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OGH vom 28.07.2010, 9Ob44/10a

OGH vom 28.07.2010, 9Ob44/10a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P***** F*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, und die auf seiner Seite beigetretene Nebenintervenientin Dr. E***** F*****, vertreten durch Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwalt in Wien, wegen 31.471,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 13 R 2/10z 17, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Bestimmung des § 408 ZPO, die für mutwillige Prozessführung einen eigenen Schadenersatzanspruch statuiert, ist im Konkursverfahren nicht anwendbar (8 Ob 122/07k). Nicht zweifelhaft ist aber, dass ebenso wie die missbräuchliche Anrufung des Gerichts auch ein missbräuchlich gestellter Konkursantrag eine Schadenersatzpflicht des Antragstellers bzw seines Rechtsanwalts begründen kann.

Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass sich die Entscheidung 6 Ob 156/08x mit der Haftung eines Gläubigers für die Folgen seines Konkursantrags beschäftigt. Das Ergebnis dieser Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall allerdings nicht übertragbar, weil sich der antragstellende Gläubiger anders als im vorliegenden Fall nur auf eine bestrittene nicht titulierte Forderung stützte und der Konkursantrag rechtskräftig abgewiesen worden war.

Allgemein machen verfahrensrechtliche Handlungen erst dann ersatzpflichtig, wenn der Schädiger den eingenommenen Prozessstandpunkt bei gehöriger Sorgfalt nicht bloß für zweifelhaft, sondern für aussichtslos halten musste (7 Ob 57/00h; 5 Ob 261/02x; vgl auch RIS Justiz RS0022777). Missbräuchlichkeit eines vom Gläubiger gestellten Konkursantrags ist nach der Judikatur dann anzunehmen, wenn der Schuldner oder eine andere Person mit dem Konkursantrag ungerechtfertigt unter Druck gesetzt oder ein verfahrensfremder Zweck erreicht werden soll (RIS Justiz RS0123950; vgl auch Harrer in Schwimann 3 § 1295 ABGB Rz 179; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht 4 § 70 KO Rz 62). Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 70 Abs 1 KO der Konkurs auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen ist, wenn er glaubhaft macht, dass er eine, wenngleich nicht fällige Konkursforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist. Der Antrag ist ohne Anhörung sofort abzuweisen, wenn dieser offenbar unbegründet ist, etwa weil er offenbar missbräuchlich gestellt oder die Glaubhaftmachung nicht erbracht wurde. Im Allgemeinen sind die Konkursvoraussetzungen nicht förmlich nachzuweisen, sondern nur anhand parater Mittel zu bescheinigen (RIS Justiz RS0064986). Der Schuldner hat auch die Möglichkeit, durch geeignete Gegenbescheinigungen, die stichhaltige Zweifel an den Konkursvoraussetzungen erwecken, die Konkurseröffnung abzuwenden. In der Entscheidung 8 Ob 282/01f wurde in dieser Hinsicht betont, es müsse vermieden werden, dass aufgrund nicht hinreichend geklärter Behauptungen der Konkurs eröffnet werde.

1.2 Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Die Anwendung einer richtig erkannten Rechtslage auf den konkreten Einzelfall stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, die die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte.

Im vorliegenden Fall wurde das Konkursverfahren rechtskräftig eröffnet, obwohl sich die Klägerin auf eine nur vorübergehende Zahlungsstockung berief. In der außerordentlichen Revision gesteht sie selbst zu, dass die Forderungsexekution erfolglos blieb. Nach den Feststellungen führte auch die Fahrnisexekution trotz mehrerer Vollzugsversuche an unterschiedlichen Adressen der Klägerin zu keiner Befriedigung. Die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass im Konkursantrag des beklagten Rechtsanwalts rund zwei Jahre nach Entstehen des Exekutionstitels und rund ein Jahr nach Einleitung des erfolglosen Exekutionsverfahrens weder eine unverhältnismäßige Härte in der Verfolgung des Anspruchs noch ein sachlich ungerechtfertigtes Druckmittel erblickt werden könne und Rechtswidrigkeit daher zu verneinen sei, stellt jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung dar. Entgegen der Ansicht der Klägerin war die Annahme ihrer Zahlungsunfähigkeit durch den Beklagten vertretbar, jedenfalls aber nicht im Sinn der dargelegten Grundsätze missbräuchlich. Ein mangels pfändbarer Gegenstände gescheiterter Vollzug oder der wiederholte Vollzug von Fahrnispfändungen kann ohne weiteres als Indiz für die Zahlungsunfähigkeit gewertet werden.

Auch die Berufung der Klägerin auf die 100%ige Quote im Zwangsausgleich ist nicht stichhaltig, weil der Kenntnisstand und die Erwartungen des Beklagten zum Zeitpunkt des Konkursantrags maßgeblich sind. Außerdem wurde der Zwangsausgleich erst durch die Rückstehungserklärung der Bank ermöglicht.

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch abstrakte Bedeutung zukäme, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (RIS Justiz RS0002495).

Der in der außerordentlichen Revision angegriffenen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der beklagte Rechtsanwalt dem Prozessgegner seiner Partei für die allfällige Verletzung von standesrechtlichen Normen nicht einzustehen habe, weil er dem Prozessgegner gegenüber (deliktisch) nur wie die eigene Partei hafte (vgl dazu F. Bydlinski , Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen, JBl 1986, 626), und der impliziten Verneinung des Schutzgesetzcharakters des § 9 Abs 1 RAO und der §§ 2 f der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwalts und des Rechtsanwaltsanwärters (siehe dazu RIS Justiz RS0102369; 1 Ob 2029/96f), kommt für die Entscheidung keine Bedeutung zu. Die Klägerin stützt die behauptete Verletzung von Standesrecht auf bewusst unwahre Behauptungen des Beklagten über ihre Vermögensverhältnisse im angeblich rechtsmissbräuchlichen Konkursantrag. Ausgehend von den Feststellungen ist jedoch die Beurteilung der Vorinstanzen, der Konkursantrag stelle kein mit dem Standesansehen unvereinbares Mittel zur Durchsetzung der Forderung dar und es könne auch nicht damit argumentiert werden, dass der Beklagte die Aussichtslosigkeit oder die inhaltliche Unrichtigkeit seines Antrags gekannt haben müsse, ebenfalls nicht korrekturbedürftig. Entgegen den Ausführungen der Klägerin kann auch nicht gesagt werden, mit dem Konkursantrag des Beklagten sei ein konkursfremder Zweck verfolgt worden.

3. Soweit die Klägerin die Haftung des Beklagten auf dessen Bereinigungsvorschlag laut Schreiben vom stützt und dazu ausführt, die Zahlungsvereinbarung sei aufgrund des plötzlichen und grundlosen Meinungsumschwungs des Beklagten nicht zustande gekommen, weicht sie von der ermittelten Sachverhaltsgrundlage ab (vgl RIS Justiz RS0043312).

4. Insgesamt vermag die Klägerin mit ihren Ausführungen die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen; dies gilt auch für die geltend gemachten Verfahrens und Feststellungsmängel. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.