OGH vom 30.04.2012, 9Ob43/11f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17 19, 1011 Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W***** S*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Kaan Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 44.268,05 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 12 R 81/11m 86, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 5 Cg 111/10w 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Wenn das Erstgericht den Antrag einer Partei auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 146 ZPO abweist, wohingegen das Rekursgericht den Antrag als verspätet zurückweist, dann liegt kein „zur Gänze bestätigender“ Beschluss iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO vor, sodass der außerordentliche Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig ist (vgl 7 Ob 55/07z, 7 Ob 62/07d ua). Damit der Revisionsrekurs jedoch zulässig ist, muss die Entscheidung nach § 528 Abs 1 ZPO von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängen, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.
Dies ist hier nicht der Fall. Der Revisionsrekurswerber will die Zulässigkeit seines außerordentlichen Revisionsrekurses darauf stützen, dass zur Frage, ob ein Rechtsanwalt zur Überprüfung der ihm von einem anderen Rechtsanwalt mitgeteilten Zustelldaten oder Fristen verpflichtet sei, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Damit argumentiert der Revisionsrekurswerber an der Begründung des Rekursgerichts vorbei.
Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht den gegenständlichen zweiten Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Zahlungsbefehl des Erstgerichts vom nicht als unbegründet abwies, sondern als verspätet zurückwies. Der Zurückweisung dieses zweiten Wiedereinsetzungsantrags vom ging die vom Rekursgericht bestätigte Abweisung eines ersten, vom Beklagten ebenfalls gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Zahlungsbefehl vom gestellten Wiedereinsetzungsantrags vom voraus. Für die Rechtzeitigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags ist nach § 148 Abs 2 ZPO zu beachten, dass die 14 tägige Frist, innerhalb der ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden muss, mit dem Tag zu laufen beginnt, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist. Der Lauf der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags beginnt nicht zwingend erst mit der Aufklärung des Irrtums, sondern bereits mit seiner möglichen Aufklärung. Es kommt darauf an, wann das die Versäumung verursachende Ereignis hätte wegfallen können (RIS Justiz RS0036608). Ist die Prozesshandlung durch einen Irrtum versäumt worden, beginnt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dessen möglicher Aufklärung, sofern diese durch auffallende Sorglosigkeit unterblieben ist (RIS Justiz RS0036742). Es kommt also darauf an, wann die Partei die versäumte Prozesshandlung hätte nachholen können (RIS Justiz RS0036621).
Ob nun den Parteienvertreter (oder die Partei) bereits bei Unterfertigung des ersten Wiedereinsetzungsantrags eine Handlungspflicht iSd § 147 Abs 3 ZPO getroffen hat oder ob er (bzw sie) bis zur Zustellung der Entscheidung über den ersten Wiedereinsetzungsantrag zuwarten durfte, betrifft nur den zu beurteilenden Einzelfall und stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar (vgl 1 Ob 77/05p; 7 Ob 55/07z; 7 Ob 62/07d; RIS Justiz RS0036590). Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, dass das Zustelldatum des Zahlungsbefehls bereits vor Stellung des ersten Wiedereinsetzungsantrags nochmals genau zu prüfen gewesen wäre, sodass der gegenständliche, erst mehr als drei Wochen später gestellte zweite Wiedereinsetzungsantrag verspätet ist, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
Aus den vom Revisionsrekurswerber angestellten allgemeinen Überlegungen, ob ein Rechtsanwalt zur Überprüfung der ihm von einem anderen Rechtsanwalt mitgeteilten Zustelldaten oder Fristen verpflichtet sei, ist hier nichts zu gewinnen. Der Revisionsrekurswerber, der selbst Rechtsanwalt ist, übergeht die im Bescheinigungsverfahren hervorgekommene eigene Sorglosigkeit im Umgang mit der Rechtzeitigkeit der Erhebung des Einspruchs gegen den ihm privat zugestellten Zahlungsbefehl vom . Es geht nicht allein um einen allfälligen Sorgfaltsverstoß des Beklagtenvertreters bzw seiner Mitarbeiterin, wenn dem Parteienvertreter von der ebenfalls rechtskundigen Partei in sorgloser Weise ein unrichtiges Zustelldatum mitgeteilt wird.
Zusammenfassend ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 iVm § 528a ZPO).