OGH vom 30.07.2019, 10Ob45/19v

OGH vom 30.07.2019, 10Ob45/19v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr.

Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Sudi Siarlidis Huber Ehß Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 21.180,80 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 158/18p-19, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 8 Cg 19/18t-14, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.411,20 EUR (darin enthalten 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Den Gegenstand des Verfahrens bildet die Frage, ob der Beklagte als Unterbestandgeber (eines vom Kläger als Unterbestandnehmer gemieteten) Bojenplatzes für den Schaden an einem Segelboot einzustehen hat, das sich von der Bojenanlage gelöst hatte.

Der Beklagte, der von der Österreichische Bundesforste AG am T*****see einen Bojenplatz gemietet hatte, den er nicht mehr benötigte, fand über eine Internet-Plattform den Kläger, der auf der Suche „nach einer Boje“ für sein Segelboot war, als Untermieter für den Bojenplatz samt Bojenanlage. Im Frühjahr 2017 kaufte der Beklagte in einem Bootsfachgeschäft einen neuen handelsüblichen Bojenschwimmkörper. Er hob die Bojensteinkette, die über einen nicht mehr bestimmbaren Zeitraum am Boden des Sees gelegen war, und verband sie mit dem Bojenschwimmkörper. Eine Überprüfung der Bojenanlage durch einen Taucher eines befugten Wasserbauunternehmens veranlasste der Beklagte nicht.

Am teilte der Beklagte dem Kläger in einem E-Mail mit: „… Kette lag am Grund und war mit Seil gesichert. Eine Überprüfung hat nicht stattgefunden und werde ich auch nicht beauftragen. ...“. Mit diesem EMail übermittelte der Beklagte ein Lichtbild von der Bojenkette sowie dem unteren Ende der Bojenstange. Der Kläger antwortete am : „... Danke für die Info, dann will (muss) ich darauf vertrauen ...“.

Im Juni 2017 hängte der Kläger sein Segelboot an die Boje, indem er das Boot mit zwei Leinen (lediglich) am oberen Bojenring (oberhalb des Bojenschwimmkörpers) sicherte. In der Nacht vom 26. auf löste sich das Boot von der Bojenanlage. Es wurde abgetrieben, kollidierte mehrfach und kam schwer beschädigt am felsigen Ufer zu liegen.

Zum Schadenseintritt kam es, weil sich die Sicherungsmutter, die am unteren Ende des Bojenschwimmkörpers den drehbaren unteren Ring sichert, rein aufgrund der Bewegungen des Bojenschwimmkörpers sowie der Drehung des unteren Befestigungsbügels gelöst hatte. Die selbstsichernde Mutter war nur relativ knapp aufgeschraubt, sodass der selbstsichernde Teil (die Kunststoffeinlage) praktisch mit dem Ende der Bojenstange abschloss. Prinzipiell ist es grenzwertig, eine Boje nur mit einer selbstsichernden Mutter zu sichern; eine derartige Sicherung kann jedenfalls nur als minimalste Sicherung und keinesfalls als sichere Sicherung angesehen werden. Normalerweise sind zwei Schrauben zu verwenden, die gekontert werden. Selbstsichernde Schrauben lösen sich immer wieder, vor allem, wenn die Schraube so weit aufgedreht ist, dass die Gewindestange die Mutter deutlich überragt. Für einen Laien – wie den Beklagten – war nicht erkennbar, dass die Mutter zu wenig aufgeschraubt war. Bei einer Überprüfung der Bojenanlage durch ein befugtes Wasserbauunternehmen wäre auch die Befestigung des unteren Drehgelenks am Bojenschwimmkörper überprüft worden. Schließt die Schraube derart knapp ab wie im vorliegenden Fall, wäre sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dem überprüfenden Organ nachgezogen worden.

Hätte der Beklagte das Boot mit einer Sorgeleine (auch) am unteren Bojenring und nicht nur am oberen Bojenring befestigt, wäre der Schaden nicht eingetreten, weil der untere Ring an der Kette befestigt geblieben wäre, auch nachdem sich die Schraube gelöst hatte. Der Schadenseintritt wäre auch dann unterblieben, wenn die Bojenanlage fachmännisch überprüft worden wäre.

Der begehrt vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes 21.180,80 EUR (Zeitwert abzüglich des für das Wrack erzielten Erlöses, Kosten für den Einsatz der Wasserrettung und der Feuerwehr, Kosten für die Umlagerung mittels Kran sowie Ersatz diverser Spesen).

Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich bringt der Kläger vor, es habe mit dem Beklagten einen Bootsabstellvertrag geschlossen, der Elemente eines Mietvertrags und eines Verwahrungsvertrags enthalte. Der Beklagte habe dafür einzustehen, dass die Bojenanlage nicht durch ein befugtes Fachunternehmen sach- und fachgerecht verankert und montiert worden sei. Außerdem habe er zusätzliche Obsorgepflichten verletzt, indem er den Kläger am Vortag des Schadensereignisses nicht davon verständigt habe, dass die Belegtaue zusammengedrillt gewesen seien. Eine Befestigung des Bootes auch unterhalb des Bojenrings sei nicht zwingend vorgeschrieben und am T*****see sowie an anderen in der Nähe gelegenen Seen absolut unüblich.

Der wendet ein, er habe keinerlei Obsorgepflichten für das Boot übernommen. Er habe einen neuen und handelsüblichen Bojenschwimmkörper in einem Bootsfachgeschäft angekauft; für ihn sei nicht vorhersehbar gewesen, dass die Boje irgendeine Gefahr in sich berge. Insbesondere sei nicht vorhersehbar gewesen, dass sich die Mutter unterhalb des Bojenschwimmkörpers lösen könnte. Dass ein Boot (auch) am unteren Bojenring zu befestigen sei, gehöre zum Grundwissen der Seemannschaft.

Das wies die Klage ab. Zwischen dem Beklagten und dem Kläger sei ein Mietvertrag geschlossen worden. Der Beklagte habe auf den ordnungsgemäßen Zustand des neu gekauften Bojenschwimmkörpers vertrauen dürfen. Zudem sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass die Mutter zu wenig aufgeschraubt gewesen sei. Er habe den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Überpüfung der Bojenanlage stattgefunden habe und er eine solche auch nicht vornehmen werde. Die professionelle Überprüfung der Bojenanlage (einschließlich des Festsitzens der Mutter) sei im Verantwortungsbereich des Klägers gelegen. Die Befestigung des Bootes durch den Kläger nur am oberen Ring der Boje und nicht auch am unteren Ring des Bojenschwimmkörpers sei aus seemännischer Sicht keine ordnungsgemäße Befestigung.

Das bestätigte dieses Urteil. Nach seiner Rechtsansicht erschöpften sich die Pflichten des Beklagten als Bestandgeber in der Zurverfügungstellung des Bojenplatzes und der Bojenanlage. Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich mit der Begründung zu, im Hinblick auf die grenzwertige Sicherung sei der Standpunkt des Klägers vertretbar, dass eine ursprüngliche Unbrauchbarkeit und Mangelhaftigkeit des Bestandobjekts vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Zulassungsausspruch ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten.

1. Welche Schutz- und Sorgfaltspflichten die Parteien eines singulären Vertragsverhältnisses gegenüber ihrem Vertragspartner treffen, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (allgemein zu vertraglichen Nebenpflichten RIS-Justiz RS0042936 [T64], RS0044358 [T16]).

2. In seiner außerordentlichen Revision steht der Kläger auf dem Standpunkt, es sei unzutreffend, dass der Beklagte dem Kläger lediglich einen Bojenplatz samt Bojenanlage zur Verfügung zu stellen gehabt habe. Vielmehr habe der Beklagte eine brauchbare (sach- und fachgerecht verankerte bzw montierte sowie standfeste) Bojenanlage geschuldet. Im Fehlen einer Kontersicherung in Form von zwei gekonterten Schrauben liege eine „ursprüngliche Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts“. Durch schuldhafte Überlassung einer ursprünglich unbrauchbaren Bojenanlage habe der Beklagte die ihn treffenden Pflichten grob schuldhaft missachtet und daher für den Schaden des Klägers einzustehen. Diesbezüglich beruft er sich auf die Rechtsprechung zum Garagierungsvertrag betreffend ein Kraftfahrzeug (7 Ob 593/79 MietSlg 31.161: hier mit ausdrücklicher Übernahme von Wartungs- und Beaufsichtigungspflichten) sowie ein Motorboot (6 Ob 256/74 EvBl 1976/21 = MietSlg 27.157: hier auf einem eingezäunten Areal).

3. § 1096 ABGB vermag für sich allein eine Verpflichtung des Bestandgebers zum Ersatz von Schäden, die aus einer Mangelhaftigkeit des Bestandobjekts entstehen, nicht zu begründen. Ein Schadenersatz kann nur nach allgemeinen Grundsätzen der Verschuldenshaftung– einschließlich § 1298 ABGB – geltend gemacht werden (RS0021286).

4. In seinem Revisionsvorbringen lässt der Kläger außer Acht, dass den Feststellungen kein haftungsbegründendes „Verschulden“ des Beklagten (im Sinne einer ihm anzulastenden Sorgfaltswidrigkeit) zu entnehmen ist, war doch für einen Laien nicht erkennbar, dass die Mutter zu wenig aufgeschraubt war. Der Beklagte hat die Art der Befestigung dem Kläger auch offengelegt und ihm ein Lichtbild zur Verfügung gestellt, auf dem die Bojenkette und die Unterseite der Boje ersichtlich waren. Der Kläger hat darob das Unterbleiben einer Überprüfung hingenommen und auch selbst keine veranlasst. Vielmehr setzte er sein Vertrauen darauf, dass nichts passieren werde (was auch über rund zwei Monate der Fall war), obwohl er sein Boot lediglich am oberen Bojenring befestigte, ungeachtet des Umstands, dass bei der hier verwendeten Bojenart eine Befestigung am unteren Bojenring notwendig gewesen wäre.

5. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass der Inhalt des hier zu beurteilenden Vertrags (Vermietung eines Bojenplatzes auf einem öffentlichen See) nicht mit dem Pflichtenprogramm eines Garagierungsvertrags zu vergleichen ist.

6. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Schadenersatzrecht. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wird vom Kläger nicht aufgezeigt, weshalb seine Revision zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00045.19V.0730.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.