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OGH 11.11.2010, 12Os157/10w

OGH 11.11.2010, 12Os157/10w

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen J***** und W***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten J***** sowie über die Berufung des Angeklagten W***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom , GZ 7 Hv 181/09p-40, und über die Beschwerden beider Angeklagter gegen die unter einem gefassten Beschlüsse nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde J***** des Vergehens der Amtsanmaßung nach § 314 erster Fall StGB (A./1./) und des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (A./2./) sowie W***** des Vergehens der Amtsanmaßung nach § 314 erster Fall StGB (A./1./), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (A./2./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B./I./1./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B./I./2./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (B./II./) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung -

A./ J***** und W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) am in L*****

2./ mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem J***** dem A***** zwei kräftige Faustschläge ins Gesicht versetzte, wodurch dieser zu Boden fiel, W***** ihn zur Seite drehte und aus der in dessen Gesäßtasche mitgeführten Geldbörse zumindest 500 Euro Bargeld entnahm, wobei A***** durch diese ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde (§ 84 Abs 1
StGB - Orbitabodenfraktur links ohne Dislokation, Kieferhöhlenwandfraktur links, nicht dislozierte Jochbogenfraktur links sowie Hämatosinus links, Brillenhämatom, Kontusionsblutungen und subdurale Blutungen links).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe, weil die Angaben des W***** unerörtert geblieben seien, wonach der Beschwerdeführer A***** niedergeschlagen hatte, dem Mitangeklagten sodann entgegengekommen sei und diesen dann in einer Entfernung von 3 bis 4 m vom Tatopfer entfernt aufgefordert habe, dem am Boden Liegenden die Geldtasche wegzunehmen (S 23 in ON 37). Dazu behauptet der Rechtsmittelwerber, dass von einem Raub nur dann ausgegangen werden könne, wenn die angewendete Gewalt unmittelbar und ohne irgendeinen weiteren Zwischenschritt zur Erlangung der Sachherrschaft führt.

Die Tathandlungen der Wegnahme und des Abnötigens iSd § 142 Abs 1 StGB verlangen eine sofortige Herrschaftserlangung des Täters über die Sache, mit anderen Worten einen sofortigen Gewahrsamswechsel (vgl Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 40; Fabrizy StGB10 § 142 Rz 4). Dazu genügt es aber, dass die Gewaltanwendung oder die qualifizierte Drohung und die nachfolgende Sachbemächtigung in so kurzer zeitlicher Aufeinanderfolge und innerhalb so enger räumlicher Grenzen erfolgen, dass sich das Handeln des Täters auch nach außen hin noch als ein einheitliches Geschehen darstellt (vgl Fabrizy StGB10 § 142 Rz 4; Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 40; EvBl 1998/70). Dabei macht es im Fall einer Mittäterschaft keinen Unterschied, wer von den beiden Tätern Gewalt anwendet oder droht und welcher von ihnen die Sache wegnimmt, solange dieser zeitlich-örtliche Konnex auch bei arbeitsteiliger Tatausführung vorliegt. Da die Gewaltanwendung im vorliegenden Fall von den beiden Angeklagten als Raubmittel verabredet worden war (US 10 f) und die nachfolgende Wegnahme der Raubbeute durch den Mitangeklagten auch nach der vom Nichtigkeitswerber hervorgehobenen Schilderung des Tatgeschehens durch W***** in dem dargestellten unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Gewalteinsatz durch J***** stand, bedurfte es keiner weiteren Erörterung der vom Beschwerdeführer hervorgehobenen, nicht entscheidungswesentlichen Details in der Aussage des Mitangeklagten.

Die einen Mangel an Feststellungen behauptende Subsumtionsrüge (Z 10) stellt auf die bereits in der Mängelrüge angesprochene und von W***** geschilderte zeitliche Abfolge von Gewaltausübung und Wegnahme ab und fordert unter Hinweis auf diese Angaben entsprechend detailliertere Urteilsannahmen, zumal der Nichtigkeitswerber ansonsten infolge Fehlens des für die Deliktsverwirklichung eines Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erforderlichen zeitlich-räumlichen Zusammenhangs lediglich die Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und des Diebstahls iSd §§ 12 zweiter Fall, 127 StGB zu verantworten habe.

Zunächst übergeht der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang die Konstatierungen des Schöffengerichts zu einem von beiden Angeklagten gefassten Raubentschluss, dem Tatopfer gemeinsam unter Gewaltanwendung Geld wegzunehmen (US 10 f). Demzufolge wäre selbst bei (hypothetischer) Annahme einer die Vollendung des Tatbestands nach § 142 Abs 1 StGB in Frage stellenden zeitlichen Differenz zwischen Gewalteinsatz und Wegnahme angesichts der schon mit dem Niederschlagen des Opfers begonnenen Ausführungshandlung von einer dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichenden Bewertung des inkriminierten Sachverhalts als misslungener Versuch (§ 15 Abs 1 StGB) des Verbrechens des Raubes samt nachfolgendem Diebstahl iSd §§ 12 zweiter Fall, 127 StGB auszugehen.

Darüber hinaus erschöpft sich diese Beschwerdethese in der bloßen Rechtsbehauptung, für die Tatbestandsmäßigkeit nach § 142 Abs 1 StGB sei es notwendig, dass die Sachwegnahme zeitlich ungesäumt und ohne jeden Zwischenschritt an die Gewaltanwendung erfolgt. Solcherart verfehlt der Rechtsmittelwerber - mangels methodisch vertretbarer Ableitung dieses nicht näher begründeten Standpunkts aus dem Gesetz (vgl abermals Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 ff) - die Anfechtungskriterien des geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (teilweise implizierten) Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Strafrecht
Schlagworte
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00157.10W.1111.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAD-84614