OGH vom 17.09.2020, 14Ns48/20z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in der Strafvollzugssache der ***** V***** wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen in dem zu AZ 182 BE 177/20k des Landesgerichts für Strafsachen Wien und zu AZ 75 BE 158/20p des Landesgerichts Klagenfurt zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren über die bedingte Entlassung der ***** V***** aus Freiheitsstrafen nach § 46 Abs 1 StGB ist vom Landesgericht Klagenfurt zu führen.
Text
Gründe:
***** V***** verbüßt derzeit zwei mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , AZ 66 Hv 54/18w, und vom , AZ 31 Hv 48/18f, über sie verhängte Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von 16 Monaten mit Strafende am . Diese Strafen wurden zunächst in der Justizanstalt WienJosefstadt vollzogen.
Mit Bescheid vom , AZ 147145/01II3/2020, ordnete die Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz gemäß § 10 StVG die Zuständigkeit der Justizanstalt Klagenfurt für den weiteren Vollzug der über V***** verhängten Freiheitsstrafen an (ON 2 S 33). Dem unter einem erfolgten Ersuchen, die Überstellung der Strafgefangenen in die Justizanstalt Klagenfurt zu veranlassen, entsprach die Justizanstalt WienJosefstadt bislang nicht (unjournalisierte Äußerung des Leiters der Justizanstalt Wien-Josefstadt in ON 5, Einsicht in IVV).
Am langten beim Landesgericht Klagenfurt die von der Justizanstalt WienJosefstadt vorgelegten Akten zur Entscheidung über die bedingte Entlassung der ***** V***** aus den angeführten Freiheitsstrafen ein (ON 2; AZ 75 BE 153/20p).
Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom (vgl jedoch § 38 erster Satz StPO) wurde die bedingte Entlassung der Strafgefangenen gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG „wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen“, weil die über V***** verhängten Freiheitsstrafen zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens am in der Justizanstalt WienJosefstadt vollzogen worden seien und das Landesgericht Klagenfurt daher nicht Vollzugsgericht gemäß § 16 Abs 1 StVG sei (ON 3). In der Folge übermittelte das Landesgericht Klagenfurt die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Wien „zuständigkeitshalber“ (ON 1 unjournalisierte Verfügung vom ), die beim letztgenannten Landesgericht am einlangten (ON 1 unjournalisierte S; AZ 182 BE 177/20k).
Mit Beschluss vom verneinte das Landesgericht für Strafsachen Wien seine Zuständigkeit (erkennbar) aufgrund der bereits vor Einleitung des Verfahrens am angeordneten Vollzugsortsänderung und überwies die Strafvollzugssache dem Landesgericht Klagenfurt (ON 6).
Das Landesgericht Klagenfurt verwies auf die bereits mit „Beschluss vom ausgesprochene Unzuständigkeit“ sowie auf § 38 StPO und übermittelte die Akten erneut dem Landesgericht für Strafsachen Wien (ON 7).
Das Landesgericht für Strafsachen Wien bezweifelte (weiterhin) seine Zuständigkeit und legte mit Verfügung vom die Akten gemäß § 38 letzter Satz StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts vor.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 16 Abs 2 Z 12 StVG entscheidet das Vollzugsgericht unter anderem über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen (§§ 46, 48 bis 53 und 56 StGB). Vollzugsgericht ist gemäß § 16 Abs 1 erster Satz StVG das in Strafsachen tätige Landesgericht, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (des Einlangens des Antrags bei Gericht; RIS-Justiz RS0087500 [T2]).
„Vollzogen“ im Sinn dieser Bestimmung wird die Freiheitsstrafe in der hiefür zuständigen Justizanstalt, nicht in jener, in der sich der Strafgefangene bloß vorübergehend – wie hier „aufgrund der CovidKrise sowie aus medizinischen Gründen“ noch nicht durchgeführter Überstellung an die Justizanstalt Klagenfurt (ON 5) – aufhält (14 Ns 10/11y; Drexler/Weger, StVG4 § 16 Rz 3).
Die Zuständigkeit der Justizanstalt ergibt sich allgemein aus § 9 StVG. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 1 und 2 StVG hat das Bundesministerium für Justiz allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt anzuordnen. Die vom Bundesministerium für Justiz gemäß § 10 Abs 1 StVG als zuständig bestimmte Anstalt ist auch dann schon zuständig, wenn noch keine Überstellung des Strafgefangenen von jener Justizanstalt, in der die Strafe angetreten worden war, erfolgt ist (vgl Pieber in WK2 StVG § 16 Rz 4 mwN).
Entgegen der Ansicht des Landesgerichts Klagenfurt kommt es demnach für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit des Vollzugsgerichts in den Fällen einer Strafvollzugsortsänderung gemäß § 10 Abs 1 StVG – anders als bei Einleitung des Strafvollzugs (vgl RIS-Justiz RS0087254 [T3]; Drexler/Weger, StVG4 § 16 Rz 2 mwN) – nicht auf das tatsächliche Eintreffen des Strafgefangenen in der zuständigen Justizanstalt, sondern darauf an, welche Justizanstalt zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nach der Entscheidung der Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz für den Strafvollzug zuständig war.
Das Verfahren über die bedingte Entlassung der ***** V***** wurde am (Vorlage der Akten an das Gericht durch die Justizanstalt) eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz mit dem oben angeführten Bescheid vom bereits gemäß § 10 StVG die Zuständigkeit der Justizanstalt Klagenfurt für den weiteren Strafvollzug angeordnet. Damit fällt die Entscheidung über die bedingte Entlassung der Strafgefangenen in die Kompetenz des Landesgerichts Klagenfurt.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0140NS00048.20Z.0917.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.