VfGH vom 28.06.1996, B1525/94

VfGH vom 28.06.1996, B1525/94

Sammlungsnummer

14554

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Verweigerung des Vorsteuerabzugs anläßlich des Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft zur Begründung von Wohnungseigentum infolge denkunmöglicher Anwendung einer Bestimmung des UStG 1972 über die Steuerbefreiung der Umsätze von Gesellschaftsanteilen

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Miteigentümerin (1610/2278 Anteile) der Liegenschaft EZ 1307 KG Alsergrund, 1090 Wien, Müllnergasse 17, war, 220/2278 Anteile an dieser Liegenschaft. Gemäß Pkt. III des Kaufvertrages waren im vereinbarten Kaufpreis Vorsteuern im Sinne des § 12 Abs 14 des Umsatzsteuergesetzes 1972 (UStG) in Höhe von S 760.664,-- enthalten. Vertragsgegenstand war auch die Zusage, daß an einer Wohnung, die in dem auf der genannten Liegenschaft befindlichen Haus von der Verkäuferin neu zu errichten war, für den Käufer Wohnungseigentum begründet werde. Die Übergabe dieser Wohnung erfolgte nach ihrer Fertigstellung im Sommer 1993.

Mit Umsatzsteuervoranmeldung für September 1993 hat der Beschwerdeführer den Abzug der gemäß § 12 Abs 14 UStG in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht. Mit Bescheid des zuständigen Finanzamtes wurde dieser Abzug versagt.

2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Dieser wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Unbestritten ist, daß die Ges.m.b.H. Miteigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft war. Zum Abschlußzeitpunkt des Kaufvertrages lag noch kein Wohnungseigentum vor, sodaß die Ges.m.b.H. nur ihren Miteigentumsanteil, nicht aber Wohnungseigentum übertragen konnte ...

Es ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß es sich um die Begründung von Wohnungseigentum an einem bereits bestehenden Gebäude, das bisher im Miteigentum stand, handelt.

Wohnungseigentümer wird nicht ein bisheriger Miteigentümer, sondern ein Dritter... Der Erwerb von Wohnungseigentum ist in einem solchen Fall nur in der Form möglich, daß der (Dritte) zunächst Miteigentümer und sodann als Miteigentümer Wohnungseigentümer wird. Das würde im vorliegenden Fall eine gemäß § 6 Z 8 lite UStG steuerfreie Übertragung von Anteilen an der Gemeinschaft an den (Dritten) und in der Folge eine steuerpflichtige Einräumung des Nutzungsrechtes durch die Gemeinschaft bedeuten. Die Gemeinschaft kann kein Wohnungseigentum liefern.

§ 6 Z 9 lita UStG wäre nur dann anzuwenden, wenn das gesamte Grundstück durch die Gemeinschaft veräußert würde. Dies liegt im konkreten Fall nicht vor...

Die Übertragung der Miteigentumsanteile ist daher gemäß § 6 Z 8 lite UStG befreit, weshalb die gemäß § 12 Abs 14 UStG in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden kann."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Dazu wird begründend im wesentlichen folgendes ausgeführt:

"...

B. Der VfGH hat § 6 Z 9 lita UStG 1972 ... bereits einmal zur

Gänze ... durch VfSlg 10405/1985 als verfassungswidrig

aufgehoben.

Der VfGH hatte damals die Bedenken, daß die Befreiung von der Umsatzsteuer unter gewissen Umständen durch den Nachteil des Verlustes des Vorsteuerabzuges für umsatzsteuerpflichtige Aufwendungen weit übertroffen wird. Dieses Ergebnis schien durch den Umstand, daß der Vorgang von zwei Steuern getroffen wird, zumindest so undifferenziert nicht gerechtfertigt zu sein und auch wettbewerbsverzerrend zu wirken.

...

Der VfGH hatte in diesem Verfahren nicht die Bedenken, daß jegliche Maßnahme zur Vermeidung einer Kumulierung von Steuerbelastungen unzulässig wäre, brachte aber zum Ausdruck, die Bedenken könnten nur durch den Nachweis zerstreut werden, daß die aufgezeigten nachteiligen Folgen der Steuerbefreiung durch keine andere Lösung vermieden werden könnten, die in Prüfung stehende Regelung also die einzige Möglichkeit wäre, eine mehrfache Besteuerung zu vermeiden.

Der VfGH kam jedoch zum Ergebnis, daß es mehrere Möglichkeiten gibt, das gesetzgeberische Ziel der Vermeidung einer doppelten Besteuerung zu erreichen, ohne die Nachteile eines ausnahmslosen Verlustes des Vorsteuerabzuges auszulösen.

2. Der Gesetzgeber des Abgabenänderungsgesetzes 1985 schuf dann in der Folge eine entsprechende Regelung durch § 12 Abs 14 UStG 1972 und konnte demzufolge § 6 Z 9 lita UStG 1972 unverändert wieder in Kraft setzen.

...

C. Der angefochtene Bescheid 'gewährt' die unechte

Steuerbefreiung des § 6 Z 8 lite UStG und argumentiert, daß ich

deshalb ... nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre, wobei auch

§12 Abs 14 UStG 1972 unanwendbar wäre.

... Die Beschwerde könnte sich daher auf den Hinweis

beschränken, daß - auch unter dem Aspekt des vorliegenden Falles

- gegen § 6 Z 8 lite UStG 1972 eben die Bedenken obwalten, die

den VfGH bereits veranlaßt haben, § 6 Z 9 lita UStG 1972 als

verfassungswidrig aufzuheben.

...

D. Für die Beschwerde stellt sich jedoch vorweg die Frage, ob in concreto überhaupt § 6 Z 8 lite UStG 1972 anwendbar ist.

1. Die genannte Gesetzesstelle befreit (unecht) die Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen.

a) Ein Umsatz eines Gesellschaftsanteils liegt zweifellos nicht vor. Ich bin nicht Mitglied irgendeiner Gesellschaft geworden...

b) Die belangte Behörde vermeint jedoch, daß ein derartiger Umsatz ... in bezug auf einen Anteil an einer 'anderen Vereinigung' zuträfe.

...

2. Die diesbezügliche Auslegung erscheint gesetzlos und ... denkunmöglich. Jedenfalls zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses ist eine Auslegung geboten, wonach hier § 6 Z 9 lita UStG 1972 anwendbar ist. Hier geschah doch nichts anderes, als daß ein Miteigentümer von dem ihm nach ABGB zustehenden Recht Gebrauch machte, mir seinen Miteigentumsanteil zu verkaufen.

a) Kolacny - Scheiner (ÖStZ 1987) führen ... aus, daß dann ... wenn die Gemeinschaft über das gesamte Grundstück verfügt, dieser Grundstücksumsatz nach § 6 Z 9 lita UStG 1972 unecht befreit ist (was die Anwendbarkeit des § 12 Abs 14 UStG 1972 mit sich bringt). Zivilrechtlich ist unbestritten, daß hier nicht die Gemeinschaft der Eigentümer 'das Grundstück', sondern jeder Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil am Grundstück verkauft.

b) Ruft man sich nun die Gründe in Erinnerung, warum der VfGH § 6 Z 9 lita UStG 1972 als verfassungswidrig aufgehoben hat und erkennt man die Gründe, die zur Neuschaffung des § 12 Abs 14 UStG 1972 durch AbgÄG 1985 führten (was ja den Gesetzgeber prinzipiell berechtigte, § 6 Z 9 lita UStG 1972 unverändert wieder in Kraft zu setzen), so steht fest, daß keine sachliche Rechtfertigung dafür besteht, die Behebung der verfassungswidrigen Nachteile im Rahmen der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges nur auf Fälle zu beschränken, in denen der Alleineigentümer seine Liegenschaft veräußert oder sämtliche Miteigentümer gemeinsam das gesamte Grundstück veräußern, und die verfassungswidrigen Nachteile bestehen zu lassen, wenn nur ein Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil allein veräußert, bzw. wenn dies zwar mehrere, aber nicht alle (gleichzeitig?) tun.

Auch hinsichtlich des allein tätig werdenden Miteigentümers - bzw. seines Vertragspartners (!) - ist ein identes Schutzbedürfnis gegeben.

3. Zu den aufgezeigten (verfassungswidrigen) Rechtsfolgen kommt es jedoch nur dadurch, daß die Veräußerung des Miteigentumsanteils als die eines 'Gesellschaftsanteiles' ... bzw. Anteiles an einer 'anderen Vereinigung' ... gesehen wird.

Eine derartige Auslegung ist gesetzlos.

a) Schon nach dem Gesellschaftsrecht (Zivilrecht) wäre es grob fehlerhaft, einen Miteigentumsanteil als einen 'Gesellschaftsanteil' zu bezeichnen und zwischen Miteigentum und Gesellschaft nicht zu unterscheiden ...

b) Zudem übersieht der angefochtene Bescheid, daß § 6 Z 9 lita UStG 1972 nicht allgemein von Grundstücksumsätzen spricht, sondern präzis von 'Umsätzen von Grundstücken im Sinn des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955' ...

Ein Miteigentumsanteil ist nun ein Grundstück iS § 2 GrEStG 1987 (1955).

... Wird aber nun mit dem Miteigentumsanteil ein 'Grundstück' im Sinn des § 2 des GrEStG 'umgesetzt', so sollte an der Anwendbarkeit des § 6 Z 9 lita UStG kein Zweifel bestehen.

Dies umsomehr, als ja die Veräußerung des Miteigentumsanteiles an der Liegenschaft unbestrittenermaßen ... zu Grunderwerbsteueranfall führt...

c) Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird aber nicht die Befreiungsbestimmung für den Umsatz von Gesellschaftsanteilen benötigt, sondern die für den Umsatz von Grundstücken.

Es ist gleichheitswidrig, den Umsatz von Anteilen an einer Grund ... besitzenden Gesellschaft gleich zu behandeln mit dem Umsatz eines als Anteil an einer Miteigentumsgemeinschaft mißdeuteten Miteigentumsanteiles an einem Grundstück!

...

E. Damit schließt sich aber wieder der Argumentationskreis zur Anwendbarkeit des § 12 Abs 14 UStG 1972...

1. ...§12 Abs 14 UStG 1972 soll ... nach der erklärten

Absicht des historischen Gesetzgebers in den Erläuterungen der

Regierungsvorlage zum AbgÄG 1985 (715 BlgNR XVI. GP) jene

nachteiligen Folgen beseitigen, welche den VfGH ... bewogen

haben, § 6 Z 9 lita UStG 1972 als verfassungswidrig aufzuheben.

a) Unter der Z 9 sind ... Umsätze, deren Besteuerung nach

bestimmten anderen Steuergesetzen erfolgt, und damit die Bestimmungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen zusammengefaßt ...

Es braucht hier nicht untersucht werden, ob das UStG 1972 auch noch an anderer Stelle Doppelbesteuerungen vermeidet und eine (unechte) Steuerbefreiung für Umsätze kennt, deren Besteuerung nach bestimmten anderen Steuergesetzen erfolgt, und ob nicht gerade § 6 Z 8 lite UStG 1972 mit der Formulierung 'die Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen' ein überzeugendes Beispiel für eine solche 'andere' Gesetzesstelle ist - fest steht jedenfalls, daß selbst dann, wenn man die Anwendbarkeit beider Bestimmungen ... für möglich halten wollte, die Anwendbarkeit des § 6 Z 9 lita UStG 1972 unbedingt aus all den oben aufgezeigten Gründen den Vorrang hat.

b) Die Argumentation im angefochtenen Bescheid gegen die Anwendbarkeit des § 12 Abs 14 UStG 1972 zwingt aber noch zu nachstehender Hilfsüberlegung.

Der angefochtene Bescheid vermeint offenkundig, der Anwendbarkeit des § 12 Abs 14 UStG 1972 stünde in concreto der Gesetzeswortlaut entgegen, der expressis verbis auf § 6 Z 9 lita UStG 1972 abstelle und dessen Satz 1 tatsächlich mit den Worten beginnt:

Liefert ein Unternehmen nach § 6 Z 9 lita steuerfrei ein Grundstück und ist aus diesem Grund ein Vorsteuerabzug nach Abs 3 ausgeschlossen, ...


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Auch ein Miteigentumsanteil ist ein Grundstück iS GrEStG 1987;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
auch die Veräußerung eines Miteigentumsanteiles an einem Grundstück ist grunderwerbsteuerbar;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
die Grunderwerbsteuer ist rechtspolitisch nichts anderes als eine Grundstücks-Umsatzsteuer...


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
es gibt Miteigentumsgemeinschaften, die im Sinn des UStG unternehmerisch tätig sind und solche, die es nicht sind (auch unter diesem Aspekt kommt die Auslegung des angefochtenen Bescheides in unlösbaren Konflikt mit dem Gleichheitssatz, weil sie ja auch einen Miteigentumsanteil, der im Rahmen einer nicht unternehmerisch tätigen Miteigentümergemeinschaft gehalten wird, dem § 6 Z 8 lite UStG 1972 unterstellen muß).

Es besteht daher bei gleichheitskonformer Gesetzesauslegung kein Hindernis gegen die Anwendbarkeit des § 12 Abs 14 UStG 1972 im Beschwerdefall.

2. Selbst wenn man ungeachtet dieser Argumentation ... vermeinen sollte, die streitgegenständliche Lieferung ... wäre keine solche eines Grundstückes gewesen, die 'nach § 6 Z 9 lita steuerfrei' ist, sondern eine (nach § 6 Z 8 lite) steuerfreie und weiteres die Ansicht vertreten sollte, daß der äußerste Wortsinn der in Rede stehenden Bestimmung eine verfassungskonforme Auslegung verbiete ... dann bestehen gegen die zitierte Wortfolge verfassungsrechtliche Bedenken.

Dann sind nämlich durch § 12 Abs 14 UStG 1972 nicht (vollständig) alle nachteiligen Folgen beseitigt, welche den VfGH ... bewogen haben, § 6 Z 9 lita UStG 1972 als verfassungswidrig aufzuheben.

...

F. Sollte der VfGH die gesamte bisherige Argumentation der Beschwerde verwerfen, so besteht eine Ausgangssituation, wie sie vor dem VfGHErk Slg 10.405/1985 vorlag. Die schon einmal als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung des § 6 Z 9 a UStG 1972

besteht - nach der Aufhebung - wortgleich weiter ... der § 12

Abs14 UStG 1972, der an sich ... geeignet wäre, die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung zu beheben (wenn er umfassend textiert wäre) deckt diesen konkreten Beschwerdefall dann nicht ab ..."

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Dies wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Der Beschwerdeführer vermeint, daß die Bestimmung des § 6 Z 8 lite UStG, auf die sich der in Beschwerde gezogene Bescheid stützt, aus eben denselben Gründen verfassungswidrig sei, die den VfGH bereits veranlaßt hätten, § 6 Z 9 lita leg cit als verfassungswidrig aufzuheben. Dies vor allem im Hinblick auf die Versagung des Vorsteuerabzuges. Dieses Beschwerdevorbringen ist deshalb nach Ansicht der belangten Behörde wenig zielführend, da zwar beide Bestimmungen Befreiungstatbestände (unechte) zum Inhalt haben, es sich dabei aber dennoch um jeweils unterschiedliche Tatbestände handelt.

In weiterer Folge zieht der Beschwerdeführer in Zweifel, ob im Beschwerdefall die Bestimmung des § 6 Z 8 lite UStG überhaupt anwendbar sei. Zugleich stellt er außer Streit, daß ein Miteigentumsanteil verkauft wurde. Da aber eine Miteigentumsgemeinschaft eine Gesellschaft nach bürgerlichen Recht darstellt, ist die Übertragung eines Miteigentumsanteiles an einem Grundstück als Übertragung eines Gesellschaftsanteiles anzusehen, woraus sich die Anwendbarkeit der oben angeführten Gesetzesstelle ergibt.

Überdies darf nicht übersehen werden, daß im vorliegenden Fall nicht das gesamte Grundstück durch einen Miteigentümer oder durch die Gemeinschaft der Eigentümer veräußert wurde, sondern, wie der Beschwerdeführer unbestritten läßt, lediglich der Miteigentumsanteil von einem Gesellschafter (bisherigen Miteigentümer) an einen neu eintretenden Gesellschafter (neuen Miteigentümer) übertragen wurde. Eine denkunmögliche Auslegung der Bestimmung des § 6 Z 8 lite UStG liegt demnach nach Ansicht der belangten Behörde nicht vor."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10337/1985, 10362/1985, 11470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen § 6 Z 8 lite und Z 9 lita sowie § 12 Abs 14 des Umsatzsteuergesetzes 1972 lauten wie folgt:

" § 6. Von den unter § 1 Abs 1 Z 1 und 2 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

...

8. ...

e) die Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen,

...

9. a) die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955; ...

...

§ 12 ...

...

(14) Liefert ein Unternehmen nach § 6 Z 9 lita steuerfrei ein Grundstück und ist aus diesem Grunde ein Vorsteuerabzug nach Abs 3 ausgeschlossen oder eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach Abs 10 bis 12 vorzunehmen, so ist er berechtigt, dem Empfänger der Lieferung den vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen oder auf Grund der Berichtigung geschuldeten Betrag - soweit er auf die Lieferung des Grundstückes entfällt - gesondert in Rechnung zu stellen. Dieser in der Rechnung gesondert ausgewiesene Betrag gilt für den Empfänger der Lieferung als eine für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellte Steuer (Abs1 Z 1). Weist der Unternehmer für die Grundstückslieferung in der Rechnung einen Betrag aus, der nicht nach Abs 3 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist oder nach Abs 10 bis 12 nicht geschuldet wird, so ist dieser Betrag wie eine nach § 11 Abs 12 auf Grund der Rechnung geschuldete Steuer zu behandeln."

3. Mit VfSlg 10405/1985 hat der Verfassungsgerichtshof § 6 Z 9 lita UStG - die Bestimmung über die Steuerbefreiung für Umsätze von Grundstücken im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes - wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat dies im wesentlichen damit begründet, daß die Befreiung von der Umsatzsteuer unter gewissen Umständen durch den Nachteil des Verlustes des Vorsteuerabzuges für umsatzsteuerpflichtige Aufwendungen weit übertroffen werde. Dieses Ergebnis schien auch durch den Umstand, daß der Vorgang von zwei Steuern getroffen wird, zumindest so undifferenziert nicht gerechtfertigt zu sein und auch wettbewerbsverzerrend zu wirken.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557, hat der Gesetzgeber die Bestimmung unverändert neu erlassen, zugleich aber in § 12 Abs 14 UStG 1972 ein Vorsteuerabzugsrecht des Grundstückserwerbers für jene Beträge vorgesehen, die der Lieferer auf Grund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 3 UStG nicht als Vorsteuer abziehen kann oder die er auf Grund des steuerfreien Umsatzes nach § 12 Abs 10 bis 12 UStG berichtigen muß.

4. Es ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben, daß die Anwendung des § 6 Z 8 lite UStG auf den hier vorliegenden Fall eine mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellende denkunmögliche Gesetzesanwendung bewirkt. Es ist nämlich völlig verfehlt, den hier vorliegenden Fall der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft dem Begriff des "Umsatz(es) von Anteilen an Gesellschaften und anderer Vereinigungen" gemäß § 6 Z 8 lite UStG und nicht dem Begriff des "Umsatz(es) von Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955" gemäß § 6 Z 9 lita leg.cit. zu unterstellen. Die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung ist schon vom Wortlaut der in Betracht kommenden gesetzlichen Regelungen ausgeschlossen. Gegen diese Deutung der maßgeblichen Bestimmungen des UStG spricht aber auch der Umstand, daß der dem vorliegenden Fall zugrundeliegende Vorgang der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft aus der Sicht des Grunderwerbsteuergesetzes jedenfalls die Veräußerung eines "Grundstückes" im Sinne des § 2 Abs 1 erster Satz leg.cit. darstellt (vgl. Arnold/Arnold, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, § 1 Tz 70 ff). Im übrigen ist auch die von der belangten Behörde ohne nähere Begründung vertretene Auffassung, daß der Tatbestand des § 6 Z 9 lita UStG nur dann erfüllt sei, wenn "das gesamte Grundstück durch einen Miteigentümer oder durch die Gemeinschaft der Eigentümer veräußert wurde" abzulehnen. Dies insbesondere deshalb, weil sie eine Differenzierung schaffen würde, die mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar wäre.

Indem die Behörde bei der Bescheiderlassung von einer solchen (verfehlten) Rechtsauffassung ausgegangen ist, hat sie die Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet und damit den angefochtenen Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastet, weshalb dieser aufzuheben war.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.