OGH vom 22.10.1992, 8Ob630/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** N*****, vertreten durch Fritsch, Kollmann und Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Ch***** E*****, vertreten durch Dr.Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe eines Sparbuches (Streitwert S 449.134,53 sA) infolge Revision der beklagten Partein gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 33/92-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 13 Cg 208/90-19, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
J***** F***** K***** litt aufgrund eines Schlaganfalles an Lähmungserscheinungen; seit Sommer 1981 war er ein Pflegefall. Er zog nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus zu der Beklagten, lebte mit ihr in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und wurde von ihr bis zu seinem Tod betreut.
Der Verstorbene bezog eine monatliche Pension von S 21.410; die Beklagte erhielt von ihm für ihre Tätigkeit ursprünglich S 5.000, später S 7.000 monatlich. Der Verstorbene wollte von der Beklagten aufgrund finanzieller Differenzen, die er mit ihrem Sohn hatte, weg in ein Altersheim ziehen.
Zwischen dem Verstorbenen und der Klägerin, seiner außerehelichen Tochter, herrschte ein gutes Verhältnis. Sie erhielt von ihm ca ein Jahr vor seinem Tod zum Ankauf eines PKWs S 140.000.
Am verstarb J***** F***** K*****. Sein Nachlaß wurde der Klägerin aufgrund des Testamentes vom rechtskräftig eingeantwortet. Im Besitz der Beklagten befindet sich ein auf den Namen des Verstorbenen lautendes Sparbuch der Steiermärkischen Sparkasse mit einem Guthaben von S 449.134,53 zum Todestag. Die von der Beklagten behauptete Schenkung dieses Sparbuches unter Bekanntgabe des Losungswortes in Schenkungsabsicht und seine körperliche Übergabe ist nicht erwiesen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Herausgabe des Sparbuches, das zum Nachlaß gehöre.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, sie habe das Sparbuch unter Bekanntgabe des Losungswortes einerseits schenkungsweise, andererseits auch als Abgeltung für ihre Aufwendungen, Arbeiten und sonstigen Leistungen seit Beginn der Lebensgemeinschaft, insbesondere aber auch für die seit 1981 erbrachte Pflege, erhalten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu. In rechtlicher Hinsicht meinte es, die Beklagte, die für den von ihr behaupteten rechtmäßigen Erwerb der Spareinlage beweispflichtig sei, habe weder die Schenkung noch auch die Übergabe des Sparbuches durch den Erblasser als Abgeltung irgendwelcher Leistungen beweisen können. Was die angebliche Schenkung betreffe, verkenne sie außerdem, daß nicht einmal aus ihrer eigenen Aussage eine "wirkliche Übergabe" des Sparbuches entnommen werden könnte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben oder es sofort im klageabweisenden Sinn abzuändern.
Die Klägerin beantragt, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und im Sinn des primär gestellten Aufhebungs- und Rückverweisungsantrages auch berechtigt.
Als erhebliche Rechtsfrage macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe die Frage, ob ihr noch zu Lebzeiten des Verstorbenen das Sparbuch geschenkt wurde und es daher nicht in den von der Klägerin geerbten Nachlaß falle, zu Unrecht u.a. auch mit der Begründung verneint, ihr sei das Sparbuch nicht übergeben worden. Sie habe ausgesagt, eine körperliche Übergabe des Sparbuches im klassischen Sinn sei natürlich nicht erfolgt, weil sie ohnehin gewußt habe, wo sich das Sparbuch befunden habe; der Verstorbene habe ihr unter Mitteilung des Losungswortes erklärt, er schenke es ihr; dies genüge für die vom Gesetz geforderte Übergabe.
Rechtliche Beurteilung
Diese Frage hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Lehre und Rechtsprechung gelöst; aus diesem Grund ist daher die außerordentliche Revision nicht zulässig. Das Erstgericht hat die von der Beklagten behauptete Schenkung des Sparbuches als nicht erwiesen angenommen. Aus der rechtlichen Beurteilung ergibt sich, daß es auch die Schenkungsabsicht des Verstorbenen als nicht erwiesen ansah. Das Berufungsgericht übernahm diese Feststellungen. Schon aus diesem Grund ist eine Schenkung zu verneinen, da die Schenkungsabsicht ein Essentiale der Schenkung ist. Sie besteht in der Absicht einer unentgeltlichen, dh auf keine Gegenleistung bezogenen und freiwilligen, dh auch nicht durch sittliche Pflicht verlangten Leistung (SZ 56/30; 58/109; JBl 1986, 323 ua; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 938). Im übrigen ging das Berufungsgericht auch zu Recht davon aus, daß für die (für die Schenkung geforderte) "wirkliche Übergabe" im Sinn des § 943 ABGB die Bekanntgabe des Losungswortes nicht genügt (SZ 39/140 ua), wenn dem angeblich Beschenkten der Aufbewahrungsort des Sparbuches bekannt ist; darin könnte bestenfalls ein bei (reinen) Schenkungen nicht genügendes constitutum possesorium gesehen werden (SZ 48/81; JBl 1982, 143; 1985, 672 ua; Schubert aaO Rz 1 zu § 943); eine "gemeinsame Gewahrsame" iS der Ausführungen Schuberts (aaO Rz 3) liegt bei bloßer Kenntnis des Aufbewahrungsortes des Sparbuches nicht vor.
Die Beklagte macht aber im Rahmen der Rechtsrüge auch geltend, sie habe ihren Anspruch auf das Sparbuch zusätzlich darauf gestützt, daß ihr das Sparbuch vom Erblasser als Abgeltung ihrer Pflegeleistungen gegeben worden sei, sich das Berufungsgericht aber nicht mit der Frage befaßt habe, inwieweit in der behaupteten Vorgangsweise eine Abgeltung für ihre jahrelangen Dienstleistungen für den pflegebedürftigen Verstorbenen zu erblicken sei; es führe lediglich aus, daß eine Übergabe als Abgeltung von Leistungen nicht bewiesen sei.
Nach herrschender oberstgerichtlicher Rechtsprechung liegt (mangels Freigiebigkeit) keine Schenkung vor, wenn eine Leistung aus moralischer, sittlicher oder Anstandspflicht zugesagt wird (SZ 38/227; EvBl 1964/102; JBl 1967, 257; 1971, 197 mit krit Anm F.Bydlinski, und 1978, 645, ebenfalls mit krit Anm F.Bydlinski; aM Koziol-Welser9 I 348, die eine Schenkung auch bei Zuwendungen aus sittlicher Pflicht annehmen; gegen die hRsp auch F.Bydlinski in FS Schwind 56 FN 36; auch Migsch, AzP 173, 68 will Zuwendungen aus sittlicher oder Anstandspflicht nicht dem Schenkungsbegriff unterstellen). Ob eine solche Pflicht besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalles, nach dem Herkommen und den Anschauungen im gesellschaftlichen Kreis des Verfügenden zu beurteilen (EvBl 1964/161 ua). Dazu gehört zB auch die Schenkung an die pflegende Gattin (JBl 1989, 51); der Fall der pflegenden Lebensgefährtin ist diesem durchaus vergleichbar. Wurde die Leistung aus einer solchen sittlichen oder Anstandspflicht erbracht, fehlt nach der oben zitierten herrschenden Rechtsprechung die Schenkungsabsicht und damit auch das Erfordernis der wirklichen Übergabe im Sinn des § 943 ABGB (vgl SZ 50/101: Die gemischte Schenkung ist nur bei überwiegender Unentgeltlichkeit formgebunden).
Ein Teil der Lehre kritisiert zwar, daß in solchen Fällen der Schenkungscharakter verneint werde und verweist auf § 785 Abs 3 ABGB, der ausdrücklich von solchen Schenkungen aus sittlicher Pflicht oder aufgrund des Anstandes spricht, sowie darauf, daß § 940 ABGB ausdrücklich die "belohnende Schenkung", die "aus Erkenntlichkeit oder in Rücksicht auf die Verdienste des Beschenkten" erfolgt, erwähnt und festlegt, daß diese die Wesenheit der Schenkung nicht verändere. Diese Stimmen empfehlen allerdings in solchen Fällen auf das Erfordernis der wirklichen Übergabe zu verzichten (F.Bydlinski, JBl 1978, 648; Schubert aaO Rz 1 zu § 940 f; Koziol-Welser, Grundriß I9 348).
Die Beklagte macht mit Recht geltend, daß die Vorinstanzen nur die Schenkungsabsicht (iS der hRsp) und die Übergabe des Sparbuches (sowohl zu Schenkungszwecken als auch als Abgeltung irgendwelcher Leistungen) verneint haben. Wäre ihr das Sparbuch aber als Abgeltung für ihre Pflegeleistungen vom Beklagten zugesagt worden, wäre sowohl nach hRsp (mangels Schenkungsabsicht im herkömmlichen Sinn) als auch nach der zitierten Lehre eine Übergabe nicht erforderlich.
Die Vorinstanzen haben dies nicht beachtet und daher auch keine Feststellungen hierüber getroffen. Die Rechtssache muß deshalb unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen an das Erstgericht zurückverwiesen werden; dieses wird Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der Verstorbene der Beklagten das Sparbuch als - weitere - Abgeltung für ihre Leistungen zugesagt hat; die der Beklagten für ihre umfassende Tätigkeit zugekommenen Beträge in Höhe von S 5.000 und später S 7.000 monatlich scheinen im Hinblick auf die hohe Pension des Verstorbenen gering. Bejahendenfalls wird das Klagebegehren abzuweisen sein; verneinendenfalls fällt das Sparbuch in den Nachlaß und ist daher der Klägerin herauszugeben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf dem § 52 Abs 1 ZPO.