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OGH vom 04.08.1994, 11Os101/94

OGH vom 04.08.1994, 11Os101/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Hager, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter Adolf S***** und einen anderen wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Günter Adolf S***** und Erhard Franz Josef von R***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom , GZ 14 Vr 271/91-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Günter Adolf S***** und Erhard Franz Josef von R***** des (Finanz-)Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Darnach liegt ihnen zur Last, in der Zeit von frühestens Februar 1989 bis in Seewalchen als Geschäftsführer der Firma H*****-GesmbH & Co KG unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer im Betrag von 5,6 Mio S dadurch bewirkt zu haben, daß sie für den Voranmeldungszeitraum Februar bis Dezember 1989 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgaben und keine Umsatzsteuervorauszahlungen entrichteten, wobei sie dies (nicht nur für möglich, sondern) für gewiß hielten.

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten, auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Einen ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel (Z 4) erblicken die Beschwerdeführer in der Abweisung von in der Hauptverhandlung vom wiederholten (S 508 - zum Teil erstmals gestellten, S 505 ff) Beweisanträgen vom (ON 20) und (ON 27).

Das Erstgericht hat indes mit zwei Ausnahmen ohnedies alle beantragten Beweismittel (Werkvertrag vom 15. bzw , Zeuge Bürgermeister L*****, Teilbenützungsbewilligungen;

Niederschrift über die Schlußbesprechung vom ;

Einsichtnahme in den Bauakt der Marktgemeinde Seewalchen) verwertet. Insoweit scheidet daher eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten schon der Sache nach aus.

Abgewiesen wurden sohin nur die Anträge auf Verwertung der dem Beweisantrag vom "beigeschlossenen Klage der Miteigentümer Dres.S*****" zu AZ 1 Cg 255/91 des Kreis-(jetzt Landes-)gerichtes Wels auf Aufhebung des Kaufvertrages über eine im Gartenstöckel gelegene Wohnung mangels Erteilung einer Benützungsbewilligung und auf Einsichtnahme in einen mit dem gleichen Beweisantrag vorgelegten Brief der Firma E***** & Co vom (richtig: ), zum Nachweis dafür, daß die Angeklagten mit den in Rede stehenden Werkverträgen ein Vertragsmuster dieser Firma übernommen haben.

Was den ersten Beweisantrag anbelangt, geht der Schöffensenat ohnedies beschwerdekonform davon aus, daß das Gartenstöckel (einschließlich der darin gelegenen Wohnung der Miteigentümer Dres.S*****) einer Benützungsbewilligung entbehrt (US 7). Dem zweiten Antrag hinwieder fehlt es an Relevanz, weil es unerheblich ist, von wem die Angeklagten ein - ihnen "passend erscheinendes" - Vertragmuster übernommen haben. Die Beschwerdebehauptung, sie hätten dieses Vertragsmuster "ungeprüft" übernommen, findet zum einen im Beweisantrag keine Deckung und könnte zum anderen durch Einsicht in den Werkvertragsentwurf der Firma E***** & Co auch gar nicht erwiesen werden.

Von einem Verstoß gegen Verteidigungsrechte kann sohin keine Rede sein.

Dem mit Bezugnahme auf die einzelnen Beweismittel in sich verwoben unter den Nichtigkeitsgründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Einwänden ist folgendes zu erwidern:

Dem Beschwerdevorbringen zuwider geht der Schöffensenat ohnedies von einem einheitlichen Werkvertrag zur Erstellung eines Wohnhauses mit ca 25 Eigentumswohnungen in Seewalchen, Atterseestraße 63, aus (US 3), zu dem auch ein Nebenhaus, nämlich das Bauobjekt Gartenstöckel gehört (US 5). Es trifft sohin nicht zu, daß der Schöffensenat seine gesamte Argumentation auf "eine Teilfertigstellung des Haupthauses" abstellt.

Desgleichen beschwerdekonform geht der Schöffensenat davon aus, daß bezüglich des zum Bauwerk Attersee gehörenden Nebenhauses Gartenstöckel bis zum Urteilszeitpunkt keine Benützungsbewilligung vorlag. Welcher Prozentsatz des gesamten (einheitlichen) Bauvorhabens aber im Dezember 1989 über eine Benützungsbewilligung verfügte und welcher nicht, ist aus rechtlichen Erwägungen unerheblich. Zutreffend geht der Schöffensenat nämlich von folgender Rechtsauffassung aus:

Gemäß § 1 Abs 1 UStG 1972 unterliegen der Umsatzsteuer (ua) die folgenden Umsätze:

"1. Die Lieferungen und die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmen im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt."

Nach § 3 Abs 1 UStG sind Lieferungen Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer (oder in dessen Auftrag einen Dritten) befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen.

Gemäß § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG entsteht die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferungen oder die sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Selbstbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschiebt sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonats erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist.

Demgemäß kommt es bei der im Fiskalrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise für die Entstehung der Umsatzsteuerschuld und in deren Folge der Verpflichtung zur Abgabe einer Voranmeldung und zur Entrichtung der Vorauszahlung innerhalb der in § 21 Abs 1 UStG normierten Frist fallbezogen nicht darauf an, wann die Benützungsbewilligung bezüglich der Wohnhausanlage erteilt wird, sondern - nach Maßgabe des gegenständlichen Werklieferungsvertrages - allein darauf, wann die H*****-GesmbH & Co KG der B***** GesmbH die Verfügungsgewalt über ein Wohnhaus mit ca 25 Eigentumswohnungen verschafft hat. Dies war aber - bei vorliegender Benützungsbewilligung für das Haupthaus seit Dezember 1988, der Abrechnung der Bauschlußreinigung Ende April 1989, der Fertigstellung sämtlicher Professionistenarbeiten bis spätestens Juli 1989 und dem Einzug ab Sommer 1989 der ersten Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung von der B***** GesmbH erworben hatten -, in dem vom Schöffensenat in Würdigung der eben bezeichneten Indizien für eine Übertragung der Verfügungsmacht an der Wohnhausanlage angenommenen Deliktszeitraum von frühestens Februar 1989 bis spätestens Februar 1990 zweifellos der Fall.

Dem Vorliegen der Benützungsbewilligung kommt sohin als bloßem Indiz für die Ausführung der vertraglich vereinbarten Lieferungen und Leistungen keine darüber hinausgehende selbständige Bedeutung zu, sodaß auch unerheblich ist, ob sich die Sachlage bezüglich des nicht anklagegegenständlichen Bauvorhabens, das Gegenstand der Schlußbesprechung vom war, in diesem Punkte "wesentlich unterschied".

Demnach ist aber auch nicht von Belang, warum die Benützungsbewilligung bezüglich des Nebengebäudes Gartenstöckel nicht erteilt wurde (nach den Urteilsannahmen, weil dieser Bau um eineinhalb Stockwerke höher ausgeführt wurde, als im Bauplan vorgesehen; US 5 und 7), und ob die Angeklagten die Verhandlung am an Ort und Stelle beantragt haben oder nicht, bzw ob sie an dieser Verhandlung, die zur Erteilung von Bewohnungs- und Benützungsbewilligungen geführt hat, teilgenommen haben oder nicht.

Die von der Beschwerde vermißte nähere Auseinandersetzung mit diesen Fragen stellt daher keinen formellen Begründungsmangel des angefochtenen Urteiles dar.

Dem in der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt zitierten Punkt 6. des Werkvertrages vom 15. bzw schließlich kommt bei dieser Rechtslage keine Bedeutung zu, weil hier nur intern zwischen den Vertragspartnern B***** GesmbH und der H***** GesmbH & Co KG die "Fälligkeit" der Mehrwertsteuer geregelt wird, die sohin von der B***** GesmbH an die H*****-GesmbH zu bezahlen ist, wenn "die Vertragsleistung größtenteils erbracht wurde, bzw die Benützung des Bauwerkes möglich (wenn auch mangels Vorliegens einer Benützungsbewilligung nicht erlaubt) wäre", eine Regelung sohin, welche die Zahlungspflicht der B***** GesmbH im wesentlichen an die Zahlungspflicht der H*****-GesmbH gegenüber dem Finanzamt knüpft. Für die Angeklagten kann daraus jedenfalls nichts gewonnen werden.

Daß der Schöffensenat - anders als das Finanzamt - den Fälligkeitszeitpunkt nicht exakt bestimmt, sondern von der Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen für den Zeitraum Feber bis Dezember 1989 ausgeht, schadet deswegen nicht, weil der genaue Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung nach Lage des Falles weder für die Individualisierung noch für die Konkretisierung der Tat von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist.

Desgleichen ohne Relevanz für den gegenständlichen Schuldspruch ist die Frage der Beteiligung der beiden Angeklagten an den in Rede stehenden Firmen B***** GesmbH und H***** GesmbH & Co KG, deren Geschäftsführer sie jedenfalls waren.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider ging der Schöffensenat schließlich auch davon aus, daß der Angeklagte Günter S***** an der Schlußbesprechung vom teilgenommen hat. Seiner Verantwortung (S 51) im Zusammenhang mit der Zustellung des Abschlußberichtes an den Steuerberater ist aber mängelfrei zu entnehmen, daß er über das Ergebnis der sich über vier Jahr hinziehenden Prüfung informiert war (US 8).

Der Einwand, der Steuerberater Mag.P***** sei für die Umsatzsteuervoranmeldungen verantwortlich gewesen, geht schon deswegen ins Leere, weil zum einen eine Schlußabrechnung dieses Bauwerk betreffend nicht gelegt wurde und zum anderen der Steuerberater nur verwerten kann, was ihm an schriftlichen Unterlagen zur Verfügung steht. Daß Mag.P***** über den Fortgang der Bauarbeiten und deren Abschluß informiert gewesen wäre, haben die Beschwerdeführer indes gar nicht behauptet.

Ob Mag.P***** sein Honorar "unwidersprochen" oder gegen den Willen der Angeklagten von dem damals bestehenden Steuerguthaben abgebucht hat, ist für den vorliegenden Straffall ebenfalls ohne jede Relevanz.

Fehl schlägt auch der Einwand, es mangle den Beschwerdeführern an der Wissentlichkeit, weil sie auf dem in Rede stehenden Steuerkonto bewußt ein Guthaben "für die künftige Steuerschuld" angespart haben. Aus diesem Umstand kann nämlich - wie der Schöffensenat zutreffend argumentiert - für die subjektive Tatseite der Angeklagten nichts gewonnen werden, weil eben unter Berücksichtigung der Rechtsnatur eines Guthabens und einer Abgabenschuld nach Lage des Falles die Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht entrichtet (abgeführt) wurden (§ 33 Abs 3 lit b FinStrG).

Im Ergebnis erschöpfen sich alle vorstehend behandelten Beschwerdeeinwände in dem - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen - Versuch, zu anderen als von den Tatrichtern getroffenen Feststellungen zu gelangen, ohne einen Verfahrens- oder Begründungsmangel darzutun.

Mit den Ausführungen zu den Rechtsrügen (Z 9 lit a und b) setzten sich die Beschwerdeführer über die eindeutigen Urteilsfeststellungen hinweg, wonach sie die Abgabenverkürzung für gewiß hielten (US 6, 10), wobei sie bei ihrer - im übrigen abermals auf unzulässige Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenates bekämpfenden - Argumentation übersehen, daß die Abgabenverkürzung zur Tatbestandsverwirklichung keine dauernde zu sein braucht und auch dem Motiv für ihr Verhalten keine Bedeutung zukommt. Auch der Einwand, sie wären "dem Rat ihres Steuerberaters gefolgt", orientiert sich nicht am Urteilsinhalt. Gleiches gilt schließlich für die Behauptung, es wäre ihnen ein Irrtum unterlaufen (§ 9 FinStrG); auch dabei übergehen sie die jeden Irrtum ausschließenden Urteilskonstatierungen (US 4, 6, 8, 10).

Die Rechtsrügen entbehren sohin insgesamt einer gesetzmäßigen Darstellung.

Die zum Teil unbegründete, zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben wird (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.