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VfGH vom 23.06.2005, B1478/03

VfGH vom 23.06.2005, B1478/03

Sammlungsnummer

17598

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einem Tribunal bei Bestätigung des Widerrufs einer Auftragsvergabe;

keine Bedenken gegen die gesetzliche Regelung über mündliche Verhandlungen im Oberösterreichischen Vergabenachprüfungsgesetz;

Abweichen von allgemeiner Regelung gerechtfertigt; kein offenkundiger Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht; nähere Klärung des Sachverhalts in einer mündlichen Verhandlung jedoch im konkreten Fall aufgrund neuer Widerrufsgründe geboten

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einem Tribunal (Art6 Abs 1 EMRK) verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Gemeinde Traun schrieb als öffentliche Auftraggeberin

u. a. einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich betreffend die Errichtung einer außenseitigen Glasfassade im Zusammenhang mit der Erweiterung des Kinderhortes St. Dionysen/Traun im offenen Verfahren aus.

Mit Telefax vom teilte die Auftraggeberin der Beschwerdeführerin, die sich als eine von zwei Gesellschaften als Bieterin am Vergabeverfahren beteiligt und - ihrem Beschwerdevorbringen zufolge - den Bestpreis angeboten hatte, den Widerruf der Ausschreibung mit. Begründet wurde dies folgendermaßen:

"Die oa. Ausschreibung wird lt. § 105 des Bundesvergabegesetzes auf Grund von konstruktiven und preisrelevanten Veränderungen im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung und der daraus resultierenden nicht eindeutig möglichen Ermittlung eines Bestbieters widerrufen."

Im Zuge der Akteneinsicht durch Vertreter der Beschwerdeführerin wurde diesen von Vertretern der Auftraggeberin am nochmals der Widerrufsgrund dargelegt und - gemäß einer Niederschrift des von der Auftraggeberin mit der Angebotsprüfung beauftragten und bei der Begegnung anwesenden Architekten - mitgeteilt, dass die im Zuge der vertieften Angebotsprüfung und erforderlichen Aufklärungsgespräche beide Bieter gegenüber den ursprünglichen Angeboten konstruktive und zum Teil preisrelevante Veränderungen vorgenommen hätten und es nicht auszuschließen sei, dass es sich dabei um spekulative Veränderungen handle, so dass ein Bestbieter nicht eindeutig zu ermitteln sei und ein schwerwiegender, den Widerruf sachlich rechtfertigender Grund gegeben sei.

2. Mit dem beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) eingebrachten Schriftsatz vom begehrte die Beschwerdeführerin u.a. die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes der Ausschreibung gemäß § 2 Abs 5 des Oberösterreichischen Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr. 153/2002 (im Folgenden: Oö. VergNPG), beantragt. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass - entgegen der Auffassung der Auftraggeberin - eine Bestbieterermittlung bereits auf Grund der vorgelegten Angebote möglich gewesen wäre, weil ihr Angebot vollständig, ausschreibungskonform und billiger als das Angebot der Mitbieterin gewesen sei. Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung habe die Beschwerdeführerin auch keine Angebotsänderungen vorgenommen, sondern lediglich Auskünfte iSd § 94 des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002 (im Folgenden: BVergG), erteilt; dagegen sei die ihrer Mitbieterin eingeräumte Möglichkeit zur Abänderung des Angebotes vergaberechtswidrig und unbeachtlich gewesen. Da somit die in der Widerrufserklärung angeführten Gründe nicht zuträfen, liege ein Grund zum Widerruf iSd § 105 BVergG nicht vor.

Die Beschwerdeführerin bot mehrere Beweismittel, u.a. die Parteienvernehmung, an und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

3. In ihrer Äußerung zum Nachprüfungsantrag wendete die Auftraggeberin ein, dass das Angebot der Beschwerdeführerin in mehreren Punkten, die sie ausführlich darlegte, nicht der Ausschreibung entsprochen habe; trotz der eingeräumten Verbesserungsmöglichkeiten habe die Beschwerdeführerin keine ausschreibungskonforme Leistung angeboten, ihre Angaben wiederholt verändert und schrittweise nachgebessert, sodass sich der Verdacht einer spekulativen Vorgangsweise aufgedrängt habe. Das Vorbringen, dass die Mitbieterin zu Angebotsänderungen aufgefordert wurde, sei unzutreffend: Es habe keine Verhandlungen mit der Mitbieterin gegeben. Außerdem sei der Widerruf insofern rechtmäßig, als die beiden Angebote einen unvorhersehbarer Weise unterschiedlichen Qualitätsstandard aufwiesen und andererseits sich im Zuge der Angebotsprüfung zuvor nicht bekannte Einsparungsmöglichkeiten herausgestellt hätten.

4. Zwei Tage nach Zustellung der Äußerung replizierte die Beschwerdeführerin ebenso ausführlich auf die in der Äußerung der Auftraggeberin bemängelten Punkte und brachte abschließend vor, dass bei Erfüllung der geforderten Qualitätskriterien ein Widerruf im Billigstbieterverfahren auf Grund von Qualitätsunterschieden unzulässig sei sowie dass "ein mögliches Einsparungspotenzial" ebenso wenig zum Widerruf einer Ausschreibung berechtige.

Schließlich behielt sich die Beschwerdeführerin vor, ihre Ausführungen zur Äußerung der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung zu ergänzen, und verwies darauf, dass der Auftraggeberin zur Erstattung ihrer Äußerung eine Frist von zwei Wochen gegeben worden sei.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der UVS den Antrag als unbegründet ab und führte aus, dass sich bereits aus der Einsichtnahme in den Akt der Auftraggeberin der entscheidungswesentliche Sachverhalt habe klären lassen, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gemäß § 12 Abs 2 Z 3 Oö. VergNPG abgesehen habe werden können. Nach Wiedergabe des § 105 BVergG begründete der UVS seine Entscheidung folgendermaßen:

"Auf Grund des im Akt der Auftraggeberin erliegenden Prüfberichtes des von ihr mit der Ausschreibung und Durchführung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens beauftragten Architekten vom ergibt sich zum einen, dass aus Einsparungsgründen 'die Pos. 92.01.90.3 - Rundfenster und die Pos. 92.01.90.04 - Fensterleibungsverkleidungen' zu entfallen haben; zum anderen hat die

Beschwerdeführerin 'als Fassadenverkleidung ... entgegen der

Ausschreibung eine hinterlüftete Pfosten-Riegel-Konstruktion' (mit einem bloß um 0,1 W/m²K ungünstigeren Wärmedurchgangskoeffizienten) verwendet, die bei gleichartiger Konstruktionsweise bei ihrer Mitkonkurrentin in Teilbereichen - nämlich der Fassadenverkleidung (Auftragswert im Mittel: ca. 60.000 Euro) zu einer weiteren Preisreduktion von 20% (= ca. 12.000 Euro) und damit insgesamt zu einem um ca. 6.000 Euro günstigeren Angebot (Gesamtauftragssumme: 187.168 Euro [gegenüber 193.095 Euro bei der Beschwerdeführerin]) führe.

Mit Schreiben vom teilte ein von der Auftraggeberin ersuchtes Metallbauunternehmen - weil einem solchen lt. Ausschreibungsunterlage die Regie über die Gesamtfertigung zukommen soll - mit, dass ein Vergleich des der Ausschreibung zu Grunde liegenden Fassadensystems 'SG50N' (vgl. Pos. 92.04.10.0 der Ausschreibungsunterlage vom , Version 11, 2002-09; sog. 'Structural Glazing') mit jenem des Systems 'FW50+' (sog. 'Pfosten-Riegel-Konstruktion') ergebe, dass letzteres sowohl hinsichtlich der Materialkosten als auch in Bezug auf Fertigung und Montage preislich günstiger sei, was seiner Einschätzung nach zu einer Preisreduktion zwischen 17% und 22% führen müsse.

Daraus geht aber insgesamt unzweifelhaft hervor, dass die Auftraggeberin die gegenständlichen Fassadenbauarbeiten nicht nach dem Structural-Glazing-System, sondern nach der Pfosten-Riegel-Bauweise und damit wesentlich anders ausgeschrieben hätte, wenn ihr zuvor bekannt gewesen wäre, dass nach letzterer Methode bei nahezu gleichem Wärmedurchgangskoeffizienten immerhin hinsichtlich eines Drittels des Gesamtauftragsvolumens ein um ca. 20% niedrigerer Angebotspreis zu erzielen ist.

Bei dieser Sachlage war aber die Auftraggeberin schon gemäß § 105 Abs 1 BVergG nicht nur berechtigt, sondern im Wege einer Rechtsentscheidung (arg. 'ist') sogar dazu verpflichtet, die Ausschreibung zu widerrufen.

Die vorliegende Beschwerde war daher im Ergebnis - wenn auch nicht aus dem von der Auftraggeberin in ihrem Schreiben vom mitgeteilten (s.o., 1.2.), so doch - schon aus diesem Grund gemäß § 13 OöVergNPG i.V.m. § 66 Abs 4 AVG als unberechtigt abzuweisen, ohne dass es noch einer weitergehenden Prüfung dahin bedurfte, ob die Auftraggeberin im Zuge des Widerrufes der Ausschreibung auch das ihr nach § 105 Abs 2 Z. 3 BVergG zukommende Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat."

II. 1. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nach Art 144 B-VG wird die Verletzung von Art 6 EMRK, des Gleichheitsgrundsatzes, des rechtsstaatlichen Prinzips sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Bescheidaufhebung begehrt.

Eine Verletzung von Art 6 EMRK erblickt die Beschwerdeführerin einerseits darin, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung auf Grund der unrichtigen Anwendung des § 12 Oö. VergNPG unterlassen worden sei. Andererseits habe die Beschwerdeführerin keine ausreichende Vorbereitungszeit zu einer Gegenäußerung zur Stellungnahme der Auftraggeberin und damit keine Möglichkeit einer effektiven Rechtsvertretung im Verfahren vor der belangten Behörde gehabt, woraus auch die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Art 18 B-VG resultiere. § 12 Oö. VergNPG, der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung regelt, verstoße zum einen gegen die RL 89/665/EWG und zum anderen gegen Art 6 EMRK, weshalb diese Bestimmung gemeinschafts- und verfassungswidrig sei. Ferner wird die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 234 EGV sowie eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich § 12 Oö. VergNPG angeregt.

2. Der UVS legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung bzw. Ablehnung der Beschwerde(behandlung) beantragt und dem Beschwerdevorbringen entgegengetreten wird. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung meint die belangte Behörde, § 12 Abs 2 Oö. VergNPG stelle zu § 67d Abs 1 und 2 AVG eine lex specialis dar, die insofern sachlich gerechtfertigt sei, als in Fällen, in denen die behauptete Rechtswidrigkeit offensichtlich nicht vorliege, ein absoluter "Zwang" zur öffentlichen Verhandlung dem Interesse des Auftraggebers an einer möglichst raschen Entscheidung über den Nachprüfungsantrag diametral zuwider liefe. Der EGMR habe bei der Frage des Erfordernisses einer mündlichen Verhandlung wiederholt die Effizienz und Wirtschaftlichkeit staatlicher Organe ins Kalkül gezogen.

3. Die Auftraggeberin erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie den Beschwerdeausführungen ebenfalls entgegentritt.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die von der belangten Behörde im Hinblick auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung angewendete Vorschrift des § 12 Oö. VergNPG (LGBl. Nr. 153/2002) lautet:

"§12

Mündliche Verhandlung

(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Antrag, oder, wenn er dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn


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1.
der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen ist, oder
2.
bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass die bekämpfte Entscheidung für nichtig oder rechtwidrig zu erklären ist, oder
3.
Anträge gemäß § 10 Abs 1 ohne weiteres Verfahren abzuweisen sind.

(3) Im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist keine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(4) Der Antragsteller bzw. die Antragstellerin hat die Durchführung einer Verhandlung im Nachprüfungsantrag zu beantragen. Dem Auftraggeber bzw. der Auftraggeberin sowie etwaigen Antragsgegnern bzw. Antragsgegnerinnen ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, eine Woche nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt und dem nicht Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht."

Der in § 12 Abs 2 Z 3 genannte § 10 Abs 1 Oö. VergNPG lautet:

"§10

Behandlung von Anträgen

(1) Anträge, deren Inhalt bereits erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung oder der behauptete Schaden offensichtlich nicht vorliegt oder die behauptete Rechtswidrigkeit offensichtlich keinen Einfluss auf das weitere Vergabeverfahren hatte oder hat, sind ohne weiteres Verfahren abzuweisen."

Die eine Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung in den Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten regelnde Bestimmung des § 67d AVG, BGBl. Nr. 51/1991 (WV) idF BGBl. I Nr. 137/2001, lautet:

"§67d. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Antrag oder, wenn er dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn


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1.
der verfahrenseinleitende Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2.
der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3.
die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist.

(3) Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht."

2. Die Bestimmung des § 12 Oö. VergNPG weicht von der entsprechenden Regelung des AVG ab; dagegen bestehen jedoch an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

Vergabeverfahren weichen in mehrfacher Hinsicht von jenen Verfahren ab, die ein UVS üblicherweise durchzuführen hat. Im Vergabekontrollverfahren wird nicht die Rechtmäßigkeit eines Aktes einer anderen Behörde - meist auf Grund eines von dieser bereits ermittelten Sachverhalts - nachgeprüft, sondern der UVS hat auf Grund eines Nachprüfungsantrags zu ermitteln, welche privatwirtschaftlichen Schritte seinem Verfahren vorangingen und ob diese dem Gesetz entsprachen. Ferner können Vergabekontrollbehörden einstweilige Verfügungen erlassen.

Allein diese Besonderheiten erfordern Anpassungen gegenüber der Regelung des AVG über die mündliche Verhandlung (s. § 67d AVG) in den Gesetzen über das Vergabekontrollverfahren, zu deren Erlassung in Fällen des Art 14b Abs 2 Z 2 B-VG der Landesgesetzgeber gemäß Art 14b Abs 3 B-VG zuständig ist. Die Regelung des § 12 Abs 2 Z 3 Oö. VergNPG geht daher nicht über die von der Verfassung vorgegebenen Grenzen hinaus und ist nicht verfassungswidrig, wenn man in Betracht zieht, dass sie im Lichte des Art 6 EMRK verfassungskonform anzuwenden ist (siehe dazu unten 5.).

3. Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art 6 EMRK verletzt worden zu sein, weil trotz ihres diesbezüglichen Antrages keine mündliche Verhandlung anberaumt worden war und weil § 12 des Oö. VergNPG gemeinschaftsrechtswidrig und verfassungswidrig sei.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) hat in seiner Judikatur wiederholt ausgesprochen, dass in einem den Anforderungen des Art 6 EMRK unterliegenden Verfahren vor einem in erster und letzter Instanz entscheidenden Gericht das Recht auf eine "öffentliche Anhörung" ein Recht auf eine mündliche Verhandlung zur Folge hat, es sei denn, dass besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen (vgl. EGMR , ÖJZ 1998, 935 - Allan Jacobsson gegen Schweden; , ÖJZ 2004, 477 - Alge gegen Österreich mwH).

Solche besonderen Umstände können unter anderem darin bestehen, dass der Sachverhalt unbestritten ist und ein Tribunal nur aufgerufen ist, über Rechtsfragen von nicht besonderer Komplexität zu entscheiden (EGMR , ÖJZ 2003, 117 - Speil gegen Österreich; , ÖJZ 2004, 437 - Faugel gegen Österreich; , 54645/00 - Osinger gegen Österreich mwN).

Weiters kann von einer Verhandlung abgesehen werden, wenn eine Partei unmissverständlich darauf verzichtet und wenn keine Fragen von öffentlichem Interesse eine Verhandlung notwendig machen (EGMR , ÖJZ 2004, 437 - Faugel gegen Österreich; , ÖJZ 2003, 114 - Petersen gegen Deutschland).

4. Zur Beschwerdebehauptung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 12 Abs 2 Z 3 Oö. VergNPG genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach ein allfälliger Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht nur im Falle seiner Offenkundigkeit im verfassungsgerichtlichen Verfahren aufzugreifen ist und ansonsten dessen Wahrnehmung dem Verwaltungsgerichtshof obliegt (VfSlg. 14.886/1997, 15.427/1999, 15.583/1999 und zuletzt ).

5. Aber auch die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs 2 Z 3 Oö. VergNPG aus Gründen des Art 6 EMRK trifft nicht zu, da diese Bestimmung nicht zwingend den Entfall der Verhandlung anordnet:

Vielmehr kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits der Inhalt des Antrages erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung oder der behauptete Schaden offensichtlich nicht vorliegt oder die behauptete Rechtswidrigkeit offensichtlich keinen Einfluss auf das Vergabeverfahren hatte. Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Bestimmung dahingehend, dass der UVS auch in den Fällen des § 12 Abs 2 Z 3 Oö. VergNPG eine Verhandlung durchzuführen hat, soweit dies Art 6 EMRK erfordert, ist auch durch die Zusammenschau mit Abs 5 des § 12 Oö. VergNPG geboten (vgl. die verfassungsgerichtliche Judikatur zu § 39 Abs 2 AVG, wie zB. VfSlg. 16.402/2001 sowie 16.704/2002).

6. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen, obwohl die Beschwerdeführerin eine Verhandlung ausdrücklich beantragt hat. Die Auffassung der belangten Behörde, eine Verhandlung sei entbehrlich, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus dem Akteninhalt ergeben habe, vermag die Unterlassung der Verhandlung aus folgenden Gründen nicht zu rechtfertigen:

Die Entscheidung der belangten Behörde bestätigt die Rechtmäßigkeit des Widerrufes der Auftraggeberin, indem sie davon ausgeht, dass die Auftraggeberin die Fassadenbauarbeiten nicht nach dem "Structural-Glazing-System", sondern nach der "Pfosten-Riegel-Bauweise" ausgeschrieben hätte, wenn sie rechtzeitig vom Einsparungspotenzial der letzteren Methode Kenntnis gehabt hätte.

Damit stützt sich die belangte Behörde jedoch auf einen Sachverhalt, der von der Auftraggeberin zunächst gar nicht als Widerrufsgrund angeführt, sondern erst in ihrer Äußerung vorgebracht worden war und sich auch nicht offensichtlich aus dem Akteninhalt ergibt, sondern einer näheren Klärung bedurft hätte. Zu bedenken ist dabei, dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall in erster und einziger Instanz entscheidet und sich somit nicht auf ein umfangreiches Ermittlungsverfahren einer unterinstanzlichen Behörde stützen konnte. Ferner hat die Beschwerdeführerin, die auch in ihrer Replik noch den Antrag auf Durchführung einer Verhandlung aufrecht hielt und auf eine dort erstattete Ergänzung ihres Vorbringens drang, den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt nicht außer Streit gestellt. Die belangte Behörde konnte daher nicht von unstrittigen Tatsachen ausgehen, die den Entfall der mündlichen Verhandlung hätte rechtfertigen können.

Die Beschwerdeführerin wurde somit durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einem Tribunal nach Art 6 Abs 1 EMRK verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag sind die Gebühr nach § 17a VfGG in Höhe von € 180,-- sowie USt in Höhe von € 327,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.