OGH vom 17.08.2010, 10Ob42/10i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Lucia W*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 12, 13, 23, Rößlergasse 15, 1230 Wien), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 51/10w 20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 10 PU 131/09v 14, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zu lauten hat:
„1. Dem Kind wird vom bis gemäß § 4 Z 5 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuss in der Höhe von 112,70 EUR gewährt.
2. Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien wird um die Auszahlung der Vorschüsse an die Zahlungsempfängerin ersucht.
3. Dem Unterhaltsschuldner wird aufgetragen, die Pauschalgebühr in Höhe von 56,35 EUR innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen.
4. Dem Unterhaltsschuldner wird weiters aufgetragen, alle Unterhaltsbeträge sonst hätten sie keine schuldbefreiende Wirkung an das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (als gesetzlichen Vertreter des Kindes) zu zahlen.
5. Der Jugendwohlfahrtsträger wird ersucht, die bevorschussten Unterhaltsbeträge einzutreiben und, soweit eingebracht, monatlich dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien zu überweisen.
6. Das Mehrbegehren des Kindes auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in einer weiteren Höhe von monatlich 9,40 EUR für den Zeitraum vom bis wird abgewiesen.“
Text
Begründung:
Die am geborene Minderjährige ist die Tochter von Brigitta H***** und Boban R*****. Über Antrag des Kindes erließ das Bezirksgericht Hietzing am eine einstweilige Verfügung gemäß § 382a EO, mit der der Vater ab zur Leistung vorläufiger Unterhaltsbeiträge von 122,10 EUR monatlich verpflichtet wurde (ON 2). Die einstweilige Verfügung wurde dem Vater am zugestellt und ist rechtskräftig geworden.
Mit Beschluss vom (ON 14) bewilligte das Erstgericht über entsprechenden Antrag des Kindes Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG in Höhe von 122,10 EUR monatlich für den Zeitraum vom bis .
Das Rekursgericht gab dem nur gegen die (über 112,70 EUR hinausgehende) Höhe des gewährten monatlichen Unterhaltsvorschusses gerichteten Rekurs des Bundes nicht Folge. Es schloss sich der vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 1 Ob 216/09k und 9 Ob 78/09z vertretenen Rechtsansicht an, wonach sich durch die Verdoppelung der Familienbeihilfe für September (§ 8 Abs 8 FLAG) auch der „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ iSd § 382a Abs 2 EO um ein Zwölftel erhöhe. Daraus ergäbe sich der Höchstbetrag des vorläufigen monatlichen Unterhalts nach § 4 Z 5 UVG für ein Kind im Alter von drei bis zehn Jahren mit 122,09 EUR.
Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die bereits vorliegende Judikatur nicht zulässig sei. Es änderte seinen Ausspruch über Antrag des Bundes jedoch in der Folge dahin ab, dass der Revisionsrekurs im Hinblick auf die gegenteilige jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs doch zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 5 UVG in monatlicher Höhe von lediglich 112,70 EUR.
Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.
Im Revisionsrekurs macht der Bund unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des erkennenden Senats 10 Ob 11/10f und 10 Ob 81/09y jeweils vom geltend, dass die „13. Familienbeihilfe“ (§ 8 Abs 8 FLAG) nicht anteilig in den Grundbetrag der Familienbeihilfe einzubeziehen sei.
Diese Ausführungen sind berechtigt.
1. Vorschüsse nach § 4 Z 5 UVG (in der gemäß § 37 Abs 3 UVG hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75) sind zu gewähren, wenn der Unterhaltsschuldner den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO nicht rechtzeitig voll erbringt. Vorläufiger Unterhalt gemäß § 382a Abs 1 EO kann gemäß § 382a Abs 2 EO (in der gemäß § 414 EO hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009) „höchstens bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden“.
2. Die Höhe des Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG wird durch die einstweilige Verfügung nach § 382a EO determiniert. Durch die Bezugnahme auf § 382a EO in § 4 Z 5 UVG wird aber auch klargestellt, dass jedenfalls keine über dem „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ liegenden Vorschüsse ausbezahlt werden können. Um die höhenmäßige Beschränkung effektiv werden zu lassen, ist sie im Vorschussverfahren von Amts wegen zu beachten, wenn die einstweilige Verfügung unrichtigerweise auf einen höheren Betrag lautet.
3. Dass diese Grundsätze für die Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG maßgebend sind, hat der zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs erst jüngst (10 Ob 81/09y und 10 Ob 11/10f jeweils vom sowie 10 Ob 20/10d vom ) unter Ablehnung der gegenteiligen Judikatur 1 Ob 216/09k, 9 Ob 78/09z und 1 Ob 248/09s ausdrücklich ausgesprochen. Der erkennende Senat hat auch ausführlich begründet, weshalb die Wortfolge „bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe“ in § 382a EO (in der bis geltenden Fassung) so zu verstehen ist, dass darunter nur die in § 8 Abs 2 FLAG genannten, altersabhängigen Beträge zu verstehen sind, und die mit dem Bundesgesetz BGBl I 2008/31 eingeführte „13. Familienbeihilfe“ (§ 8 Abs 8 FLAG) nicht anteilig in den „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ einzubeziehen ist. Dieser Auffassung des erkennenden Senats hat sich mittlerweile auch der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs in seiner Entscheidung 6 Ob 53/10b vom angeschlossen und ebenfalls darauf hingewiesen, dass auch der historische Gesetzgeber des FLAG unter dem „Grundbetrag“ lediglich den Basissatz der Familienbeihilfe meinte und auch die Neufassung des § 382a Abs 2 EO durch das FamRÄG 2009 für diese Auslegung spricht. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen.
Es war somit in Stattgebung des Revisionsrekurses des Bundes spruchgemäß zu entscheiden.