VfGH vom 27.02.1990, B1506/88
Sammlungsnummer
12269
Leitsatz
Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme des Beschwerdeführers; kein im Dienst der Strafjustiz wahrzunehmender Grund für Verwahrung
Spruch
Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß er am in Salzburg von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg festgenommen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdevertreters die mit 11.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. In der auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde begehrt der Einschreiter mit näherer Begründung die Feststellung, er sei dadurch, daß er am um 23,30 Uhr in Salzburg von Organen der Bundespolizeidirektion Salzburg festgenommen worden sei, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit, verletzt worden.
Die durch die Finanzprokuratur vertretene Bundespolizeidirektion Salzburg legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. 1. Aufgrund des unwidersprochen gebliebenen Vorbringens des Beschwerdeführers steht im Zusammenhalt mit dem Inhalt der Verwaltungsakten (insbesondere dem darin erliegenden Bericht über den in Beschwerde gezogenen Vorgang) fest, daß der (in Wien wohnhafte und berufstätige) Beschwerdeführer, als er am gegen 23,00 Uhr (nach seiner Darstellung: um etwa 23,30 Uhr) allein auf einer Parkbank des Kurgartens in Salzburg saß, von Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Salzburg aufgefordert wurde, sich auszuweisen. Der Beschwerdeführer verweigerte eine Ausweisleistung und lehnte auch die bloße Bekanntgabe seiner Identität ab. Darauf sprachen die Kriminalbeamten seine Festnahme aus und brachten ihn - teilweise unter Einsatz von Körperkraft - zu einem in der Nähe abgestellten Polizeikraftwagen. Dort wurde die Anhaltung des Beschwerdeführers nach kurzer Zeit aufgehoben, nachdem er seine (von einem Dritten bestätigten) Personalien bekanntgegeben und eine sogenannte DASTA-Anfrage ein negatives Ergebnis erbracht hatte.
Nach der Aktenlage war die Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Ausweisleistung Teil eines "Kriminalpolizeiliche Ermittlungen und (der) Fahndungstätigkeit" dienenden Streifendienstes von Kriminalbeamten, welche auch nach zwei unbekannten Tätern eines in der Nacht zum im gleichen örtlichen Bereich verübten Raubes (- einem Mann wurde, nachdem er niedergeschlagen worden war, die Armbanduhr vom Handgelenk gerissen -) fahndeten. Die vom Geschädigten gegebene Beschreibung eines der beiden Täter ("Mann, ca. 25 Jahre, 160 cm groß, kurzes schwarzes Haar, bekleidet mit dunkelblauem Anzug; darunter weißes Hemd ohne Krawatte, sprach Sbg. Dialekt.") veranlaßte den zuerst gegen den Beschwerdeführer einschreitenden Kriminalbeamten subjektiv zur Annahme, daß der Beschwerdeführer der gesuchte Täter sei; irgendwelche weitere Indizien lagen jedoch nicht vor. Daß solche nicht gegeben waren, wird auch aus dem weiteren Vorgehen der Kriminalbeamten, nämlich der Aufhebung der Anhaltung nach Identitätsfeststellung, deutlich, im übrigen auch aus dem im hg. Verfahren B1505/88 gerichtsbekannten Umstand, daß der Beschwerdeführer des eben erwähnten Verfahrens (DDr. G G) zur selben Zeit am selben Ort zur Ausweisleistung verhalten und einer sogenannten DASTA-Anfrage unterzogen worden war.
2. In rechtlicher Hinsicht geht der Verfassungsgerichtshof aufgrund des geschilderten Sachverhaltes davon aus, daß die gegen die Festnahme als einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gerichtete Beschwerde, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig ist. Sie ist auch gerechtfertigt.
Es lag offenkundig keine der im § 4 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit bezogenen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Festnahme vor. Im besonderen bestand kein im Dienst der Strafjustiz (nach § 177 iVm § 175 StPO) wahrzunehmender Grund für eine vorläufige Verwahrung des Beschwerdeführers, weil von einem konkreten Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung (s. dazu zB VfSlg. 8439/1978 oder 10976/1986) im Hinblick auf die den intervenierenden Kriminalbeamten bekannte äußerst vage Personsbeschreibung überhaupt nicht die Rede sein kann.
Es war sohin auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch die angefochtene Amtshandlung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 1.000 S auf die Umsatzsteuer.