OGH vom 19.05.1993, 8Ob639/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E. Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sandra S*****, vertreten durch Dr.Ernst Hagen und Dr.Günther Hagen, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 77.890 sA infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , GZ 4 R 136/92-19, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 3 Cg 54/92-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte die Verurteilung der beklagten Kammer der gewerblichen Wirtschaft zur Zahlung von 577.890,- s.A. und brachte vor: Sie sei Alleinerbin nach Helmut S***** und damit auch Rechtsnachfolgerin hinsichtlich des Unternehmens Helmut S*****; die Verwaltung des Nachlasses sei ihr überlassen und zufolge ihrer damaligen Minderjährigkeit durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin ausgeübt worden. Mit den im einzelnen angeführten Bescheiden habe der S*****ausschuß der beklagten Kammer der Firma Helmut S***** Nachfolger, S***** insgesamt S 77.890 an Unterstützungsbeiträgen zuerkannt, der Verlassenschaft sei aber in der Folge keine Zahlung zugekommen. Die beklagte Partei verweigere die Zahlung an die Klägerin mit der Begründung, der bescheidmäßig zuerkannte vorgenannte Betrag sei an Harald S***** bzw auf das von diesem angegebene Konto ausbezahlt worden. Dieser sei jedoch entgegen der Ansicht der beklagten Partei zum Geldempfang für den Nachlaß nach Helmut S***** nicht legitimiert gewesen, sodaß sich die beklagte Partei gegenüber der Klägerin in schuldhaftem Zahlungsverzug befinde. In der mündlichen Verhandlung verwies die Klägerin noch darauf, daß sich die beklagte Partei ihrer Sorgfaltspflicht zuwider in keiner Weise darüber erkundigt habe, ob Harald S***** geschäftsführungsbefugt ist, obwohl zunächst sogar eine von ihr vorgenommene Überweisung an ihn mangels Übereinstimmung von Kontonummer und Empfänger zurücküberwiesen worden sei und das dann angegebene Konto auf Harald S***** gelautet habe. Von diesem seien zwar die Anträge um Gewährung der vorgenannten Unterstützungsbeiträge gestellt worden und sie habe seine nützliche Tätigkeit nachträglich genehmigt.
Die beklagte Partei wendete unter Hinweis auf § 15 des Stickereiförderungsgesetzes die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein und bestritt auch die Klagebehauptung, Harald S***** sei zur Entgegennahme der von ihm namens des Unternehmens beantragten Unterstützungsbeiträge nicht berechtigt gewesen. Die Klägerin habe die Antragstellung um Zuerkennung von Unterstützungsbeiträgen und damit die Vertretungs- und Geschäftsführungstätigkeit des Harald S***** genehmigt.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Gemäß § 14 Stickereiförderungsgesetz BGBl 222/1956 idF BGBl 62/1962 entscheide über Anträge und Zuerkennung einer Unterstützung der Verwaltungsausschuß mit Bescheid. Gemäß § 15 leg cit seien im Verfahren vor dem Verwaltungsausschuß die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 anzuwenden. Daraus ergebe sich, daß der ordentliche Rechtsweg nicht zulässig sondern das im Stickereiförderungsgesetz vorgesehene Verfahren nach dem AVG einzuhalten sei. Die von der Klägerin begehrten Beträge seien ihr bzw "Helmut S***** Nfg" bereits bescheidmäßig rechtskräftig zuerkannt worden. Ob die Zahlung auf das Konto des Harald S***** eine Erfüllung des Bescheides darstelle, sei ebenfalls im Verwaltungsverfahren zu klären. Ob die Bescheide Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung darstellten, könne dahingestellt bleiben.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. In seiner Entscheidungsbegründung führte es aus:
Die Rekurswerberin vertrete den Standpunkt, daß eine unmittelbare Vollstreckung der Bescheide des S*****ausschusses im Stickereiförderungsgesetz nicht vorgesehen sei. Es bestehe auch sonst keine besondere Vorschrift zur Einbringung der zugesprochenen Unterstützungsleistungen im Verwaltungswege. Eine Durchsetzung ihres Anspruches gegen die beklagte Partei nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz sei daher nicht möglich. Auch nach den im § 1 EO angeführten Exekutionstiteln sei der klagenden Partei eine gerichtliche Vollstreckung der Bescheide nicht eröffnet. Nach den in Frage kommenden Bestimmungen der Z 12 und 13 müsse die Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den Gerichten überwiesen werden. Im Stickereiförderungsgesetz fehle jedoch eine derartige Bestimmung. Ob die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen seien hänge davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handle. Nach dem Vorbringen in der Klage handle es sich um einen Anspruch auf Zahlung in Geld. Eine Geldforderung, für die nicht eine Eintreibung auf andere Weise gesetzlich vorgesehen sei, sei ohne Zweifel eine bürgerliche Rechtssache, dies auch dann, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach im Verwaltungsverfahren festgestellt worden sei.
Diesen Ausführungen vermöge das Rekursgericht aus nachstehenden Gründen nicht zu folgen:
Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges seien nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt maßgebend. Entscheidend sei die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung sei. Hingegen hänge die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht davon ab, mit welchen Einwendungen der Beklagte sich zur Wehr setze. Hier werde der Anspruch der klagenden Partei aus einem Bescheid der beklagten Partei abgeleitet; strittig sei damit zwar nicht mehr, ob und welche Unterstützungsgelder zuzuerkennen seien, sondern vielmehr, ob der S*****ausschuß mit schuldbefreiender Wirkung an Harald S***** bezahlt habe. Letzteres stelle zwar eine Zivilrechtsfrage dar, doch ändere dies nichts an der Qualifikation des geltend gemachten Anspruches als nicht auf den ordentlichen Rechtsweg sondern auf den Verwaltungsrechtsweg gehörig. Dies werde offenbar auch durch die Bestimmung des § 3 Abs 2 letzter Satz VVG bestätigt. Danach seien Einwendungen gegen einen Anspruch im Sinne des § 35 EO, der sich aus einem als Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO fungierenden Bescheid herleite, bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen sei. Auch ein solcher Oppositionsstreit, in dem es um die Behauptung einer bereits erfolgten Zahlung gehe, sei demnach nicht im ordentlichen Rechtsweg, sondern im Verwaltungsverfahren zu führen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß die vom Klagebegehren genannten Bescheide die Möglichkeit einer Exekutionsführung eröffneten wäre zur Entscheidung über die Einwendung einer bereits erfolgten Zahlung nicht das Gericht berufen. Einen anderen Rechtsgrund als den, daß der Anspruch aus rechtskräftigen Bescheiden der beklagten Partei herrühre, mache die Klägerin zumindest in zweiter Instanz nicht geltend, denn es fehle jeglicher Hinweis darauf, daß die Klägerin etwa einen Schadenersatzanspruch - somit einen zivilrechtlichen Anspruch, für den der Rechtsweg zulässig wäre - erhebe.
Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrage, die vorinstanzlichen Beschlüsse aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens und die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.
Die Rechtsmittelwerberin bringt vor, sie habe ihren Anspruch auf keinen speziellen Rechtsgrund gestützt, vielmehr ließen sich für ihn mehrere Rechtsgründe finden, so zB sorgfaltswidriges Verhalten der beklagten Partei. Im vorliegenden Falle gebe es schlichtweg keine Möglichkeit, die Ansprüche im Verwaltungsweg, insbesondere im Verwaltungsvollstreckungsverfahren, durchzusetzen. Exekutionstitel lägen nicht vor. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen komme daher einer Rechtsverweigerung gleich.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Sinne der Ausnahmeregelung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO sowie gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig, er ist aber nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 14 Abs 1 des Stickereiförderungsgesetzes BGBl 222/1956 hat der nach § 2 leg cit eingesetzte Verwaltungsausschuß der Kammer der gewerblichen Wirtschaft über Anträge um Zuerkennung einer Unterstützung mit Bescheid abzusprechen; für das Verfahren gelten gemäß § 15 Abs 1 leg cit die Bestimmungen des AVG 1950. Die Anfechtung der Bescheide wurde in Abs 2 leg cit durch Berufung an den Landeshauptmann für zulässig, eine weitere Berufung für nicht zulässig erklärt; Bescheide nach § 9 Abs 5 leg cit (Vorschreibung von Säumniszuschlägen) sind nach dem AVG 1950 zu vollstrecken; die Vollziehung des Gesetzes oblag gemäß seinem § 19 im wesentlichen, nach § 18 Abs 2 der Novelle BGBl 62/1962 ausschließlich dem BM für Handel und Wiederaufbau. Durch die weitere, am in Kraft getretene Novelle BGBl 187/1985 wurde § 14 im wesentlichen auf den Inhalt des § 14 Abs 1 der ursprünglichen Gesetzesfassung reduziert, und § 15 Abs 2 der Neufassung lautet nun lediglich dahin, daß gegen die Bescheide des Verwaltungsausschusses die Berufung an den Landeshauptmann zulässig ist. Die Vollziehung des Gesetzes obliegt gemäß § 18 Abs 2 n.F. dem BM für Handel, Gewerbe und Industrie.
Im vorliegenden Falle sind die an die "Firma Helmut S***** Nachfg" gerichteten, im Oktober und November 1982 sowie im Jänner 1983 vom S*****ausschuß der beklagten Partei erlassenen Bescheide lt Beilagen ./1 bis ./9 ausdrücklich nach dem § 58 AVG und nach den Bestimmungen des Stickereiförderungsgesetzes idF der Novelle BGBl 62/1962 und somit als hoheitlicher Akt (vgl SZ 51/162) ergangen. Die Förderungsmaßnahme der Zuerkennung eines Unterstützungsbeitrages wurde also nicht durch eine privatrechtliche Leistungsverpflichtung eines fördernden Rechtsträgers, sondern im Sinne der ausdrücklichen Anordnung des Stickereiförderungsgesetzes, als einen öffentlich-rechtlichen Anspruch betreffend, in Bescheidform ausgesprochen.
Erfolgt eine Förderungsmaßnahme mit Bescheid, so ist der Anspruch im öffentlich-rechtlichen Verfahren zu verfolgen und wenn der Bescheid keinen durchsetzbaren Exekutionstitel nach § 1 EO oder den Bestimmungen des VVG bildet, hinsichtlich der unterbliebenen Auszahlung des zuerkannten Betrages letztlich im Wege einer Klage beim Verfassungsgerichtshof nach Art 137 B-VG geltend zu machen (SZ 61/152; Adamovich-Funk Allg VerwRecht 191f; Schragel AHG2 110; VfSlg 3259, 4893, 11836/1988 mwN; vgl. 3 Ob 15/93: anonymisierte Ausfertigung angeschlossen). Auch Fasching (I 104f) verweist im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Förderungsmaßnahmen darauf, daß zur Durchsetzung derartiger Rechtsansprüche die Gerichte nicht angerufen werden können. Demgemäß sei auch für das Begehren auf Auszahlung einer vom Finanzamt angeblich zu Unrecht einem anderen als dem Anspruchsberechtigten ausgezahlten Exportprämie der Rechtsweg durch Klage gegen den Staat unzulässig. Das gleiche gelte für die im Rahmen der landwirtschaftlichen Marktordnung geschaffenen Fonds, gegenüber denen die Anspruchsberechtigten ihre Forderung nur im Verwaltungsweg geltend machen könnten (aaO 93).
Nach dem im Sinne der zutreffenden rekursgerichtlichen Ausführungen für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges maßgeblichen Klagevorbringen stützt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch gegenüber der beklagten Partei jedenfalls (siehe auch ON 12 AS 58 und ON 16) auf die von dieser zu Gunsten des ihr als Erbin zugefallenen Unternehmens erlassenen Unterstützungsbeiträge zuerkennenden Bescheide. Für diesen Auszahlungsanspruch ist aus den dargestellten Gründen der Rechtsweg aber nicht zulässig.
Dem Revisionsrekurs war demgemäß nicht Folge zu geben.