OGH vom 29.01.2013, 10Ob44/12m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch TELOS LAW GROUP Winalek, Wutte Lang, Schaunig Kandut Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, 2. Ö*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Dr. Sabine Gauper Müller, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft G*****Straße *****, vertreten durch J*****, dieser vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 38.054,63 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 66/12h 40, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei ist ein Bankunternhmen, die beklagte Partei ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die erste Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei ist die (Substitutin der) Hausverwalterin (im Folgenden nur: „Hausverwalterin“).
2002 beschloss die beklagte Partei im Rahmen einer Eigentümerversammlung die Sanierung der Wohnhausanlage. Die Finanzierung der Renovierungsarbeiten sollte durch Entnahme aus der Rücklage sowie die Aufnahme eines Bankdarlehens über die restliche Summe erfolgen. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen trat vorerst die Hausverwalterin für einen Teil der aufgelaufenen Sanierungskosten in Vorlage. Im Jahr 2005 gewährte die klagende Partei der Hausverwalterin als Kreditnehmerin einen Einmalkredit in Höhe von 170.000 EUR mit dem Kreditzweck „Sanierung der Wohnhausanlage G*****Straße *****“. Zur Sicherstellung war im Kreditvertrag eine Abtretung der Rechte und Ansprüche von derzeit mindestens 170.000 EUR der Forderung gegenüber den Wohnungseigentümern vorgesehen, die im Zusammenhang mit der Sanierung der Wohnanlage entstanden ist. Für den Fall der Kündigung des Hausverwaltungsvertrags durch die beklagte Partei enthielt der Kreditvertrag eine Verpflichtung zur Fälligstellung der Forderungen aus der Sanierung der Wohnhausanlage. Gleichzeitig wird der Wohnungseigentumsgemeinschaft die Überbindung des Kredits auf sie angeboten, wobei sich aber die Debetkondition dahin ändert, dass diese 0,75 % Punkte über der bisher vereinbarten Kondition liegt.
Die beklagte Partei kündigte zum den Hausverwaltungsvertrag auf. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung haftete noch eine Kreditsumme von etwa 39.000 EUR aus.
Die Hausverwalterin führte am eine „Umschuldung“ des Kredits durch: Die klagende Partei gewährte nunmehr der beklagten Partei einen Einmalkredit von 39.733,28 EUR mit dem Kreditzweck „Sanierung der Wohnhausanlage G*****Straße *****“. Die Fertigung des Kreditvertrags für die beklagte Partei erfolgte durch die Hausverwalterin im Sinn der erteilten Verwaltervollmacht im Namen und auf Rechnung der beklagten Partei. Die Hausverwalterin berief sich dabei auf den 2002 im Rahmen der Eigentümerversammlung gefassten Beschluss über die Sanierung und Kreditaufnahme. Die Überweisung der ersten Kreditrate wurde noch im Dezember 2009 von der Hausverwalterin veranlasst.
Die klagende Partei begehrt, gestützt auf den am abgeschlossenen Darlehensvertrag, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, den mit 38.054,63 EUR noch aushaftenden Kreditsaldo zu bezahlen.
Die beklagte Partei bestreitet die Passivlegitimation und wendet ein, sie habe keinen Kredit aufgenommen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Hausverwalterin habe aufgrund ihrer nach außen hin unbeschränkbaren Verwaltervollmacht die beklagte Partei bei Abschluss des Kreditvertrags vom rechtswirksam vertreten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Rechtliche Beurteilung
Das von der beklagten Partei als „Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der Revision, verbunden mit der ordentlichen Revision“ bezeichnete Rechtsmittel, ist in eine außerordentliche Revision nach § 505 Abs 4 ZPO umzudeuten (RIS Justiz RS0123405).
Die Revisionswerberin zeigt darin jedoch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
1.1. Gemäß § 20 Abs 1 WEG 2002 steht dem Verwalter die Verwaltung der Liegenschaft und dabei insbesondere auch die Vertretung der Eigentümergemeinschaft nach außen zu. Die Vertretungsbefugnis des Verwalters von Wohnungseigentum umfasst ohne die Einschränkung des § 1029 ABGB alle Angelegenheiten, die die Verwaltung der Liegenschaft von Missbrauchsfällen abgesehen mit sich bringt. Sie umfasst nicht nur die ordentliche Verwaltung, sondern auch außerordentliche Maßnahmen, insbesondere auch die Vornahme größerer Instandhaltungs und Verbesserungsarbeiten und die Aufnahme von Darlehen zur Finanzierung solcher Arbeiten (RIS Justiz RS0013747 [T2]).
1.2. Die Vollmacht eines Verwalters von Wohnungseigentum ist eine nach außen hin unbeschränkte und unbeschränkbare Formalvollmacht (RIS Justiz RS0105791, RS0013747 [T4]) und ähnelt einer organschaftlichen Vertretung (RIS Justiz RS0013750 [T4]). Im Außenverhältnis ist es daher gleichgültig, ob eine ordentliche oder außerordentliche Verwaltungsmaßnahme vorliegt (RIS Justiz RS0013747). Agiert der Verwalter im Bereich der außerordentlichen Verwaltung ohne die erforderliche Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer iSd § 29 Abs 1 WEG 2002 oder im Bereich der ordentlichen Verwaltung gegen den Willen der Eigentümer, sind seine Vertretungsakte aufgrund der Formalvollmacht des § 20 WEG 2002 dennoch wirksam (3 Ob 140/11a = immolex 2012/26, 83 [ Prader ], RIS Justiz RS0013747 [T8]). Verwalterhandlungen sind ebenso wie deren Unterlassung der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen (RIS Justiz RS0124735).
1.3. Ob im vorliegenden Fall das 2009 aufgenommene Darlehen eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung darstellt, oder die Darlehensaufnahme nicht (mehr) innerhalb der von § 28 Abs 1 Z 3 WEG 2002 umschriebenen Grenzen erfolgt ist, weil zuvor eine neuerliche (zweite) Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft erforderlich gewesen wäre, macht demnach den Vertretungsakt nach außen nicht unwirksam.
2. Die zwar im Rahmen der Vollmacht gelegene, aber den Auftrag überschreitende Vertretungshandlung wäre dann ungültig, wenn ein Missbrauchsfall vorläge etwa ein bei der Darlehensaufnahme vorgelegenes absichtliches Zusammenwirken des Bankunternehmens mit dem Hausverwalter in Schädigungsabsicht der beklagten Eigentümergemeinschaft. Dem wäre gleichzuhalten, wenn der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder der Missbrauch sich dem Dritten geradezu aufdrängen musste (RIS Justiz RS0019576 [T9]). Derartige Missbrauchshandlungen sind weder behauptet worden noch hervorgekommen.
3. Die Vorinstanzen haben überdies auch eine Überschreitung der Verwaltervollmacht nach § 20 WEG (§ 1016 ABGB; RIS Justiz RS0125397) verneint, die nach dem Standpunkt der Revisionswerberin darin gelegen sein soll, dass das 2009 aufgenommene Darlehen allein dazu gedient habe, um einen von der Hausverwalterin ursprünglich im eigenen Namen aufgenommenen Kredit abzudecken.
3.1. § 20 Abs 1 WEG umfasst die Verpflichtung, gemeinschaftsbezogene Interessen aller Wohnungseigentümer bei der Verwaltung der Liegenschaft zu wahren. Maßgeblich ist, ob ein Zusammenhang mit der dem Verwalter übertragenen Geschäftsbesorgung besteht (RIS Justiz RS0121918). Eine Vollmachtsüberschreitung liegt ua dann vor, wenn der Verwalter eigene Interessen verfolgt, etwa das Interesse, eine gegen ihn gerichtete Kündigung oder Verwalterabberufung abzuwenden (RIS Justiz RS0121918).
3.2. Ob eine Vollmachtsüberschreitung gegeben ist, kann nur an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden. Eine im vorliegenden Fall den Vorinstanzen unterlaufene Fehlbeurteilung, die ein korrigierendes Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderlich macht, liegt nicht vor:
Obwohl die Hausverwalterin im Jahr 2005 in Entsprechung des Beschlusses der Eigentümerversammlung zur Aufnahme des Sanierungskredits namens der beklagten Partei befugt gewesen wäre, schloss sie den Kreditvertrag im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung. Vertragspartnerin war somit ausschließlich die Hausverwalterin. Der beklagten Partei als Geschäftsherrin konnte der Leistungserfolg des Handelns der Hausverwalterin nur durch ein weiteres Rechtsgeschäft zugewendet werden (mittelbare Stellvertretung; RIS Justiz RS0019579 [T3]). Aus welchen Gründen diese Vorgangsweise gewählt wurde und ob und allenfalls welche Abreden ihr zu Grunde lagen, ist aus den vorhandenen Feststellungen nicht ersichtlich. Erst bei dem aus Anlass der Beendigung der Verwaltervollmacht im Dezember 2009 abgeschlossenen Kreditvertrag trat die Hausverwalterin dann als (direkte) Vertreterin der beklagten Partei auf. Im Hinblick darauf, dass die Hausverwalterin zur Aufnahme des Sanierungskredits namens der beklagten Partei schon im Jahr 2005 befugt gewesen wäre und sie im Jahr 2009 lediglich von der für den Fall der Kündigung der Hausverwaltervollmacht im Kreditvertrag vorgesehenen Option einer Darlehensaufnahme („Überbindung“) Gebrauch gemacht hat, ist es jedenfalls nicht unvertretbar, wenn die Vorinstanzen unter Hinweis auf den unveränderten Kreditzweck (Finanzierung von Sanierungsarbeiten am Wohnungseigentumsobjekt Projekt) davon ausgingen, dass die Hausverwalterin die in Zusammenhang mit der ihr übertragenen Verwaltung verbundenen Aufgaben wahrgenommen und nicht bloß ihre rein eigenwirtschaftlichen Interessen aus Anlass der Beendigung des Bevollmächtigungsverhältnisses verfolgt hat. Dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu einem vergleichbaren Einzelfall fehlt, wirft noch keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS Justiz RS0102181).
4. Ob es zu der im Kreditvertrag 2005 zwecks Sicherstellung vorgesehenen Abtretung der Rechte und Ansprüche gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft gekommen ist, ist nicht maßgeblich.