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VfGH vom 14.10.2004, B1512/03

VfGH vom 14.10.2004, B1512/03

Sammlungsnummer

17337

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung einer Niederlassungsbewilligung für den homosexuellen Lebensgefährten; gleichgeschlechtlicher Partner kein Ehegatte und somit auch kein begünstigter Drittstaatsangehöriger; kein Vorliegen einer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften; keine Verletzung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizügigkeit; keine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer stellte am bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, der wegen eines Wohnsitzwechsels nach Perchtoldsdorf letztendlich der Bezirkshauptmannschaft Mödling zur Entscheidung weitergeleitet und von dieser am mit der Begründung abgewiesen wurde, der Antragsteller sei als gleichgeschlechtlicher Partner nicht "Ehegatte" und daher nicht begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 47 Abs 3 Fremdengesetz; nur der Landeshauptmann könne daher eine (mögliche) Niederlassungsbewilligung erteilen, jedoch beharre der Antragsteller auf einer Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft.

Mit dem angefochtenen Bescheid weist die Sicherheitsdirektion für Niederösterreich die dagegen erhobene Berufung mit der Maßgabe ab, dass der Antrag wegen sachlicher Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft zurückgewiesen wird.

Die Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit von Fremden untereinander, ein faires Verfahren und Achtung des Privat- und Familienlebens sowie einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot (Art18 B-VG) und das Recht auf Freizügigkeit (Art9 und 51 Grundrechtscharta der Europäischen Union) und regt ein Vorabentscheidungsbegehren beim Europäischen Gerichtshof zur Frage an, ob die Beschränkung des Begriffs "Ehegatte" auf Personen des jeweils anderen Geschlechts Gemeinschaftsrecht verletze.

Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika und hat nach seinen Angaben am in den Niederlanden vor dem Standesamt Delft einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Nach dem im 4. Hauptstück des Fremdengesetzes 1997 (FrG) idF BGBl. I 126/2002 - "Sonderbestimmungen für Einreise und Aufenthalt für EWR-Bürger sowie für Angehörige von EWR-Bürgern und Österreichern" - enthaltenen § 47 Abs 2 "genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs3) Niederlassungsfreiheit", sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind; "ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet".

Begünstigte Drittstaatsangehörige sind nach Abs 3 folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

"1. Ehegatten;


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2.
Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;
3.
Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird."

Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft nach § 89 FrG im allgemeinen der Landeshauptmann (Abs1); wenn es sich jedoch um den Aufenthaltstitel für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt, die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeibehörde (Abs2 Z 1).

Die Bestimmungen des Fremdenrechts sind vor dem Hintergrund des Art 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. 1968 L 257, S 2, ergangen, der in Abs 1 und 2 bestimmt:

"(1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:


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a)
sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;


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b)
seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt.

(2) Die Mitgliedsstaaten begünstigen den Zugang aller nicht in Absatz 1 genannten Familienangehörigen, denen der betreffende Arbeitnehmer Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft lebt."

2. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens gehen offenbar davon aus, dass unter einem "Ehegatten" eines EWR-Bürgers iSd § 47 Abs 2 FrG ungeachtet des jeweils anzuwendenden Familienrechts nur eine jeweils andersgeschlechtliche Person zu verstehen ist. Ob diese Rechtsansicht zutrifft, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen. Er könnte ihr nur entgegentreten, wenn aus verfassungsrechtlichen Gründen eine andere Auslegung des Fremdengesetzes geboten wäre.

Das ist nicht der Fall:

a) Wie der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom , B777/03, ausgesprochen hat, gebieten weder der Gleichheitssatz der österreichischen Bundesverfassung noch die Europäische Menschenrechtskonvention (arg. "Männer und Frauen" in Art 12) eine Ausdehnung der auf die grundsätzliche Möglichkeit der Elternschaft ausgerichteten Ehe auf Beziehungen anderer Art. Dass solche Beziehungen anderswo der Ehe gleichgestellt sind oder als Ehe anerkannt werden, ändert nichts an der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die von ihm für Ehegatten vorgesehenen Rechtsfolgen nur auf Verbindungen von Personen unterschiedlichen Geschlechts anzuwenden.

An den Bestand einer Ehe anknüpfende Rechtsfolgen sind daher nicht schon allein deshalb unsachlich, weil sie nicht auch für andere Beziehungen vorgesehen sind. Es muss aber ein Sachzusammenhang zwischen der Ehe und diesen Rechtsfolgen bestehen. Ein solcher kann hier im zulässigen Bestreben des Gesetzgebers gesehen werden, das Zusammenleben von Ehegatten wie von Eltern und Kindern zu fördern und zu erleichtern. Durch die in Abs 2 und 3 des § 47 getroffene Regelung soll den typischerweise im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Verwandten und Ehegatten (die solche Verwandtschaften herbeiführen können oder herbeigeführt haben) das Verbleiben im Familienverband unter den Bedingungen der Freizügigkeit gesichert werden. Anderen Gemeinschaften - gleichen oder verschiedenen Geschlechts - stehen die allgemeinen Möglichkeiten des Fremdenrechts offen. Eine Diskriminierung solcher anderer Beziehungen liegt in der Bedachtnahme auf die Eigenart der Ehe zwischen Mann und Frau nicht. Wenn der Gesetzgeber die ihm in Art 10 Abs 1 und 2 der Verordnung des Rates auferlegte Pflicht durch eine solche Regelung erfüllt, handelt er nicht unsachlich und benachteiligt Beziehungen, denen gemeinsame Nachkommen schon begrifflich versagt bleiben müssen, nicht.

Das Gesetz ist auch in diesem Verständnis aus der Sicht des Gleichheitssatzes unbedenklich.

b) Ob die Auslegung der Behörden dem Gemeinschaftsrecht entspricht und der Gesetzgeber dessen Aufträge in jeder Hinsicht erfüllt hat, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen. Daher ist auch auf die Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren zu provozieren, nicht einzugehen. Dass die Behörde Willkür geübt hätte, indem sie Gemeinschaftsrecht nicht berücksichtigt hätte, kann der Gerichtshof nicht finden. Dass geltendes Gemeinschaftsrecht im Zusammenhang mit dem Recht der Familienangehörigen auf Wohnungsnahme im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates die Gleichstellung der in Rede stehenden Beziehungen mit der Ehe geböte oder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs oder des Gerichtshofs für Menschrechte dahin gehe, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Seine Hinweise auf den "den derzeitigen Diskussionsstand in der Europäischen Union widerspiegelnde[n] Entwurf" für eine - mittlerweile zu 2004/38/EG sogar schon erlassene, aber noch nicht durchzuführende und infolgedessen hier auch nicht zu erörternde - Richtlinie und eine "zu erwartende Rechtsansicht" des Gerichtshofs in Luxemburg (anders nämlich , Reed, Slg. 1986, 01283, und und C-125/99, Slg. 2001, I 04319) zeigen im Gegenteil, dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Gleichheitswidrigkeit nicht vorliegt.

3. Die weiteren Rügen der Beschwerde sind gleichfalls unbegründet:

Von einer Unbestimmtheit des Begriffs "Ehegatte" im FrG kann angesichts des geltenden § 44 ABGB nicht die Rede sein. Selbst ein Wandel in den gesellschaftlichen Anschauungen könnte ihn deshalb nicht unbestimmt machen.

Dass die Rechtsansicht der Berufungsbehörde, die in der Sache mit jener der ersten Instanz übereinstimmt, zufolge der Zuständigkeitsbestimmungen zu einer Zurückweisung des Antrags (anstelle der Abweisung durch die erste Instanz) geführt hat, macht das Verfahren nicht unfair; ob die Sachentscheidung der Berufungsbehörde richtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof auch insoweit nicht zu beurteilen.

Stellt der Gesetzgeber aus sachlichen Gründen auf den Bestand einer Ehe ab, kann dadurch auch nicht das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK verletzt sein; aus dem Gebot, (bloße) Lebensgemeinschaften ohne Rücksicht auf das Geschlecht gleich zu behandeln, lässt sich für deren Gleichbehandlung mit der Ehe nichts gewinnen.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).