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VfGH vom 02.03.2002, B1538/01

VfGH vom 02.03.2002, B1538/01

Sammlungsnummer

16463

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Entscheidung der Landesberufungskommission über die Einbehaltung von Honoraranteilen eines Arztes durch die Gebietskrankenkasse; keine Sittenwidrigkeit und keine Gesetzwidrigkeit der Zusatzvereinbarung 1993 zum Gesamtvertrag; zulässiger Interessenausgleich zwischen Interessen der Ärzte und der Krankenversicherungsträger; Maßnahmen zur Abfederung unbilliger Härten im Einzelfall; keine verfassungswidrige Verneinung des Vorliegens besonderer "Härtegründe" bei den im vorliegenden Fall vorgenommenen Honorarkürzungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalls ergibt sich aus dem hg. Erkenntnis , mit dem der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der Landesberufungskommission für Burgenland vom , GZ LBK 9/97, aufgehoben hat, weil der Beschwerdeführer in seinem aus Art 6 Abs 1 EMRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Tribunal verletzt worden sei.

2. Mit dem im zweiten Rechtsgang - nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am - ergangenen Bescheid wies die Landesberufungskommission für Burgenland den Antrag des Beschwerdeführers, die gegenbeteiligte Burgenländische Gebietskrankenkasse zu verpflichten, ihm den Betrag von S 59.270,66 an einbehaltenem Arzthonorar samt 7 vH Zinsen seit dem zu erstatten, (von neuem) als unbegründet ab.

3. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG. Darin behauptet der Beschwerdeführer, durch den bekämpften Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Gericht (Art6 Abs 1 EMRK), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG iVm Art 2 StGG) sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt zu sein; es wird beantragt, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

Die dem Verfahren als beteiligte Partei beigezogene Burgenländische Gebietskrankenkasse erstattete eine schriftliche Äußerung, in der die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idgF, lauten je samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

"Gesamtverträge

§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. (...)

(2) (aufgehoben)

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

(4) ...

Inhalt der Gesamtverträge

§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:

...

3. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung


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...

(2) Die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen; diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit (einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe (§131)) enthalten.

...

Paritätische Schiedskommission

§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

(2) ...

(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.

(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.

Landesberufungskommission

§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. Diese besteht aus einem Richter des Dienststandes als Vorsitzendem und aus vier Beisitzern. Der Vorsitzende ist vom Bundesminister für Justiz zu bestellen; der Vorsitzende muß ein Richter sein, der im Zeitpunkt seiner Bestellung bei einem Gerichtshof in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig ist. Je zwei Beisitzer werden von der zuständigen Ärztekammer und dem Hauptverband entsendet.

(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:


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1.
zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und


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2.
zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß § 344 Abs 3.


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...

(3) § 346 Abs 3 bis 7 gelten sinngemäß auch für die Landesberufungskommission und deren Mitglieder.

...

Bundesschiedskommission

§ 346. (1)-(5) ...

(6) Die Mitglieder der Bundesschiedskommission sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden.

(7) Entscheidungen der Bundesschiedskommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege."

1.2. Die im vorliegenden Fall strittige Zusatzvereinbarung 1993 zum Gesamtvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"II.

1. Für die Erhöhung der Honorare der praktischen Ärzte und Fachärzte im Bundesland Burgenland ausgenommen die Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde wird für den Vertragszeitraum vom bis jener Betrag zur Verfügung gestellt, der zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Fallwertes der praktischen Ärzte und Fachärzte gegenüber den drei entsprechenden Quartalen 2/92 bis 4/92 um 5 % führt.

2. Diese Honorarerhöhung wird durch eine 5%ige Pauschalaufzahlung jedem Vertragsarzt auf seine abgerechnete Vertragshonorarsumme (ohne Mutterkindpaß-, Vorsorgeuntersuchungshonorare und Honorare der med. Hauskrankenpflege) ausbezahlt. Die tarifwirksame Durchführung erfolgt in der nächsten Vertragsperiode.

3. Für die Anhebung bzw. Änderung der Sonographielimite stellt die Burgenländische Gebietskrankenkasse in den drei Vertragsquartalen den notwendigen Betrag zur Verfügung. Für die Berechnung der insgesamt zustehenden Honorarsumme werden aus diesem Titel S 1.500.000,-- angesetzt.

4. Für den Vertragszeitraum bis wird eine Steigerung der Zahl der Fälle mit Grundvergütung zu Lasten der Burgenländischen Gebietskrankenkasse maximal in jenem Ausmaß anerkannt, das der Steigerung des durchschnittlichen Versichertenstandes bei der Bgld. Gebietskrankenkasse im Vertragszeitraum gegenüber den drei vorangegangenen Quartalen entspricht.

5. Bei der Feststellung des zulässigen Ausmaßes der Erhöhung des Durchschnittsfallwertes und der honorierbaren Mehrfälle sind die Honoraraufwendungen und die Fälle der im Vertragszeitraum neu zugelassenen Ärzte außer Ansatz zu lassen.

6. Mehrfälle aufgrund von einvernehmlich anerkannten Epidemien bleiben unberücksichtigt.

III.

1. Übersteigt jeweils in den ersten zwei Quartalen des Vertragszeitraumes gegenüber dem jeweiligen Vergleichsquartal der vorangegangenen Honorarperiode die Honorarsumme aller Ärzte das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert, kommt folgende Fallzahl- und Fallwertregelung zur Anwendung:

Übersteigt bei einer Fachgruppe die Honorarsumme das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert dieser Fachgruppe, so ist beim einzelnen Arzt dieser Fachgruppe quartalsweise festzustellen, in welchem Ausmaß die vom einzelnen Arzt abgerechnete Honorarsumme das Produkt aus individuell anerkannter Fallzahl und individuell anerkanntem Fallwert übersteigt. Der übersteigende Betrag ist dem betreffenden Arzt zur Stellungnahme bekanntzugeben.

2. Übersteigt im gesamten Vertragszeitraum die Honorarsumme aller Ärzte das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert, kommt folgende Kürzungsregelung zur Anwendung:

Übersteigt bei einer Fachgruppe die Honorarsumme das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert dieser Fachgruppe, so ist beim einzelnen Arzt dieser Fachgruppe die Honorarsumme um jenen Betrag zu kürzen, der das Produkt aus individuell anerkannter Fallzahl und individuell anerkanntem Fallwert übersteigt.

Für den Fall, daß die errechnete Kürzung aus berücksichtigungswürdigen Gründen eine Härte darstellt, entscheidet ein paritätisch zusammengesetzter Härteausschuß über eine eventuelle Milderung der Kürzung.

3. Die in den Punkten 1 und 2 (angeführte) Fallzahl- und Fallwertregelung bzw. Kürzungsregelung ist nur dann anzuwenden, wenn die Fallzahl des einzelnen Arztes 500 Fälle mit Grundvergütung übersteigt. Die Kürzungsregelung wird ebenfalls nicht angewendet, wenn die abgerechnete Honorarsumme des Vertragsarztes unter der Durchschnittshonorarsumme seiner Fachgruppe liegt. Gleichfalls werden Ärzte in den ersten zwei Jahren ab Zulassung auf einer neuen Planstelle von den angeführten Regelungen ausgenommen.

4. Wird die Überschreitung der zulässigen Honorarsumme aller Ärzte im Vertragszeitraum durch die im Punkt 2 angeführte Kürzungsregelung nicht hereingebracht, ist von der Honorarsumme aller Ärzte aliquot der noch ausstehende Überschreitungsbetrag bei der Honorarabrechnung 4. Quartal 1993 einzubehalten."

2. Streitigkeiten zwischen den Parteien des Gesamtvertrages über dessen Auslegung und Anwendung sind in erster Instanz vor der Landesschiedskommission und in zweiter Instanz vor der Bundesschiedskommission auszutragen, zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Partnern der Einzelverträge, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist hingegen in erster Instanz die paritätische Schiedskommission, in zweiter Instanz die Landesberufungskommission zuständig. Die zuletzt genannte Zuständigkeit umfaßt auch die Kompetenz, im Zuge der Feststellung des Inhalts des Einzelvertrags vorfrageweise die Gültigkeit von Bestimmungen des Gesamtvertrags oder einer dazu geschlossenen Zusatzvereinbarung zu beurteilen, die sie - ihre Gültigkeit vorausgesetzt - als Inhalt des jeweils in Rede stehenden Einzelvertrags ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hätte.

Soweit also als notwendiges Element der rechtlichen Beurteilung durch die zur Entscheidung über den Einzelvertrag berufenen Behörden auch Fragen der Gültigkeit (und damit insoweit auch des "ob" der Einwirkung der betreffenden Bestimmungen des Gesamtvertrags und der dazu geschlossenen Zusatzvereinbarungen auf den Einzelvertrag) zu prüfen sind, gleicht der Gegenstand der rechtlichen Beurteilung zwar jenem der Landesschiedskommission (bzw. der Bundesschiedskommission) bei der Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrags (vgl. Mosler, in: Strasser (Hrsg.), Arzt und gesetzliche Krankenversicherung (1995) 403), wobei jedoch zu beachten ist, daß die bloß vorfrageweise Beurteilung der Gültigkeit des Gesamtvertrags für die zur Entscheidung über die Gültigkeit des Gesamtvertrags zuständige Landesschiedskommission keine Bindungswirkung zu entfalten vermag (s. VfSlg. 15.178/1998, 15.560/1999, 15.698/1999; vgl. auch ; , B1121/97; , B2250/97; , B313/98).

3. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet:

3.1. Der Beschwerdeführer erhebt zunächst den Vorwurf, die belangte Behörde habe jenen Erfordernissen, an denen ein unabhängiges und unparteiisches Tribunal iS des Art 6 Abs 1 EMRK zu messen sei, nicht entsprochen.

Dem ist zu erwidern, daß - wie der Verfassungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.698/1999 (mwN) bekräftigt hat - Streitigkeiten aus einem Einzelvertrag zwar in den Kernbereich der durch Art 6 Abs 1 EMRK erfaßten zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen fallen, die in den einzelnen Bundesländern bestehenden Landesberufungskommissionen jedoch Behörden darstellen, die - ungeachtet des Berichts der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom (Appl. Nr. 17.291/90, Rom Hortolomei/Österreich) - den Anforderungen des Art 6 Abs 1 EMRK prinzipiell entsprechen.

Im Erkenntnis VfSlg. 15.698/1999 wurde auch ausgesprochen (und näher begründet), daß die gesetzlich vorgesehene Mitwirkung von Interessenvertretern an den Entscheidungen der Landesberufungskommissionen nicht geeignet sei, eine - auch bloß dem Anschein nach gegebene - Abhängigkeit von den Streitparteien annehmen zu lassen.

Da die Mitglieder der Landesberufungskommission in Ausübung ihres Amts an keine Weisungen gebunden seien (vgl. § 345 Abs 3 iVm § 346 Abs 6 ASVG), könne sich - wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat - ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 EMRK nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, so etwa daraus, daß ein Mitglied am Zustandekommen des Gesamt- oder Einzelvertrags, dessen Gültigkeit oder Interpretation im jeweiligen Verfahren strittig ist, mitgewirkt hat (vgl. VfSlg. 13.553/1993; ), oder sonst "besondere Umstände" vorliegen, die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Mitglieds zur Entscheidung in bestimmten Rechtssachen mit Recht in Zweifel ziehen ließen.

Derartige konkrete Vorwürfe werden aber weder vom Beschwerdeführer geltend gemacht, noch sind sie im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hervorgekommen.

3.2. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

Einer Behörde kann aber auch dann, wenn sie unrichtig entschieden hat, nicht Willkür zur Last gelegt werden, sofern sie nur bemüht war, richtig zu entscheiden, indem sie Gründe und Gegengründe gegeneinander abgewogen hat. Dies bedeutet, daß es aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes in der Regel nicht ausreichen würde, wenn die Behörde nur die für die Abweisung eines Anspruches maßgeblichen Gründe aufzählt, es jedoch unterläßt, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für die Bejahung der Anspruchsberechtigung zu sprechen scheinen, so daß sie gar nicht in die Lage kommen könnte, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (zB VfSlg. 9665/1983, 12.102/1989, 12.477/1990).

3.2.1. Der Beschwerdeführer behauptet, die in Pkt. III Zusatzvereinbarung 1993 getroffene Kürzungsregelung sei gesetzlich nicht gedeckt und somit gesetzwidrig iS des § 879 Abs 1 1. Fall ABGB bzw. - da die Vertragsärzteschaft einseitig mit dem Risiko eines unvorhergesehenen Mehrbedarfs an vertragsärztlichen Leistungen belastet werde - sittenwidrig iS des § 879 Abs 1 2. Fall ABGB.

Da die belangte Behörde dies verkannt und ihrem Bescheid somit eine ungültige Rechtsgrundlage zugrunde gelegt habe, habe sie Willkür geübt und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

a) Vorausgeschickt sei, daß die Behörde sich ausführlich mit dem im Verfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers und der Antragsgegnerin auseinandergesetzt und dabei auch die einschlägige Literatur und Rechtsprechung berücksichtigt hat. Gründe und Gegengründe wurden umfassend gegeneinander abgewogen und alle notwendigen rechtlichen Elemente in ihrer Entscheidung behandelt.

Was nun den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf betrifft, Pkt. III Zusatzvereinbarung 1993 sei nichtig iS des § 879 ABGB, so ist dem zunächst zu erwidern, daß - wie der Verfassungsgerichtshof schon in dem mehrfach erwähnten Erkenntnis VfSlg. 15.698/1999 ausgesprochen hat - Gesamtverträge das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Interessenvertretungen seien; sie brächten den zwischen den gegenbeteiligten Interessen erzielten Interessenausgleich zum Ausdruck, sodaß im allgemeinen davon auszugehen sei, daß die gesamtvertraglich vereinbarten ärztlichen Leistungen sowie die je geschuldeten Entgelte (Honorare) angemessen seien.

Es kann nun - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine Rede davon sein, daß die in Pkt. III.2. Zusatzvereinbarung 1993 getroffene Kürzungsregelung sittenwidrig wäre:

Auszugehen ist davon, daß die dem Gesamtvertrag beigefügte Honorarordnung die vertragsärztliche Tätigkeit angemessen abzugelten bestimmt ist, wobei es den vertragschließenden Teilen jedoch unbenommen bleibt, die gesetzlich vorherbestimmte und daher begrenzte Finanzkraft des Krankenversicherungssystems (vgl. Grillberger, in:

Strasser (Hrsg.), Arzt und gesetzliche Krankenversicherung (1995)

362) zu berücksichtigen. Die vorliegende Zusatzvereinbarung 1993 sucht nun in ihrem Pkt. III.2. durch eine differenzierte Honorar-Kürzungsregelung einen Ausgleich zwischen dem Interesse der (Vertrags-)Ärzteschaft an einem (hohen) Einkommen aus ihrer Tätigkeit und jenem des beteiligten Krankenversicherungsträgers - letztlich:

der betroffenen Versichertengemeinschaft - an einem ausgeglichenen Haushalt herzustellen:

Die strittige Zusatzvereinbarung 1993 verfügt allgemein, daß das dem Vertragsarzt an sich zukommende Honorar bei Überschreiten eines bestimmten Grenzwerts gekürzt werde (Fallzahl- und Fallwert- bzw. Kürzungsregelung; Pkt. III.1. und 2. Zusatzvereinbarung 1993). Diese Regelung hat nun aber nicht etwa den Effekt, daß der Arzt verpflichtet würde, Leistungen zT "unentgeltlich" zu erbringen; sie bewirkt vielmehr nur, daß ab einer bestimmten Fallzahl insgesamt die Entlohnung pro Einzelleistung abgesenkt wird. Die Regelung wird überdies durch verschiedene Maßnahmen "abgefedert": Nach Pkt. III.3. Zusatzvereinbarung 1993 ist die Regelung nämlich nicht anzuwenden, wenn die Fallzahl des einzelnen Arztes 500 Fälle mit Grundvergütung nicht übersteigt oder die Honorarsumme des Vertragsarztes die Durchschnittshonorarsumme seiner Fachgruppe nicht übersteigt, schließlich bei neu bestellten Vertragsärzten in den ersten beiden Jahren ab Inkrafttreten des Einzelvertrags. Mehrfälle auf Grund von "einvernehmlich (als solche) anerkannten Epidemien" bleiben ebenfalls ausgenommen (vgl. Pkt. II.6. Zusatzvereinbarung 1993). Es ist also auch nicht zu erkennen, daß das Risiko unerwarteten Mehraufwandes auf die Ärzte in unsachlicher Weise überwälzt würde. Für den Fall, daß keine der soeben erwähnten Ausnahmen in Betracht kommen sollte, normiert Pkt. III.2. Zusatzvereinbarung 1993, daß ein paritätisch zusammengesetzter Härteausschuß über eine allfällige Milderung der errechneten Honorarkürzung aus "berücksichtigungswürdigen Gründen" zu entscheiden berufen sei.

Der Gerichtshof vermag somit nicht zu erkennen, inwieweit diese Regelung sittenwidrig iS des § 879 Abs 1 2. Fall ABGB sein könnte.

b) Der Beschwerde ist auch darin nicht zuzustimmen, daß die kritisierte Kürzungsregelung gesetzlich nicht gedeckt wäre. Gemäß § 342 Abs 1 Z 3 ASVG haben die Gesamtverträge ua. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung, zu regeln. Der erste Satz des § 342 Abs 1 ASVG bestimmt hiezu, daß die vertragsärztliche Tätigkeit "grundsätzlich" nach Einzelleistungen zu vergüten sei. Es bleibt also den Vertragsparteien überlassen, das Honorar der Vertragsärzte zu bestimmen, wobei von einem weiten Gestaltungsspielraum auszugehen ist (vgl. Grillberger, aaO 365).

Aus dem letzten Satz des § 342 Abs 2 ASVG ergibt sich zudem, daß die Gesamtverträge "eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit ..."

enthalten sollen. In VfSlg. 13.946/1994 hat der Verfassungsgerichtshof dazu ausgesprochen, daß diese Vorschrift nur dahin zu verstehen sei, daß die Gesamtvertragsparteien - als (alleinige) Adressaten dieses gesetzlichen Auftrags - vorzukehren hätten, daß die Krankenbehandlung das Maß des Notwendigen nicht überschreite (vgl. § 133 Abs 2 ASVG).

Es steht den Parteien des Gesamtvertrags offen, welche Mittel sie einsetzen, um das ihnen gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen, soweit diese Mittel zur Zielerreichung geeignet, angemessen und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind (vgl. allgemein zu den dem Gesetzgeber aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes gezogenen Grenzen zB VfSlg. 11.369/1987, 12.227/1989, 13.576/1993, 14.301/1995, 15.031/1997). Eine "Deckelung" des Honorars in der Weise, daß auf Erfahrungswerten beruhende Leistungskennzahlen zugrunde gelegt werden, wobei immer dann, wenn bestimmte Kennzahlen überschritten werden, das auf die Einzelleistung bezogene Vertragsarzthonorar niedriger wird, ist zweifellos geeignet, dem gesetzgeberischen Ziel zu dienen. Die den vertragschließenden Teilen nach § 342 Abs 1 Z 3 ASVG zukommende Gestaltungsmacht darf daher - verfassungsrechtlich unbedenklich - in der Weise ausgeübt werden, daß - um die Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems auch künftig zu gewährleisten - die Pflicht des Krankenversicherungsträgers, die vertragsärztliche Tätigkeit zu vergüten, in der Honorarordnung angemessen begrenzt wird (zB indem - wie hier - ein Honorarlimit bestimmt wird; hiezu wiederum Grillberger, aaO 371 f). Die Beschwerde enthält schließlich auch keinerlei substantiiertes Vorbringen, das an der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der konkreten von den Gesamtvertragspartnern getroffenen Regelungen zweifeln ließe.

c) Da die strittige Zusatzvereinbarung 1993 nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs weder gegen das Gesetz noch gegen die guten Sitten verstößt und somit nicht als nichtig iS des § 879 ABGB qualifiziert werden kann, trifft somit schon die Prämisse des Beschwerdevorbringens nicht zu, die belangte Behörde habe dadurch, daß sie ihrem Bescheid einen nichtigen Rechtsakt zugrunde gelegt habe, Willkür geübt.

3.2.2. Der Beschwerdeführer begründet seinen Willkürvorwurf schließlich auch damit, daß die belangte Behörde in mehreren "Parallelfällen" anders entschieden und dem Rückzahlungsbegehren des jeweiligen Vertragsarztes Folge gegeben habe.

Der bekämpfte Bescheid läßt indes nicht erkennen, daß die Behörde das Gesetz (grob) rechtsirrig gehandhabt hätte. Für den Beschwerdeführer ist somit daraus, daß die Behörde in anderen Fällen, die mit dem Beschwerdefall (vorgeblich) übereinstimmen, anders (nämlich zugunsten des betroffenen Vertragsarztes) entschieden habe, nichts gewonnen; entscheidend ist nämlich bloß, wie die Behörde in jenem Verfahren vorgegangen ist, in dem der bekämpfte Bescheid erlassen wurde (vgl. VfSlg. 8375/1978 mwN).

Es ist auch nicht zu erkennen, daß der Bescheid mit einem in die Verfassungssphäre eingreifenden Begründungsmangel behaftet wäre. Dies gilt insbesondere für das - nicht näher substantiierte - Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei ihm - "trotz mehrmaligen Versuches" - nicht gelungen, den von der Behörde angenommenen Kürzungsbetrag rechnerisch nachzuvollziehen.

Es kann also keine Rede davon sein, daß die Behörde im vorliegenden Fall Willkür geübt hätte.

3.3. Der Beschwerdeführer erachtet sich schließlich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Dazu ist zu bemerken, daß die belangte Behörde die vorgebrachten "Härtegründe" sehr wohl inhaltlich geprüft, sich aber letztlich nicht veranlaßt gesehen hat, die angestrebte Milderung der Kürzung vorzunehmen (vgl. S 11 des Bescheides). Davon, daß die Behörde - wie der Beschwerdeführer vorbringt - eine "ausschließliche Zuständigkeit" des Härteausschusses, der offenkundig weder als (Verwaltungs-)Behörde noch als Tribunal iS des Art 6 Abs 1 EMRK aufgefaßt werden kann (sondern ein von den Gesamtvertragspartnern errichtetes Gremium ist, das Betroffene freiwillig anrufen können), angenommen und es abgelehnt hätte, die vorgebrachten - nach Ansicht des Beschwerdeführers "berücksichtigungswürdigen" - Gründe selbst wahrzunehmen, kann somit keine Rede sein.

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist somit ebenfalls nicht verletzt worden.

3.4. Die getroffene behördliche Entscheidung weist - bei Unbedenklichkeit der ihr zugrunde gelegten Gesetzesvorschriften - auch sonst keine in die Verfassungssphäre reichenden Mängel auf. Ob das Gesetz auch darüber hinaus in jeder Hinsicht richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn - wie hier - in letzter Instanz eine der Bestimmung des Art 133 Z 4 B-VG gemäß eingerichtete Kollegialbehörde entschieden hat und eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof somit nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 14.807/1997 uva.).

3.5. Der Beschwerdeführer ist somit aus den in der Beschwerde genannten Gründen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Im Beschwerdeverfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß dies aus anderen, in der Beschwerde nicht behaupteten Gründen der Fall gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Der beteiligten Partei waren Kosten für den nicht abverlangten Schriftsatz nicht zuzusprechen.

5. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).