OGH vom 10.06.2015, 14Ns32/15i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, Dr. Lässig, Dr. Oshidari und Dr. Mann in der Strafsache gegen Miriam S***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB in dem zu AZ 1 U 28/15f des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha sowie zu AZ 3 U 42/13k und zu AZ 3 U 43/13g des Bezirksgerichts Weiz zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß §
60 Abs 1 Satz 2
OGH Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren ist vom Bezirksgericht Bruck an der Leitha zu führen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
In dem beim Bezirksgericht Weiz zum AZ 3 U 42/13k gegen Miriam S***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB geführten Strafverfahren wurde in der Hauptverhandlung am ein Diversionsverfahren (nach § 200 StPO) eingeleitet und der Angeklagten mitgeteilt, dass das Strafverfahren mit Beschluss eingestellt werde, wenn sie einen Geldbetrag zu Gunsten des Bundes (1.100 Euro in 5 Raten zu 220 Euro; darin enthalten 200 Euro an Pauschalkosten) entrichte (§ 200 Abs 4 StPO iVm § 199 StPO).
Ebenso verfuhr der Bezirksrichter in dem beim selben Gericht zu AZ 3 U 43/13g wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB gegen Erika P***** geführten Strafverfahren in der Hauptverhandlung am , in welcher der Angeklagten die Einstellung des Strafverfahrens bei Leistung eines Betrags in Höhe von 900 Euro (in 4 Monatsraten zu 225 Euro, darin enthalten 100 Euro an Pauschalkosten) zu Gunsten des Bundes und 200 Euro Schadensgutmachung an einen Privatbeteiligten in Aussicht gestellt wurde.
Zufolge nicht vollständiger Bezahlung der Geldbußen wurde jeweils am gemäß § 205 Abs 2 Z 1 StPO nicht rechtskräftig die Fortsetzung dieser beiden Strafverfahren angeordnet.
Beide Angeklagten sind seit zum Zwecke der Zustellung der Fortsetzungsbeschlüsse zur Aufenthaltsermittlung im Inland ausgeschrieben.
Mit beim Bezirksgericht Bruck an der Leitha zu AZ 1 U 28/15f am eingebrachtem Strafantrag legt die Staatsanwaltschaft Korneuburg Miriam S***** und Erika P***** ein dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB subsumiertes Verhalten zur Last, das diese im einverständlichen Zusammenwirken in G***** gesetzt haben sollen.
Das Bezirksgericht Bruck an der Leitha trat am dem Antrag des Bezirksanwalts entsprechend das Verfahren an das Bezirksgericht Weiz „zur gemeinsamen Führung mit 3 U 42/13k ( Miriam S*****) bzw 3 U 43/13g (Erika P*****) gemäß § 37 StPO“ ab (ON 1 S 4).
Unter Außerachtlassung der Verpflichtung zur Erwirkung einer Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof (§ 38 letzter Satz StPO) verfügte das Bezirksgericht Weiz am die „Rückmittlung der Akten“ an das Bezirksgericht Bruck an der Leitha „mit dem Bemerken“, dass sich die oben angeführten Verfahren „im Diversionsstadium befinden (vgl § 37 Abs 2 StPO idF BGBl I 2014/71, auch ErläutRV 181 BlgNR 25. GP 3 f)“ (ON 1 S 5).
Hierauf legte das Bezirksgericht Bruck an der Leitha den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 38 (dritter Satz) StPO vor.
Nach der auch im Verfahren vor dem Bezirksgericht geltenden ( Oshidari , WK-StPO § 37 Rz 7) Bestimmung des § 37 Abs 3 StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist (somit bei subjektiver Konnexität), die Verfahren zu verbinden, wobei sich die Zuständigkeit des Gerichts auch in diesem Fall nach § 37 Abs 1 und 2 StPO bestimmt. Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist das Hauptverfahren ibei gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen oder einer Person wegen mehrerer Straftaten vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Seit Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014 (BGBl I 2014/71) am ist § 37 Abs 1 StPO im Fall „eines vorläufigen Rücktritts von der Verfolgung“ (zur Begrifflichkeit im gerichtlichen Verfahren vgl § 209 Abs 2 StPO; Schroll , Wk StPO § 209 Rz 4) nicht anzuwenden (§ 37 Abs 2 letzter Satz StPO).
Zwar hat die genannte Gesetzesnovelle die Möglichkeit eines vorläufigen Rücktritts von den Diversionsformen der gemeinnützigen Leistungen (§ 201 Abs 1 StPO) und der Probezeit (§ 203 Abs 1 StPO) abgesehen nur für den Tatausgleich (§ 204 Abs 3 zweiter Satz StPO), nicht auch für die Geldbuße (§ 200 Abs 1 StPO) neu geschaffen. Dessen ungeachtet lassen die Gesetzesmaterialien keinen Zweifel daran, dass es die Intention des Gesetzgebers war, eine Verfahrensverbindung für jeden Fall der vorläufigen diversionellen Erledigung so auch für die Mitteilung nach § 200 Abs 4 StPO (vgl EBRV 181 BlgNR 25. GP 4 [mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die in dieser Konstellation fehlende Fortsetzungsmöglichkeit wegen neuer Delinquenz {§ 205 Abs 2 Z 3 StPO} sowie unter Bezugnahme auf die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung RIS Justiz RS0126517]) auszuschließen. Die bei der beabsichtigten gesetzlichen Klarstellung eingetretene planwidrige Lücke ist daher durch analoge Anwendung des § 37 Abs 2 letzter Satz StPO auf die Diversionsform der Geldbuße zu schließen.
Die Beschlüsse, mit denen die Strafverfahren gegen Miriam S***** und Erika P*****, AZ 3 U 42/13k und 3 U 43/13g jeweils des Bezirksgerichts Weiz, nachträglich fortgesetzt wurden, konnten den Angeklagten nach dem Vorgesagten nicht zugestellt werden und erwuchsen demnach noch nicht in Rechtskraft (vgl § 209 Abs 3 zweiter Satz StPO), womit einer Verbindung dieser Verfahren mit jenem aufgrund des beim Bezirksgericht Bruck an der Leitha zu AZ 1 U 28/15f gegen die Genannten erhobenen Strafantrags der Staatsanwaltschaft Korneuburg § 37 Abs 2 letzter Satz StPO entgegensteht und das Bezirksgericht Bruck an der Leitha für letzteres Strafverfahren zuständig ist.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0140NS00032.15I.0610.000