OGH vom 29.10.2013, 9Ob44/13f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Dr. B***** P*****, vertreten durch Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte und widerklagende Partei S***** AG, *****, vertreten durch Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 166.793,90 EUR sA (Klagebegehren) und 11.060,28 EUR sA (Widerklage-begehren), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 59.360,82 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 2 R 220/12d 141, mit der der Berufung der beklagten Partei nicht, hingegen jener der klagenden Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 12 Cg 241/02t 135, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 766,14 EUR (darin 127,69 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.023,74 EUR (darin 337,29 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Folgender Sachverhalt stand bereits im ersten Rechtsgang fest:
Im Oktober 1998 eröffnete die Klägerin bei der Beklagten ein Nummernkonto, über das in weiterer Folge Wertpapiergeschäfte abgewickelt wurden. Die Klägerin erteilte der Beklagten einen Vermögensverwaltungsauftrag. Nach dem nur rudimentär erhobenen Kundenprofil sollten „variable Erträge“ erzielt werden. Die Auswahl der Wertpapiere und die Zusammensetzung des Portfolios bestimmte in erster Linie der zuständige Mitarbeiter der Beklagten. Die Veranlagung erfolgte überwiegend in Aktien; sie beinhaltete auch schon zu Beginn risikoreiche Papiere. Die Depotstruktur hätte bereits von Beginn an ausgewogener sein müssen. Während das Depot der Klägerin zunächst eine gewisse Risikosteuerung aufwies, fand im zweiten Halbjahr 1999 ein Strategiewechsel hin zu überwiegend hochspekulativen Technologie und Telekommunikations-werten statt. Ab dem Jahr 2000 lag keine ausgewogene Verteilung von Sicherheit, Rentabilität, Liquidität, Mischung und Streuung vor. In den Jahren 1999 und 2000 nahm die Klägerin diverse Behebungen in unterschiedlicher Höhe zu Lasten des Wertpapierdepots vor. Aufgrund von Wertpapierkäufen und Abhebungen durch die Klägerin war das Verrechnungskonto nach August 2000 überzogen. Aus diesem Grund fanden Notverkäufe statt. Die derzeit noch im Depot der Klägerin verbliebenen Wertpapiere sind abgesehen von einer Ausnahme praktisch wertlos.
Im festgestellten Sachverhalt finden sich zudem folgende Ausführungen: Unter „variable Erträge“ ist am ehesten eine Anlage in Anleihen (auch in fremder Währung oder mit variablen Kupons) sowie in Rentenfonds zu verstehen. Nicht vergleichbar ist die Performance des *****-Globalaktienfonds und des *****-Europaaktienfonds, da diese Fonds auf eine Anlagedauer von etwa zehn Jahren ausgerichtet sind.
Im ersten Rechtsgang hatte die Klägerin zuletzt 178.699,14 EUR sA von der Beklagten begehrt. Dazu hatte sie vorgebracht, dass im Februar 2002 das Depot nur mehr aus größtenteils wertlosen Hochrisikoaktien bestanden habe. Diese Aktien habe sie ursprünglich um insgesamt 347.852,55 DM (177.854,18 EUR) erworben. Zudem habe die Beklagte um 11.905,24 EUR überhöhte Gebühren verrechnet. Zufolge Aufrechnung sei der Negativsaldo auf dem Verrechnungskonto in Höhe von 11.060,28 EUR abzuziehen. Die Rückgabe der noch im Depot befindlichen Wertpapiere biete sie der Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung des Klagsbetrags an. In der zweiten Jahreshälfte 1999 habe der Mitarbeiter der Beklagten das bis dahin gut entwickelte Aktiendepot aufgegeben und das Kapital überwiegend in hoch riskante Aktien investiert. Ein erheblicher Teil der Aktien sei dadurch wertlos geworden.
Die Beklagte hatte entgegnet, dass sie von der Klägerin mit der Vermögensverwaltung beauftragt worden sei. In Kenntnis des Verlustrisikos habe die Klägerin eine dynamische Veranlagung mit entsprechend höheren Gewinnchancen gewünscht. Aufgrund ihrer Barbehebungen habe diese nur 30.000 DM des veranlagten Kapitals verloren. Bei den noch im Depot befindlichen Aktien handle es sich um den unverkäuflichen Rest, der ein falsches Bild vom Gesamtportfolio vermittle. Die Vermögensverwaltung sei aber als Gesamtheit zu betrachten. Das Zug um Zug Angebot der Klägerin werde abgelehnt.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 28.632,35 EUR sA. Das Mehrbegehren von 150.066,79 EUR sA sowie das Widerklagebegehren von 11.060,28 EUR sA wies es ab.
Das Berufungsgericht bestätigte (als Teilurteil) die Abweisung von 11.905,24 EUR an angeblich überhöhten Gebühren. Im Übrigen hob es die Entscheidung des Erstgerichts (restliches Klagebegehren von 166.793,90 EUR sA sowie das gesamte Widerklagebegehren) auf.
Der Oberste Gerichtshof gab mit Beschluss vom (9 Ob 85/09d) den von beiden Parteien erhobenen Rekursen nicht Folge und führte zusammengefasst im Wesentlichen aus:
„Die Beurteilung des Sachverhalts nach österreichischem Recht ist zwischen den Parteien unstrittig. Das haftungsbegründende Fehlverhalten der Beklagten ist ebenfalls nicht mehr strittig. Dieses bezieht sich auf eine mangelhafte Erhebung des Anlageziels der Klägerin, auf eine von Beginn an nicht ausgewogene Depotstruktur, weiters auf den Strategiewechsel ab dem 2. Halbjahr 1999 sowie auf die Überziehung des Verrechnungskontos nach August 2000.
Die Klägerin stützt ihr Schadenersatzbegehren auf den Ankauf der derzeit noch im Portfolio vorhandenen risikoträchtigen Aktien aufgrund des vom Mitarbeiter der Beklagten vorgenommenen Strategiewechsels während aufrechter Vermögensverwaltung. Damit macht sie nicht den Vertrauensschaden, sondern den auf ihre Weise konkret berechneten Nichterfüllungsschaden geltend.
Ausgangspunkt für die Ermittlung des Nichterfüllungsschadens ist die getroffene Vereinbarung. Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie bei vereinbarungsgemäßer Geschäftsabwicklung, also pflichtgemäßer Gestionierung des Portfolios stünde. Nach der Natur des von der Klägerin erteilten Auftrags und ihres einzigen angegebenen Anlagewunsches nach variablen Erträgen ist ohne weiteres davon auszugehen, dass ihr Veranlagungsziel in einem entsprechend ausgewogenen Verhältnis zwischen risikoarmen und risikoträchtigeren Wertpapieren im Rahmen einer Gesamtstrategie bestand. In jedem anderen Fall hätte der Auftrag grundlegend anders lauten müssen. Auch bei einer konservativen Veranlagungsstrategie können durchaus risikoreichere Papiere gehalten werden, solange eine ausgewogene Mischung der Vermögenswerte und eine angemessene Streuung des Risikos erfolgt.
Für die Ermittlung des Nichterfüllungsschadens hat daher eine Gesamtbetrachtung stattzufinden.
Nach diesen Grundsätzen ist für die Schadensermittlung die Entwicklung ('Performance') der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung der fiktiven Entwicklung der Vermögenswerte bei aus Sicht ex ante vertragskonformer Gesamtstrategie unter der Annahme sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Umfang gleicher Barbehebungen und Neueinkäufe gegenüberzustellen. Dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass dem Anlageziel der Klägerin am ehesten eine Anlage in Anleihen auch in fremder Währung oder mit variablen Kupons sowie in Rentenfonds entsprochen hätte. Soweit die Klägerin den ***** Global Aktienfonds als repräsentative bzw vergleichbare Veranlagungsform sieht, weicht sie von den Feststellungen ab.
Zur Überziehung des Verrechnungskontos und damit zum Widerklagebegehren hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin in dieser Hinsicht eine Aufrechnung vorgenommen hat, weshalb der anerkannte Betrag von 11.060,28 EUR von ihrem Ersatzanspruch abzuziehen ist.
Da zur Ermittlung des berechtigten Nichterfüllungsschadens der Klägerin sekundäre Feststellungsmängel vorliegen, hat es bei der Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts zu verbleiben. Im fortgesetzten Verfahren wird unter Beiziehung des gerichtlichen Sachverständigen die konkrete Entwicklung einer vereinbarungskonformen fiktiven Alternativstrategie zu ermitteln und dem Ergebnis der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung (als Gesamtstrategie) gegenüber zu stellen sein. Zur Erleichterung der Schadensermittlung kommt eine Heranziehung der Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO in Betracht.“
Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin ergänzend vor, dass sie mit dem Anlageberater der Beklagten kein reines Anleihendepot und keine risikolose Veranlagung, sondern eine Veranlagung in Aktien vereinbart habe.
Die Beklagte wendete dazu ein, dass eine Veranlagung in Aktien jedenfalls unzulässig gewesen wäre, weil die Klägerin eine risikolose Veranlagung in Aktien mit einer Rendite von mehr als 10 % pa gewollt habe, was aber unmöglich gewesen sei. Tatsächlich habe die Klägerin mit dem Anlageberater eine spekulative Veranlagung besprochen, die auch tatsächlich durchgeführt worden sei. Dies sei jedoch im Hinblick auf das Kundenprofil der Klägerin unzulässig gewesen.
Das Erstgericht gab dem restlichen Klagebegehren mit 29.578,90 EUR sA statt. Das Mehrbegehren von 137.215 EUR sA wies es ebenso ab, wie das Widerklagebegehren über 11.060,28 EUR sA. Neben dem bereits eingangs dargestellten Sachverhalt legte es seiner Entscheidung unter anderem noch folgende Feststellungen zugrunde: Die Klägerin zahlte insgesamt 595.000 DM auf ihr Nummernkonto bei der Beklagten ein. Bis tätigte sie Barbehebungen von insgesamt 565.000 DM. Sie erhielt daher ohne Berücksichtigung allfälliger Zinsen 95 % des einbezahlten Kapitals wieder zurück. Die im Depot der Klägerin verbliebenen Aktien hatten zum einen Wert von 3.146,32 EUR.
Bei der von der Klägerin angestrebten Veranlagung („variable Erträge“) in Anleihen, darunter auch Fremdwährungsanleihen, wäre am bei bestmöglicher Entwicklung ein Vermögensbestand von 107.046,23 DM, das sind 54.731,37 EUR vorhanden gewesen. Bei einem breit gestreuten reinen Aktiendepot wäre am ein Vermögensbestand von 268.108,80 DM (137.081,85 EUR) vorhanden gewesen, wobei dieser Vermögensbestand das Resultat einer besonders guten Entwicklung wäre und daher das höchstmögliche Ergebnis darstellen würde.
Auf den Währungsverrechnungskonten der Klägerin bei der Beklagten haftet ein Negativsaldo von insgesamt 11.060,28 EUR aus. Die Klägerin erklärte mit ihren Schadenersatzansprüchen gegen die Forderung der Beklagten auf Abdeckung dieser Konten in Höhe von 11.060,28 EUR aufzurechnen.
In seiner rechtlichen Beurteilung begründete das Erstgericht zunächst nochmals eingehend die Haftung der Beklagten dem Grunde nach. Zur Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Nichterfüllungsschadens führte es aus, dass dem Wunsch der Klägerin nach sicheren Anlagen am ehesten eine Anlage in Anleihen (auch in fremder Währung oder mit variablen Kupons) sowie in Rentenfonds entsprochen habe. Dies hätte bei einem repräsentativen Depot mit ATS- und US Anleihen in einem Mischungsverhältnis von 2:1 bei vertragskonformer Gesamtstrategie einen fiktiven Vermögensbestand von 107.046,23 DM (54.731,87 EUR) ergeben. Da dieses Ergebnis nur bei bestmöglicher Entwicklung erzielt hätte werden können und zudem weder Valutatage noch eine kurzfristige Überziehung berücksichtige, erscheine eine Verminderung um 20 % auf 43.785,50 EUR nach § 273 Abs 1 ZPO als angemessen. Spesen seien hingegen nicht abzuziehen, weil die diesbezüglich eingeklagten Gebühren in Höhe von 11.905,24 EUR sA bereits rechtskräftig abgewiesen worden seien. Diesem fiktiven Resultat einer vertragskonformen Anlagestrategie sei das Ergebnis der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung gegenüberzustellen, also der verbliebene Depotwert von 3.146,32 EUR. Der Schaden bzw Kapitalverlust der Klägerin bestehe in der Differenz von 40.639,18 EUR, die wegen der von ihr erklärten Aufrechnung noch mit der Forderung der Beklagten aus den Verrechnungskonten von 11.060,28 EUR zu kompensieren sei, sodass sich ein zuzusprechender Betrag von 29.578,90 EUR ergebe. Aufgrund dieser Saldierung müsse die Widerklage erfolglos bleiben.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten nicht, hingegen der gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es gab dem Klagebegehren mit 88.939,72 EUR sA statt, das Mehrbegehren von 77.854,18 EUR sA sowie das Widerklagebegehren von 11.060,28 EUR sA wies es ab. Die Frage, was unter den Begriff „variable Erträge“ zu verstehen sei, sei als Urkundeninterpretation eine rechtliche Beurteilung. Ausgehend von den im Kundenprofil der Klägerin zur Auswahl gestellten „Ertragszielen“ („fixe Ertrage“, „variable Ertrage“, „fixe und variable Ertrage“ und „keine Angabe“) entspreche auch eine Veranlagung in Aktien dem Begriff „variabler Erträge“. Im Hinblick auf ein konkludentes Tatsachengeständnis der Beklagten sei davon auszugehen, dass zwischen der Klägerin und dem Anlageberater eine Aktienveranlagung vereinbart gewesen sei. Die für die Schadensermittlung maßgebliche „vereinbarungskonforme fiktive Alternativstrategie“ habe daher in der Anlegung eines ausgewogenen, breit gestreuten und auf spekulativ riskante Werte verzichtenden Aktiendepots bestanden. Ausgehend von einem fiktiven Vermögensbestand des Portfolios der Klägerin zum von 137.081,85 EUR, fiktiven Spesen zwischen 10.000 und 15.000 EUR sowie sonstiger unsicherer Faktoren der fiktiven Aktienentwicklung, der Kostenbelastung durch Valutatage und kurzfristiger Kontoüberziehungen sei ein pauschaler Schadenersatzbetrag von 100.000 EUR angemessen und sachgerecht (§ 273 Abs 1 ZPO). Eine Verminderung des fiktiven Veranlagungsergebnisses um den Restdepotwert von 3.146,32 EUR komme nicht in Betracht. Abzuziehen sei jedoch die Widerklagsforderung von 11.060,28 EUR, mit der die Klägerin aufgerechnet habe.
Gegen die Berufungsentscheidung im Umfang eines weiteren Klagszuspruchs von 59.360,82 EUR sA richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer freigestellten Revisionsbeantwortung , die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig und berechtigt.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass sich das Berufungsgericht bei der Frage, was die für die Schadensermittlung maßgebliche vereinbarungskonforme fiktive Alternativstrategie sei, von der bindenden Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs (9 Ob 85/09d), dem Anlageziel der Klägerin habe am ehesten eine Anlage in Anleihen auch in fremder Währung oder nicht variablen Kupons sowie in Rentenfonds entsprochen, hinweggesetzt habe. Dazu ist auszuführen:
Der Oberste Gerichtshof teilt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Auslegung des Begriffs „variable Erträge“ im schriftlichen Kundenprofil der Klägerin um eine Urkundeninterpretation und damit eine rechtliche Beurteilung handelt (RIS Justiz RS0017911, zuletzt 1 Ob 25/13b). Diese rechtliche Beurteilung, an die die Vorinstanzen im zweiten Rechtsgang gebunden waren (§ 511 Abs 1 ZPO), traf bereits der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom (9 Ob 85/09d). Er führte insbesondere aus, dass nach der Natur des von der Klägerin erteilten Auftrags und ihres einzigen angegebenen Anlagewunsches nach variablen Erträgen ohne weiteres davon auszugehen sei, dass ihr Veranlagungsziel in einem entsprechend ausgewogenen Verhältnis zwischen risikoarmen und risikoträchtigeren Wertpapieren im Rahmen einer Gesamtstrategie bestanden habe. Dazu habe das Erstgericht ausgeführt, dass dem Anlageziel der Klägerin am ehesten eine Anlage in Anleihen auch in fremder Währung oder mit variablen Kupons sowie in Rentenfonds entsprochen hätte. Diese „Feststellung“, hinsichtlich der bereits das Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung seines Urteils im ersten Rechtsgang auf eine verständige Auslegung nach § 914 ABGB Bezug nahm, ist bloß eine Konkretisierung dessen, was im konkreten Fall eine vertragskonforme Gesamtstrategie gewesen wäre. Grundlage dieser vertragskonformen Gesamtstrategie war hier im Wesentlichen die Höhe des Risikos, das die Beklagte bei der Veranlagung aufgrund des von der Klägerin angegebenen und bei Vertragsauslegung nach § 914 ABGB ermittelten Anlageziels eingehen durfte.
Ausgehend von der insoweit überbundenen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs erweist sich die Berufungsentscheidung als korrekturbedürftig. Das Ersturteil, das die überbundene Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, war daher wiederherzustellen.
Zu den bislang noch nicht Stellung bezogenen Argumenten der Klägerin in ihrer Berufung ist Folgendes auszuführen:
Zur Tatsachenrüge:
Die Punkte 1. und 2. sind im Hinblick auf die überbundene Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht relevant. Zu Punkt 3. hat das Berufungsgericht Stellung bezogen.
Zur Rechtsrüge:
1. Ausgehend von der Bindungswirkung nach § 511 Abs 1 ZPO basiert die Schadensberechnung nicht auf widersprüchlichen Vorgaben. Die Feststellungen des Erstgerichts, welche Veranlagungsform für einen Kunden, der noch nie Wertpapierbesitzer gewesen sei und keine besonderen Wünsche für die Verwaltung geäußert habe, zu erwarten sei, sind nicht relevant, weil die Klägerin einen entsprechenden, wenn auch auslegungsbedürftigen, Anlagewunsch geäußert hat.
2. Mit ihren Ausführungen zur unrichtigen Schadensberechnung übergeht die Klägerin die im Sachverhalt getroffenen, von ihr aber unbekämpft gebliebenen Feststellungen, insbesondere dass bei einer ausgeglichenen Mischung von heimischen und internationalen Anleihen mit einer Gewichtung von 2 Teilen ATS Anhleihen und 1 Teil US Anleihen am ein Vermögensbestand von 107.046,23 DM (54.731,87 EUR) vorhanden gewesen wäre.
3. Zur Überziehung des Verrechnungskontos hat der Oberste Gerichtshof in 9 Ob 85/09d bereits ausgeführt, dass die Klägerin in dieser Hinsicht eine Aufrechnung vorgenommen hat, weshalb der anerkannte Betrag von 11.060,28 EUR von ihrem Ersatzanspruch abzuziehen ist.
4. Ebenso hat der Oberste Gerichtshof im genannten Beschluss klargelegt, dass zur Erleichterung der Schadensermittlung eine Heranziehung der Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO in Betracht kommt. Einen Fehler in der Ausmittlung des Schadenersatzbetrags hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
5. Die Klägerin muss sich auch den Abzug des festgestellten Restdepotwerts gefallen lassen. Haftet nämlich ein Schuldner für den Nichterfüllungsschaden, dann hat er dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, der diesem durch die pflichtwidrige Nichterfüllung entstand (positives Vertragsinteresse); der Gläubiger muss regelmäßig so gestellt werden, wie wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (2 Ob 74/12i mwN; RIS Justiz RS0016377; RS0018239). Da zur Schadensermittlung das Ergebnis der pflichtwidrigen Vermögensverwaltung der fiktiven Entwicklung der vereinbarungskonformen Vermögensverwaltung gegenüber-zustellen ist (1 Ob 181/11s; 9 Ob 85/09d), ist der vom Erstgericht festgestellte Depotwert, den die Klägerin durch Verkauf der in diesem Depot noch enthaltenen Wertpapiere jederzeit lukrieren kann, als vorhandenes Aktiva bei der Ermittlung ihres Schadens zu berücksichtigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Kosten der jeweils erfolgreichen Berufungsbeantwortungen des zweiten Rechtsgangs waren zu saldieren. Gemäß § 23 Abs 9 RATG gebührt jeweils nur der dreifache Einheitssatz. Die verzeichneten Revisionskosten waren um die Pauschalgebühr, die gemäß Anm 4 zu TP 3 RATG nicht nochmals anfiel, zu kürzen.