OGH vom 28.11.1991, 8Ob638/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des ***** mj. T***** R*****, vertreten durch die Mutter M***** R*****, wegen Unterhaltsonderbedarf (S 3.940), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters L***** P***** R*****, vertreten durch Dr.Arnulf Summer und Dr.Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 1 a R 295/91-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom , GZ P 6/91-11, bestätigt wurde, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. In Abänderung des angefochtene Beschlusses wird der Antrag, den Vater L***** P***** R***** zum Ersatz der von der Mutter M***** R***** für den Kauf eines Fahrrades für den mj. T***** R***** aufgelaufenen Kosten im Betrag von S 3.940 zu verpflichten, abgewiesen.
Text
Begründung:
Der nun 7-jährige Knabe befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter. Der Vater zahlt für ihn aufgrund eines anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleiches einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.625; weitere Sorgepflichten treffen ihn nicht. Er verdient einschließlich der Sonderzahlungen S 23.179 monatlich.
Die Mutter stellte den Antrag, dem Vater zum Ersatz der Kosten für die Anschaffung eines Fahrrades im Betrag von S 3.940 für den Minderjährigen zu verpflichten. Aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen könne sie diese Anschaffung für das Kind nicht finanzieren. Der Vater sei durchaus in der Lage, diesen Mehrbedarf abzudecken. Sie habe sich den erforderlichen Betrag vorerst von ihrer Schwester leihweise besorgt.
Der Vater beantragte die Abweisung des Antrages.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater antragsgemäß zur Zahlung von S 3.940. Er sei in der Lage, diese Kosten zu tragen. Es handle sich zwar nicht um einen Sonderbedarf, jedoch würde ein Vater in einer intakten Familie seinem Kind ohne Zweifel ein Fahrrad finanzieren.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Die Auffassung des Vaters, es handle sich bei einem Fahrrad nicht um einen Sonderbedarf im engeren Sinn, sei durchaus richtig. Üblicherweise verlange die Rechtsprechung, daß derartige Aufwendungen aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen finanziert werden. Es handle sich bei der Fahrradanschaffung um keine Luxusaufwendung; es entspräche nämlich dem Lebenszuschnitt auch einer Familie mit Durchschnittseinkommen, daß Kinder im Alter des Minderjährigen ein Fahrrad besitzen. Dem Vater sei bei seinen Einkommensverhältnissen die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines solchen jedenfalls zuzumuten, gleichgültig, ob man diese als Sonderbedarf qualifiziere oder nicht.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Antrages.
Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Mutter begehrt den Ersatz der Kosten für die Anschaffung eines Fahrrades als Sonderbedarf. Hiemit macht sie einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch ihres Sohnes geltend, der gemäß § 14 Abs 3 AußStrG nicht der Betragsbeschränkung des § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG unterliegt; der Rekurs ist daher nicht jedenfalls unzulässig, sondern zulässig, wenn eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zu klären ist. Dies ist zu bejahen, weil eine ausreichende oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung des Regelbedarfs vom Sonderbedarf in bezug auf die Kosten für Sport und Freizeitgestaltung, insbesondere für Sportausrüstung fehlt.
Unter Regelbedarf versteht man jenen Bedarf, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse, wie etwa kulturelle oder sportliche Betätigung, sonstige Freizeitgestaltung und Urlaub, hat. Der Sonderbedarf ist dagegen der - den Regelbedarf übersteigende - Bedarf, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfes bewußt außer acht gelassenen Umstände erwächst (1 Ob 585/90 mwN ua).
Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, handelt es sich bei den Kosten für die Anschaffung eines Kinderfahrrades um keinen Sonderbedarf im dargelegten Sinn; es entspricht den Lebensverhältnissen einer Familie mit Durchschnittseinkommen, daß ein 7-Jähriger über ein Fahrrad verfügt. Gleich anderen Aufwendungen für übliche Sportausrüstungen Minderjähriger, zB eine Tennis- oder Skiausrüstung (so die zweitinstanzliche Judikatur insbesondere zur Skiausrüstung EFSlg 53.239 ff), sind solche Ausgaben, die nicht speziell in der Person dieses Kindes begründet sind, bei der Bemessung des gesetzlichen Normalunterhaltes bereits mitzuberücksichtigen und daher grundsätzlich aus dem laufenden Unterhalt zu bestreiten.
Auch wenn der Vater zweifellos finanziell leicht in der Lage wäre, diese zusätzlichen Aufwendungen für seinen Sohn zu bestreiten, ist ein solch üblicher Aufwand für den Minderjährigen aus dem laufenden Unterhalt zu bestreiten; von diesem ist für solche größere Anschaffungen laufend entsprechend "anzusparen". Wenn die Anschaffung in zumutbarer Weise nicht in angemessener Frist aus diesem Unterhalt vorgenommen werden kann - hier wären bei einem monatlichen Unterhalt von S 2.625 zB durch ein Jahr monatlich S 328 für die Anschaffung des Fahrrades aufzuwenden -, ist ein Antrag auf Erhöhung des laufenden Unterhalts zu stellen, dem stattzugeben ist, wenn er sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen hält.
Nur eine solche Vorgangsweise stellt sicher, daß nicht wegen jeder größeren, aber üblichen Anschaffung für ein Kind ein Antrag auf Unterhaltssonderbedarf gestellt werden muß. Abgesehen von der sinnlosen Mehrbelastung der Gerichte führen erfahrungsgemäß zusätzliche Gerichtsverfahren häufig zu weiteren Spannungen zwischen den Eltern, die sich schließlich auch auf das Kindeswohl negativ auswirken können.