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OGH vom 30.10.1990, 8Ob643/90

OGH vom 30.10.1990, 8Ob643/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Manfred K***, Student, Josefweg 2 e, 8043 Graz, vertreten durch DDr. Horst Spuller, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Herta K***, Hausfrau, Lazarettgasse 18, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Gerhard Schweiger, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 86.400 s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 4 R 72/90-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 8 Cg 436/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 5.094,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 849,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger wurde von seinem Vater Ferdinand K*** in Anrechnung auf den Pflichtteilsanspruch testamentarisch ein Drittel des väterlichen Geschäftsanteiles an der Bauunternehmung G*** Gesellschaft m.b.H. vermacht. Am ist Ferdinand K*** gestorben. Alleinige Testamentserbin ist die Beklagte. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung des Betrages von S 86.400,-- als einem Drittel der ihr auf Grund des Gesellschafterbeschlusses der G***

Gesellschaft m.b.H. vom für das Geschäftsjahr 1987 unter Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer zugekommenen Gewinnbeteiligung des Erblassers.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Gewinnanspruch für das Jahr 1987 demjenigen zustehe, der damals die Gesellschafterstellung innegehabt habe. Dies sei Ferdinand K*** gewesen und an dessen Stelle sei sie als Alleinerbin getreten.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest:

In der ordentlichen Generalversammlung der Bauunternehmung G*** Gesellschaft m.b.H. vom wurde unter anderem die Gewinnfeststellung für das Geschäftsjahr 1987 durchgeführt und der Beschluß über die Verwendung des Reingewinnes mit dem Ergebnis gefaßt, daß der Beklagten als Erbin ein Gewinn von S 324.000,-- abzüglich der Kapitalertragssteuer von S 64.800,--, somit ein Betrag von S 259.200,--, zugewiesen wurde. Dessen tatsächliche Auszahlung erfolgte im Dezember 1988. Der Kläger hat das im Testament seines Vaters vom enthaltene Vermächtnis angenommen. Die Übertragung des abgetretenen Anteiles am Geschäftsanteil wurde zwischen den Streitteilen mit Notariatsakt vom durchgeführt. Als Tag des Überganges sämtlicher mit dem vermachten Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten auf den Kläger als Übernehmer wurde zwischen ihnen der Todestag des Erblassers vereinbart. Am ist die Einantwortung der Verlassenschaft an die Beklagte erfolgt.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, jeder Gesellschafter einer Gesellschaft m.b.H. habe zunächst ein aufschiebend bedingtes Gewinnbezugsrecht, das sich durch die Bilanzfeststellung und den Generalversammlungsbeschluß auf Ausschüttung des Gewinnes in ein unbedingtes Recht verwandle. Da hier der Kläger im Zeitpunkte der Fassung des Generalversammlungsbeschlusses über die Gewinnausschüttung am seinen Anspruch auf ein Drittel des Geschäftsanteiles des Erblassers bereits erworben gehabt habe, stehe ihm die auf diesen Anteil entfallende Dividende zu.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es führte aus:

Die Abtretung des Gesellschaftsanteiles der Beklagten an den Kläger mit Notariatsakt vom stelle zwar ein Rechtsgeschäft unter Lebenden dar, doch sei es in Entsprechung einer letztwilligen Verfügung mit dem Ziele erfolgt, dem Kläger das diesbezüglich zustehende Legat auszufolgen. Die Lösung des vorliegenden Streitfalles könne somit nicht (ausschließlich) in den Vorschriften über rechtsgeschäftliche Verfügungen unter Lebenden gesucht werden. Entgegen der den Rechtsstandpunkt der beklagten Partei stützenden, im deutschen Schrifttum vertretenen Auffassung, im Falle der Übertragung eines Geschäftsanteiles auf eine dritte Person während des Geschäftsjahres sei in Anwendung des § 101 Nr. 2 dBGB der Jahresgewinn zwischen Veräußerer und Erwerber mangels abweichender Abreden im Innenverhältnis entsprechend den Zeiten ihrer Beteiligung zu teilen, werde von der österreichischen Lehre überwiegend die Meinung vertreten, daß vermögensrechtliche Ansprüche aus einem Geschäftsanteil (z.B. Dividenden, Rückzahlung von Nachschüssen) wie auch vermögensrechtliche Leistungspflichten im Zweifel auf den Erwerber übergingen, wenn sie zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung noch nicht fällig seien. Im vorliegenden Fall komme aber dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß der Abtretungsvertrag in Erfüllung eines Vermächtnisses geschlossen worden sei, weshalb erbrechtliche Normen zur Anwendung kämen. Im Sinne des § 685 erster Halbsatz ABGB könne das ein einzelnes Vermächtnisstück umfassende Legat sogleich (= mit dem Tode des Erblassers) gefordert werden. Diesem Umstand sei offenbar mit der Vereinbarung im Abtretungsvertrag, daß der Todestag des Erblassers als Tag des Überganges sämtlicher mit dem Geschäftsanteil verbundener Rechte und Pflichten auf den Kläger gelte, Rechnung getragen worden. Gemäß § 686 ABGB kämen in solchen Fällen dem Legatar auch die seit dem Tode des Erblassers laufenden Zinsen, entstandenen Nutzungen und jeder andere Zuwachs zustatten. Dabei sei der Zeitpunkt der Fälligkeit des Zuwachses entscheidend. Der Gesetzgeber lehne die von der Berufungswerberin vertretene Teilung von Nutzen und Lasten, die ein Legat nach dem Zeitpunkte seiner Ausfolgung an den Berechtigten mit sich bringe, zwischen Erben und Vermächtnisnehmer entsprechend deren "wirtschaftlichen Wurzeln in der Vergangenheit" wohl auf Grund der Schwierigkeiten ihrer Ermittlung und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit ab und entscheide sich für eine insbesondere den Bestimmungen der §§ 662 und 686 zweiter Satz ABGB zugrundeliegenden eindeutigen Regelung der Zurechnung sämtlicher (grundsätzlich auch in der Vergangenheit entstandenen) Nutzen und Lasten an den Vermächtnisnehmer. Diese Regelung werde lediglich durch die im ersten Halbsatz des § 686 ABGB veankerte Vorschrift, wonach bestimmte Erträgnisse (vgl. § 664 leg. cit.) dem Legatar nur unter der Voraussetzung zufielen, daß sie erst nach dem Tode des Erblassers anerlaufen seien, durchbrochen. Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, in dem unbestritten sei, daß die Dividende erst nach der Ausfolgung des Legates an den Kläger fällig geworden sei, an, so zeige sich, daß das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung nicht geirrt habe. An diesem Ergebnis vermöge auch die Argumentation der Berufungswerberin, wonach der Anspruch auf den Gewinn vom Zeitpunkte der Generalversammlung, in der der Beschluß über eine Ausschüttung gefaßt worden sei, mithin von einem Zufall, abhänge, nichts zu ändern, da dieser Beschluß der Generalversammlung eben (eine) Voraussetzung für das Entstehen eines unbedingten Gewinnanspruches eines Gesellschafters sei. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Beklagte eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin bringt vor, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes entstehe der Gewinnanspruch, der ein Ausfluß des Mitgliedschaftsrechtes sei, bereits mit dem Ende des Geschäftsjahres, in dem er erwirtschaftet werde. Er klebe gleichsam am Geschäftsanteil und könne gar nicht von diesem losgelöst übertragen wurden. Maßgeblicher Stichtag sei nicht der vom willkürlichen Zufall abhängige Tag der ordentlichen Generalversammlung und der dortigen Beschlußfassung sondern der Tag, mit dem das Geschäftsjahr ende, also der Abschluß der Rechnungsperiode, für die der Gewinn ermittelt werde. Gerade im Anlaßfalle würde ansonsten das rechtswidrige Verhalten der Gesellschafter willkürlich zu einer Bevorzugung des Legatars führen, zumal gemäß § 22 GesmbH der Jahresabschluß in den ersten fünf Monaten aufgestellt werden müsse, in welchem Falle die Generalversammlung noch vor dem Todestag des Erblassers () hätte abgehalten werden können. Die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsansicht Reich-Rohrwigs sei offenbar von der Vertragspraxis (Kostner "GesmbH 3, 436") beeinflußt. Im gegenständlichen Falle liege jedoch kein Übergang unter Lebenden, sondern ein Übergang von Todes wegen vor, sodaß ein Rechtsgeschäftswille fehle. Es sei daher im Sinne Kastners (Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes4, 323), der die vertraglichen Gestaltungsbefugnisse der Gesellschafter anspreche, gerechtfertigt, die für Personengesellschaften geltenden Regeln des Art. 7/16 EVHGB heranzuziehen, wonach der ausscheidende Gesellschafter bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens am geschäftlichen Erfolg beteiligt sei. Die vom Berufungsgericht angeführten Schwierigkeiten der Ermittlung und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit seien hier ohne Belang, weil vom Kläger ein Gewinnanspruch für die Zeit vom bis gegenüber der Beklagten gar nicht erhoben werde, sondern dieser Teil von ihr ohnehin dem Kläger überlassen worden sei. Der Beschluß der Generalversammlung sei lediglich für das "Fälligwerden" des unbedingten Gewinnanspruches des Gesellschafters maßgebend, entstanden sei dieser Anspruch aber eben bereits mit dem Ende des Geschäftsjahres, in welchem er erwirtschaftet worden sei. Der Gewinn gebühre bei zwischenzeitigem Gesellschafterwechsel folglich demjenigen, dem das Gewinnstammrecht zu diesem Zeitpunkt zugestanden sei, somit demjenigen, der damals Gesellschafter gewesen sei, also dem inzwischen Verstorbenen bzw. dessen Alleinerbin; diese Rechtsauffassung entspreche auch der einhelligen deutschen Lehrmeinung (vgl. Baumbach-Hueck, Beck'sche Kurzkommentare zum GmbHGesetz Band 20, Seite 322 ff; Scholz, Kommentar zum GmbHGesetz, 1. Band, Seite 759 ff bzw. Hachenburg, Großkommentar zum GmbHGesetz, 2. Band, Seite 55 ff).

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Streitteile haben die Übertragung des vom Erblasser dem nunmehrigen Kläger vermachten Geschäftsanteiles mit Notariatsakt vom vertraglich geregelt. Laut dessen Punkt 5 vereinbarten sie als Zeitpunkt des Überganges aller mit diesem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Kläger den Todestag des Erblassers, das ist der .

Auf Grund dieser die Streitteile bindenden Vereinbarung sind - mangels Behauptung einer gegenteiligen Parteienabsicht - im Sinne ihres Wortlautes sowohl das mit dem Geschäftsanteil verbundene, einen vermögensrechtlichen Bestandteil der Mitgliedschaftsrechte bildende (siehe Baumbach-Hueck Rz 49 zu § 29; Scholz GesmbHG7 I Rz 15, 16 zu § 29) allgemeine Gewinnbezugsrecht des Erblassers als auch die seit seinem Tode aus dem allgemeinen Gewinnbezugsrecht erfließenden - von diesem streng zu trennenden (siehe Baumbach-Hueck aaO Rz 49 zu § 29; Scholz aaO Rz 15, 24 zu § 29; Hachenburg aaO Rz 8, 12 zu § 29; Gellis

GesmbHR 241) - konkreten, nach der Beschlußfassung der Gesellschafter über die Gewinnausschüttung sofort fälligen und klagbaren Gewinnauszahlungsansprüche als jeweils mit dem Geschäftsanteil verbundene Rechte mit Stichtag auf den Kläger übergegangen. Diesem steht daher gegenüber der Beklagten vertragsgemäß auch der mit dem Geschäftsanteil verbundene, durch den Gesellschafterbeschluß vom entstandene Gewinnauszahlungsanspruch für das Geschäftsjahr 1987 im anteiligen Ausmaß zu.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, auf die einzelnen Revisionsausführungen noch weiter einzugehen. Es ist lediglich darauf hinzuweisen, daß entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen nicht nur Reich-Rohrwig GesmbHR 630 und Gellis (aaO) für den österreichischen Rechtsbereich, sondern auch die angeführte deutsche Rechtslehre bei Geschäftsanteilsübertragungen grundsätzlich auf die Fälligkeit des Gewinnauszahlungsanspruches abstellen, also noch nicht konkretisierte Gewinnauszahlungsansprüche dem Erwerber zugestehen und die allfällige Teilung dieser mit dem Geschäftsanteil verbundenen, nach der Anteilsübertragung entstandenen konkreten Gewinnauszahlungsansprüche mit dem Veräußerer lediglich Folge der positiven Gesetzesanordnung des § 101 Nr. 2 dBGB ist. Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.