicht widmungsgemäß, verwendet wurde (US 6 f).

Mit der – angesichts des Vorkommens eines (ua) für die Schadensberechnung maßgebliche Aussagen treffenden Sachverständigengutachtens (ON 39) in der Hauptverhandlung (ON 72 S 20) auch inhaltlich unrichtigen – Beschwerdeargumentation, „ein Beweisverfahren über die Schadenshöhe bzw die behaupteten Schäden der Anleger“ sei „komplett unterlassen“ und „kein einziger Zeuge“ „angehört“ worden, wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet.

Die vermisste Begründung der Feststellungen zu den „Schadenssummen“ (inhaltlich Z 5 vierter Fall) findet sich in US 6 f.

Soweit das Vorbringen als Rechtsrüge (Z 9 lit a) aufgefasst werden kann, bestreitet es bloß die im Urteil getroffenen Feststellungen zum „Bereicherungsvorsatz“, zur „Schädigungsabsicht“ und zum tatbestandsmäßigen Schaden (US 7 f), anstatt – wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeitsgründe stets geboten (RIS-Justiz RS0099810) – auf Basis des Urteilssachverhalts zu argumentieren.

Weshalb es für die rechtsrichtige Beurteilung der Feststellungen dazu bedürfen sollte, ob „Teilnehmer“ die „Rückzahlung der investierten Gelder“ gefordert haben, wird nicht erklärt (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Roald R*****:

Nur Beweisanträge, die in der Hauptverhandlung gestellt wurden, können Grundlage einer Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzungen nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt (und solcherart prozessförmig gestellt) wurden. Eine bloße Verlesung durch das Gericht ersetzt die Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht (RIS-Justiz RS0099099, RS0099250 [T17]).

Dem Rechtsmittelvorbringen (Z 4, teils nominell verfehlt auch Z 5a) zuwider bildet der schriftlich eingebrachte Antrag des Beschwerdeführers auf Vernehmung von neun „Teilhabern“ als Zeugen (ON 13, 14) daher – ungeachtet des in der Hauptverhandlung mit Einverständnis der Parteien erfolgten Vortrags des „gesamten Akteninhalts“ durch den Vorsitzenden (ON 72 S 20) – keinen Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund.

Das Erstgericht ging von einer unbestimmten Mehrzahl von (ua durch die Eingrenzung des Tatzeitraums) bloß gegenüber anderen, nicht aber untereinander abgegrenzten gleichartigen Taten aus (vgl RIS-Justiz RS0119552, RS0116736 [insbesondere T 7, T 8]). Fallkonkret ist auch sonst weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage bedeutsam, ob „die Vermögensschädigung“ schon ab 2004 oder erst ab 2007 „stattgefunden“ hat (vgl RIS-Justiz RS0098557 [insbesondere T 11]). Soweit die Mängelrüge (Z 5) diesbezügliche Feststellungen kritisiert, verfehlt sie daher von vornherein den – im Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen gelegenen – Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.

Die weitere Rüge bringt vor, im Urteil sei unberücksichtigt geblieben (Z 5 zweiter Fall), dass die Homepage der Angeklagten „in den AGB's“ Hinweise enthalten habe, wonach es sich um ein „nicht rückforderbares Darlehen im Sinn von crowd funding“ sowie um ein „Hochrisikogeschäft“ handle und die Möglichkeit bestehe, „dass kein Gewinn erzielt wird“. Diese Umstände stehen jedoch der (damit bekämpften) Urteilsannahme einer Täuschung der Anleger über die Verwendung der Mittel (US 6 f) keineswegs erörterungsbedürftig entgegen. Im Übrigen haben sich die Tatrichter mit den wesentlichen Inhalten der in Rede stehenden Homepage ohnedies
– eingehend – auseinandergesetzt (US 4 f).

Gestützt auf Z 5a (als Aufklärungsrüge) glaubt der Beschwerdeführer die Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung (§ 2 Abs 2 StPO) dadurch verletzt, dass die Vernehmung von neun „Teilhabern“ als Zeugen unterblieben sei. Indem er aber nicht deutlich macht, wodurch er an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war, verfehlt er die Anfechtungskriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480, RIS-Justiz RS0115823 [T1]).

Gleiches gilt, soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) „erhebliche Bedenken“ gegen die Feststellungsgrundlage zur Schadensqualifikation (§ 147 Abs 3 StGB) nicht „aus den Akten“ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481), sondern aus Beweiswerterwägungen des Erstgerichts abzuleiten versucht (RIS-Justiz RS0117961).

Die Feststellungen zu „Tatbegehung und Vorsatz“ des Beschwerdeführers vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält – prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) – nicht an den genau dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 4, 7 f) fest.

Das weitere Vorbringen (Z 9 lit b) macht unter Hinweis auf die Verantwortung des Nichtigkeitswerbers, wonach „das Milliardenspiel selbst bzw. das zugrundeliegende Geschäftsmodell in Österreich geprüft und für nicht rechtswidrig befunden“ worden wären (ON 72 S 7 f), einen Feststellungsmangel zu einem „(u.u. schuldbefreienden) Rechtsirrtum“ des Beschwerdeführers geltend. Dem Angeklagten liegt aber weder das Veranstalten eines verbotenen Spiels (vgl § 168 und § 168a StGB) noch der Abschluss (per se) strafgesetzwidriger Geschäfte, sondern Täuschung der Anleger über die Mittelverwendung (erneut US 6 f) als Betrug (§ 146 StGB) zur Last. In welcher Hinsicht eine angebliche Fehlvorstellung über die Rechtskonformität des „Milliardenspiels“ dem Angeklagten – in Bezug auf sein vom Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) erfasstes Verhalten – als Rechtsirrtum (§ 9 StGB) zustatten kommen sollte, erklärt die Beschwerde demgemäß nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00104.17D.1114.000
Schlagworte:
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