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OGH vom 12.09.2013, 10Ob43/13s

OGH vom 12.09.2013, 10Ob43/13s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. N***** M*****, geboren am ***** 1998, und 2. E***** M*****, geboren am ***** 2003 beide vertreten durch das Land Kärnten als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau, Bereich 6 - Soziales, Jugend und Familie, Tirolerstraße 16, 9800 Spittal an der Drau), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 94/13b-19 und 3 R 95/13z-20 (letzterer in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 10. und , GZ 3 R 95/13z-22 und -23), womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom , GZ 2 PU 233/12a-4 und -5, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Vater verpflichtete sich mit Vergleich vom unter anderem zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 380 EUR an N***** und 320 EUR an E*****. Dazu wird im Vergleich ausdrücklich festgehalten,

- dass der Unterhaltsbemessung ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners von derzeit 1.600 EUR, keine weiteren Sorgepflichten und der Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter zugrunde liegen;

- dass die übernommenen Unterhaltszahlungen „höher liegen“ als jener Betrag, der sich nach der von der Judikatur angewandten prozentuellen Berechnung ergeben würde und „demzufolge“ festgehalten,

- dass der diesen Prozentsatz übersteigende Betrag vom Unterhaltsschuldner freiwillig übernommen wird und eine Erhöhung seines Einkommens bzw der für den Unterhaltsanspruch maßgeblichen Bemessungsgrundlage nur dann zu einer Verpflichtung zur Leistung eines höheren Unterhalts führt, wenn sich aus der von der Judikatur angewandten prozentuellen Berechnung ein höherer Unterhaltsbetrag ergibt.

Die Kinder beantragten Unterhaltsvorschüsse in der im Vergleich vereinbarten Höhe.

Mit Beschlüssen vom (ON 4 und 5) gewährte das Erstgericht den Minderjährigen vom bis gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe.

Das Rekursgericht änderte die Beschlüsse des Erstgerichts über Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, dahin ab, dass es den Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse von jeweils 288 EUR gewährte und die Anträge auf Gewährung von darüber hinausgehenden Unterhaltsvorschüssen abwies. Gemäß § 1 UVG „bevorschussungsfähig“ seien nur die nicht (mehr) fließenden laufenden Geldunterhaltsleistungen in Höhe des gesetzlichen Unterhalts von - nach der Aktenlage - je 288 EUR (18 % des Einkommens von 1.600 EUR).

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob dem Kind nur der sich aus der Prozentkomponente ergebende Unterhaltsbetrag als Vorschuss zu gewähren sei, wenn sich der geldunterhaltspflichtige Elternteil freiwillig zu einem höheren Unterhaltsbetrag vertraglich verpflichtet habe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der vom Kinder- und Jugendhilfeträger vertretenen Minderjährigen mit dem Abänderungsantrag, Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe auszuzahlen, also die Beschlüsse des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig: Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist nämlich - trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - auch dann zu verneinen, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung vorsieht (RIS-Justiz RS0042656; jüngst 5 Ob 209/12i; 10 ObS 117/12x); dies trifft im vorliegenden Fall zu.

Der Revisionsrekurs macht allein geltend, dass das Rekursverfahren mangelhaft geblieben sei, weil das Rekursgericht Vorbringen der Kindesvertretung in der Rekursbeantwortung nicht gewürdigt habe, sondern davon ausgegangen sei, es liege keine Rekursbeantwortung vor. Hätte das Rekursgericht dieses Vorbringen gewürdigt, wäre es zur Entscheidung gekommen, dass den Kindern der titelmäßig festgesetzte Unterhalt zustehe.

Dazu wurde erwogen:

1. Entgegen der Annahme des Rekursgerichts haben die Antragsteller rechtzeitig eine (vom Rekursgericht nicht berücksichtigte) Rekursbeantwortung erhoben und darin Folgendes vorgebracht:

Die Höhe der gewährten Unterhaltsvorschüsse diene dem Wohl der Minderjährigen und liege in deren Interesse. Aus diesem Grund sei der diesbezügliche Vergleich auch pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden. Im Übrigen handle es sich jedenfalls um gesetzlichen Unterhalt, weil der Unterhaltsanspruch auf Grundlage des § 55a Abs 2 EheG geregelt worden sei; § 69a EheG stelle diesen vertraglichen Unterhalt dem gesetzlichen gleich. Aufgrund der Beschäftigungssituation des Vaters zum Zeitpunkt der Ehescheidung sei anzunehmen, dass die Regelung auf Basis des Unterhaltsniveaus während aufrechter Ehe abgestellt worden sei.

2. Da die Rechtsmittelwerber nur einen Verfahrensmangel geltend machen (der darin erblickt wird, dass das [eben wiedergegebene] „Rekursvorbringen der Kindesvertretung nicht gewürdigt“ worden sei), ist zunächst festzuhalten, dass der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens - nach ständiger Rechtsprechung - nur dann vorliegt, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049; vgl auch RS0043027 [T10]). Dieser Grundsatz gilt auch für das Rekursverfahren in Außerstreitsachen (RIS-Justiz RS0043027 [T4]). Daher bildet auch ein dem Rekursgericht unterlaufener Verfahrensverstoß nur dann den Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (6 Ob 112/11f). Eine solche Eignung wird hier jedoch nicht dargelegt:

2.1. Soweit die Antragsteller auf § 69a Abs 1 EheG verweisen, ist ihnen zu entgegnen, dass diese Bestimmung nach ihrem Inhalt und ihrer systematischen Stellung ganz eindeutig nur den vereinbarten Unterhalt zwischen (gemäß § 55a EheG einvernehmlich geschiedenen) Ehegatten einem gesetzlichen gleichstellt; also dem Umstand Rechnung trägt, dass zwischen ihnen nach einer Scheidung gemäß § 55a EheG grundsätzlich kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 69a EheG Rz 1). Eine analoge Anwendung des § 69a Abs 1 EheG ist aber auch mangels Regelungslücke unzulässig. Das Kindeswohl oder die Tatsache, dass ein bestimmter Unterhaltsbetrag im Interesse der Minderjährigen gelegen ist (so die Revisionsrekurswerber), ist für die Lösung der Rechtsfrage ebenfalls irrelevant.

2.2. Das weitere - vom Rekursgericht noch nicht berücksichtigte - Vorbringen in der Rekursbeantwortung, dass „die Regelung auf Basis des Unterhaltsniveaus während aufrechter Ehe getroffen worden sei“, entfernt sich vom unstrittigen Vergleichstext. Das Einkommensniveau und die Tatsache, dass ausdrücklich ein höherer Unterhaltsbetrag als gesetzlich geschuldet vereinbart wurde, gehen daraus klar hervor. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zeigt die Verfahrensrüge der Rechtsmittelwerber somit nicht auf.

3. Hinsichtlich der in der Zulassungsbegründung angeführten Rechtsfrage ist nur noch klarzustellen, dass schon nach dem (vom Rekursgericht wiedergegebenen) Inhalt der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen kein Zweifel an der Richtigkeit der Rekursentscheidung bestehen kann:

3.1. Der Bund hat auf den „gesetzlichen “ Unterhalt minderjähriger Kinder nach diesem Bundesgesetz Vorschüsse zu gewähren (§ 1 UVG). Die Vorschüsse sind grundsätzlich in der beantragten Höhe bis zu dem im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltsbeitrag zu gewähren (§ 5 Abs 1 UVG). Jedoch hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit sich (in den Fällen der §§ 3 und 4 Z 1 UVG) „aus der Aktenlage ergibt, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht (mehr) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist“ (§ 7 Abs 1 Z 1 UVG).

4. Der aufgrund eines Exekutionstitels gewährte Vorschuss soll der jeweiligen materiellen Unterhaltspflicht entsprechen (3 Ob 257/05y; Neumayr in Schwimann/Kodek4 § 7 UVG Rz 1) und zwar unabhängig davon, ob eine Unrichtigkeit schon zum Zeitpunkt der Schaffung des Titels bestand oder sich aus einer zwischenzeitigen Änderung der Verhältnisse ergibt (RIS-Justiz RS0076391; Neumayr aaO § 7 UVG Rz 4).

4.1. Hier ergibt sich aus dem Akteninhalt (schon aus dem Exekutionstitel selbst), dass die Unterhaltsbeträge, zu deren Zahlung sich der Unterhaltsschuldner verpflichtete, über dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch liegen. Die Voraussetzungen einer teilweisen Versagung der beantragten Unterhaltsvorschüsse im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG sind daher sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck dieser Bestimmung erfüllt.

5. Wie bereits aufgezeigt liegt auch bei Fehlen oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Rechtsfrage keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft oder im Wege einfacher Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden kann (RIS-Justiz RS0042656 [T32]; 10 ObS 117/12x mwN). Wenn sich das Rechtsproblem - wie hier - aus dem Wortlaut selbst bzw aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB) lösen lässt und diese Lösung in der Lehre nicht strittig ist, ist eine solche Frage nicht zu beantworten (RIS-Justiz RS0107348).

5.1. Demgemäß haben die Revisionsrekurswerber in ihrem Rechtsmittel lediglich eine Verfahrensrüge erhoben und sich mit der vom Rekursgericht aufgeworfenen Frage gar nicht auseinandergesetzt.

5.2. Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen, was gemäß § 71 Abs 3 AußStrG keiner weiteren Begründung bedarf.