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OGH vom 25.06.2013, 9Ob42/13m

OGH vom 25.06.2013, 9Ob42/13m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei A***** G*****, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker ua, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Dr. H***** G*****, vertreten durch Dr. Michael Kaintz, Rechtsanwalt in Neusiedl, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 48 R 209/12h 133, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

1. Über die im Rahmen der Revision erstattete Anzeige des Beklagten und Widerklägers, die Vorsitzende des Berufungssenats sei befangen, wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom (ON 138) abschlägig entschieden. Auf die bezughabenden Revisionsausführungen ist nicht weiter einzugehen.

2. Mit dem Vorbringen des Beklagten und Widerklägers, dass sich das Berufungsgericht über alle in seiner Berufung geltend gemachten Nichtigkeitsgründe hinweggesetzt habe, wird kein Revisionsgrund aufgezeigt:

Rechtliche Beurteilung

Ist das Berufungsgericht wie hier in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen und hat es eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS Justiz RS0042981). Eine in zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz auch nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (RIS Justiz RS0042981 [T5]) oder mit der Behauptung geltend gemacht werden, die Verneinung der Nichtigkeit beruhe auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung (RIS Justiz RS0042981 [T15]).

Diese Grundsätze gelten auch für den vom Beklagten und Widerkläger geltend gemachten, vom Berufungsgericht jedoch verneinten Verfahrensmangel bezüglich der Beischaffung von Privatanklageakten (s RIS Justiz RS0042963).

3. Dass die Klägerin und Widerbeklagte die Scheidungsklage erst im Zuge des Verfahrens auf einen Vorfall anlässlich eines Besuchs des Beklagten und Widerklägers in ihrer Wohnung gestützt habe, begründet entgegen der Ansicht des Beklagten und Widerklägers keine unzulässige Klagsänderung, weil diese Erweiterung der das Scheidungsbegehren begründenden Tatsachen nicht die Heranziehung eines anderen gesetzlichen Tatbestands hervorruft (s Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO 3 § 235 Rz 3).

4. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Scheidungsgrund nach § 49 EheG vorliegt, ist nicht jeder einzelne vom klagenden Ehegatten als Eheverfehlung geltend gemachte Tatbestand für sich allein, sondern das Gesamtverhalten des beklagten Ehegatten, soweit darin vom anderen eine Eheverfehlung erblickt wird, zu beurteilen (RIS Justiz RS0056171). Die Gewichtung des beiderseitigen Fehlverhaltens ist eine Frage des Einzelfalls, die mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO grundsätzlich nicht revisibel ist (RIS Justiz RS0056171 [T11]).

Wenn die Eheverfehlungen der Klägerin und Widerbeklagten von den Vorinstanzen lediglich als Reaktionshandlungen auf mehrjährige Eheverfehlungen des Beklagten und Widerklägers der bereits seit Mitte 2006 zerrütteten Ehe angesehen wurden, liegt darin nach den Umständen des Falls keine höchstgerichtlich zu korrigierende krasse Fehlbeurteilung.

5. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden (RIS Justiz RS0043347 [T3]), kann aber nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS Justiz RS0117019).

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur gesonderten Wohnungsnahme der Klägerin und Widerbeklagten, zum ihr vom Beklagten und Widerkläger „diktierten“ Schreiben vom und zu seiner Kontrolle der Klägerin und Widerbeklagten durch Aufsuchen der von ihr besuchten Lokale sind Teil der vom Berufungsgericht vorgenommenen rechtlichen Würdigung der entsprechenden erstgerichtlichen Feststellungen (Ersturteil S 9, 14 f). Sie begründen daher keine Aktenwidrigkeiten.

6. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 10 Abs 3 Satz 3 ZPO).