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OGH vom 23.05.1991, 8Ob621/90

OGH vom 23.05.1991, 8Ob621/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lia S*****, vertreten durch Dr.Ernst und Günther Hagen, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Karl S*****, vertreten durch Dr.Georg Mandl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterhaltserhöhung (Streitwert S 90.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom , GZ 1a R 180/90-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom , GZ 2 C 74/88m-24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen

Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde im Jahre 1982 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden; dem Beklagten wurde die Zahlung von Unterhalt an die Klägerin, zuletzt in der Höhe von monatlich S 1.500, gerichtlich auferlegt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin mit der Behauptung einer zwischenzeitigen Änderung der Verhältnisse ab einen erhöhten Unterhalt von monatlich S 4.000.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil er für seine nunmehrige Ehefrau teilweise sorgepflichtig und die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen ohnehin arbeitsfähig sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Seinem Urteil liegen die folgenden - vom Berufungsgericht

zusammengefaßten - Feststellungen zugrunde:

Die Klägerin ist Hausfrau, sie wohnt mit den drei inzwischen selbsterhaltungsfähigen und berufstätigen Kindern in der vormaligen Ehewohnung und bekommt von den Kindern für die Haushaltsführung monatlich insgesamt S 5.500. Sie bezieht Sozialhilfe in der Höhe von monatlich S 2.050; im Mai und Oktober 1989 erhielt sie zusätzliche Sonderzahlungen in der Höhe von je S 1.775 und es kam ihr 1989 auch eine einmalige Sozialhilfeleistung in der Höhe von S 3.310 zu. Die Klägerin ist eine depressive Persönlichkeit, die auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur und Lebenssituation (insbesondere nach der Scheidung) zu verzagten, klagsamen und hypochondrischen Verarbeitungen neigt. Ihre Beschwerden sind psychogen-funktioneller Natur und sie leidet an einer Persönlichkeitsstörung im Sinne einer neurotischen Depression, einem depressiven Erschöpfungszustand mit Somatisierungstendenzen sowie einem Zustand nach Karpaltunnel-Operation rechts und einer chronisch-rezidivierenden Lumbo-Ischialgie ohne funktioneller Ausfälle. Unter "sehr einschränkenden Bedingungen" ist sie prinzipiell arbeitsfähig, kann jedoch wegen ihrer psychischen Situation keine Akkord- und Schichtarbeiten verrichten. Sie ist nur zu einfachen geistigen Tätigkeiten und, aus neurologischer Sicht, zumindest zu leichter körperlicher Arbeit mit einem normalen Stundenarbeitstag in geschlossenen Räumen in allen Körperhaltungen - die allerdings gewechselt werden sollten - in der Lage. In den letzten Jahren ist sie in einen zunehmenden Erschöpfungszustand geraten, sodaß eine Überlastungsdepression vorliegt. Wegen des beidseitigen Karpaltunnelsyndroms wurde bereits eine Operation rechts durchgeführt. Die Funktion der Hände und Finger ist im wesentlichen intakt, sodaß sie zumindest leichte Arbeiten ausführen kann. In einem normalen Arbeitsverhältnis kann die Klägerin folgende Tätigkeiten verrichten: leichte Arbeiten, fallweise (etwa für ein Viertel der gesamten Tagesarbeitszeit) auch mittelschwere Tätigkeiten, Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen, wobei sie in einer fixen Haltung nicht länger als 15 Minuten verweilen kann, danach soll sie für etwa 10 Minuten eine andere Haltung einnehmen können. Wenn sie 15 Minuten ununterbrochen steht, sollte sie danach 10 Minuten Gehen oder Sitzen können. Wegen des Karpaltunnelsyndroms sollte sie nur in geschlossenen Räumen arbeiten und ständige Kälte und Nässeeinwirkungen vermeiden. Einen normalen 8-Stunden-Arbeitstag kann die Klägerin ohne längere als die üblichen Unterbrechungen bewältigen. Eine deutliche Besserung ihres Zustandes könnte die Klägerin durch konsequente physikotherapeutische und nervenfachärztliche Behandlung erreichen. Am mußte sie sich einer Unterleibsoperation unterziehen. Sie muß auch verschiedene Medikamente einnehmen. Vom bis bezog sie - mit Krankenstandsunterbrechungen - Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe. Damals wurden beim Arbeitsamt bereits ihre gesundheitlichen Probleme zur Sprache gebracht. Am kam es zur Einstellung der Notstandshilfe. Seither hat sich die Klägerin nicht mehr beim Arbeitsamt gemeldet und ist auch nicht als arbeitssuchend vorgemerkt. Auf Grund der Arbeitsmarktsituation wäre es derzeit sehr schwierig, die Klägerin auf einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Am ehesten wäre eine Beschäftigung in einem Gasthaus möglich. In diesem Bereich findet das Hauptgeschäft an Wochenenden und am Abend statt. Eine solche Wochenend- und Abendarbeit wäre wegen ihrer psychischen Konstitution nicht zumutbar. Trotz der unter den angeführten Umständen grundsätzlich gegebenen Arbeitsfähigkeit ist eine tatsächliche Vermittlung der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt äußerst schwierig, wenn nicht geradezu ausgeschlossen.

Der Beklagte ist Hausbesorger und bezog im Jahre 1988 ein Durchschnittseinkommen von monatlich S 12.778,06. Wegen Konkurses seines Arbeitgebers wurde er gekündigt. Seit ist er wiederum als Hausbesorger gegen ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich S 11.564 einschließlich Sonderzahlungen beschäftigt. Bis November 1989 hatte er für den Sohn H***** und für die Tochter M***** Unterhalt von monatlich S 2.000 zu leisten, von November 1988 an war er nur mehr für M***** mit monatlich S 2.000 unterhaltspflichtig, doch bestand auch diese Unterhaltsverpflichtung bei Schluß der Verhandlung erster Instanz am nicht mehr; der Beklagte hat also nur noch für die Klägerin monatlich S 1.500 an Unterhalt zu leisten. Seit ist er wieder verheiratet; seine Ehefrau arbeitet als teilzeitbeschäftigte Kellnerin in L***** und erzielt ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von ca S 5.300. Für die Ehewohnung mußte der Beklagte einen Mietzins von S 3.500 monatlich aufwenden. Ende Jänner 1990 hat er die Mietwohnung verloren; er hat deshalb gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung gekauft. Hiefür leistet er monatliche Rückzahlungen in Höhe von S 4.877; die monatlichen Betriebskosten betragen S 850.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, eine Unterhaltserhöhung sei bereits auf Grund mangelnder Leistungsfähigkeit des Beklagten ausgeschlossen. Seinem Einkommen von S 11.564 stehe ein solches der Klägerin von S 7.550 gegenüber. Bei ihrem Unterhaltsanspruch im Umfange von etwa 40 % der beiderseitigen Einkommen sei die begehrte Unterhaltserhöhung nicht gerechtfertigt. Auf die Frage der Arbeitsfähigkeit der Klägerin und ihrer Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt sei daher nicht einzugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise statt: es sprach ihr ab einen monatlichen Unterhaltsbetrag von insgesamt S 3.000 und ab einen solchen von monatlich S 4.000 zu, wies das Mehrbegehren ab und erklärte die Revisio für zulässig.

Nach Darstellung der zur Frage der Anrechenbarkeit von Sozialhilfeleistungen auf den Unterhaltsanspruch ergangenen Rechtsprechung meinte das Berufungsgericht, daß dieser Frage keine Bedeutung zukomme, weil der begehrte Unterhaltsanspruch selbst unter Bedachtnahme auf diese Sozialhilfeleistungen gerechtfertigt sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes könnten nämlich die von den drei mit der Klägerin im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern zu den Kosten der Haushaltsführung geleisteten finanziellen Beiträge nicht als Einkommen der Klägerin gewertet werden, denn sie stellten keine finanzielle Unterstützung der Klägerin, sondern - im Sinne eines Kostgeldes - Entgelt für die anteiligen Kosten der Haushaltsführung dar. Die Zahlungen der Kinder in der Höhe von je S 2.000 monatlich bzw S 1.500 bewegten sich einer Größenordnung, die allenfalls eine Deckung der anteiligen Kosten ergebe, nicht jedoch eine Entlohnung der Haushaltsführung der Klägerin bedeuteten. Im Hinblick auf die familiären Bindungen sei von der Klägerin auch nicht zu verlangen, daß sie von ihren Kindern eine Abgeltung der für sie erbrachten Haushaltsführung fordere. Die Kostgeldbeiträge der Kinder hätten daher bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze außer Betracht zu bleiben. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei der 53jährigen Klägerin nicht zumutbar. Im Hinblick auf ihre mehrfachen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei eine zumutbare Wiedereingliederung ausgeschlossen, zumal sie auch seit vielen Jahren nicht mehr im Berufsleben gestanden sei. Berücksichtige man, daß sie bei Arbeitsverrichtungen in Intervallen von jeweils ca 15 Minunten ihre Körperhaltung für die Dauer von 10 Minuten verändern sollte und daß für sie nur leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in Betracht kämen, sowie weiters, daß bei ihr auf Grund des Karpaltunnelsyndroms auch eine gewisse Einschränkung in bezug auf manuelle Arbeiten gegeben sei, so erscheine im Hinblick auf ihr Lebensalter bei realistischer Betrachtung die Chance auf die Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes derart gering, daß ihre Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen werden könne. Darüberhinaus könne von der Klägerin auch bei Berücksichtigung ihrer gesamten Lebenssituation nicht mehr verlangt werden, sich um eine Wiedereingliederung in die Berufswelt zu bemühen; immerhin lägen bei ihr gesundheitliche Beschwerden vor, die bereits im früheren Unterhaltsverfahren zur Annahme einer - damals auch vom Beklagten nicht angefochtenen - Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. Hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsergänzungsanspruches sei zugrundezulegen, daß eine Unterhaltspflicht des Beklagten für seine nunmehrige Ehegattin nicht bestehe, da letztere ein eigenes Erwerbseinkommen erziele, das sie in die Lage versetze, ihre Lebensbedürfnisse ohne Unterstützung durch den Beklagten zu decken. Darüberhinaus sei zu berücksichtigen, daß der Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes bis einschließlich Oktober 1988 Unterhaltsleistungen für die Klägerin und die Kinder H***** und M***** im Gesamtbetrag von S 5.5000 erbracht habe, sodaß ihm nach Abzug dieser Unterhaltsleistungen von seinem damaligen Einkommen von S 12.778 ein Betrag von S 7.278 verblieben sei. Ab November 1988 sei die Unterhaltspflicht für den Sohn H***** in der Höhe von monatlich S 2.000 weggefallen, jedoch sei die Verminderung des Arbeitseinkommens ab April 1989 um rund S 1.200 ebenfalls zu berücksichtigen. Es erscheine daher ab November 1988 eine Erhöhung des Unterhaltes der Klägerin auf S 3.000 gerechtfertigt. Ab November 1989 sei die Unterhaltspflicht des Beklagten auch für die Tochter M***** in Wegfall geraten, sodaß sich im Hinblick auf sein Einkommen von monatlich S 11.564 die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages für die Klägerin auf den von ihr begehrten Betrag von S 4.000 als angemessen erweise. Dieser Betrag stelle weniger als 35 % des Nettoeinkommens des Beklagten dar und entspreche der Höhe nach in etwa jenem, den die Rechtsprechung bei vergleichbaren Verhältnissen als Unterhaltsbeitrag anerkenne. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß sich aus der vom Beklagten mit seinem Verfahrenshilfeantrag vorgelegten Gehaltsbarechnung für den Monat Februar 1990 unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen eine dem früheren Einkommen des Beklagten bei der Fa. L***** entsprechende Unterhaltsbemssungsgrundlage ergebe.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, in Abänderung der Entscheidung das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, es seien die von der Klägerin bezogenen Sozialhilfeleistungen von monatlich S 2.605 im Sinne der Entscheidungen EFSlg 55.955 und RZ 1990/24 bei der Berechnung des Unterhaltsanspruches voll und die von ihren Kindern an Wohnungs- und Kostgeld bezahlten Beträge von monatlich insgesamt S 5.500 im Sinne der Entscheidung EFSlg 50.209 zumindest teilweise als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. Im übrigen handelt es sich bei den Beiträgen ihrer Kinder um Entgelt für ihre Dienstleistungen, welchem keine tatsächlichen Ausgaben der Klägerin - wie Verpflegung, erhöhter Strom- und Waschmittelverbrauch usw - gegenüberstünden; sie hätte den Mietzins für die Wohnung jedenfalls zu bezahlen. Davon abgesehen, sei der Klägerin entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes auch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zumutbar, doch habe sie sich darum gar nicht mehr bemüht. Schließlich sei bei der berufungsgerichtlichen Berechnung des Unterhaltserhöhungsbetrages nicht bedacht worden, daß der Beklagte seit April 1989 ein um S 1.200 vermindertes Einkommen habe, wogegen er S 1.500 mehr an Unterhalt für die Klägerin zahlen solle. Nach den im einzelnen dargestellten Berechnungen ergebe sich somit in keinem Falle ein höherer Unterhaltsanspruch der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die hier entscheidungswesentlichen, von der Rechtsprechung uneinheitlich beantworteten oder nicht hinlänglich geklärten Rechtsfragen zulässig und aus den nachstehenden Gründen im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch gerechtfertigt.

Die Frage der Zumutbarkeit und tatsächlichen Möglichkeit der Aufnahme einer eigenen beruflichen Erwerbstätigkeit durch die am ***** geborene und somit im 55. Lebensjahr stehende Klägerin stellt sich als eine solche des Einzelfalles dar und ist daher nicht von der im § 502 Abs 1 ZPO vorausgesetzten Bedeutung.

In der Frage, ob die Klägerin von ihren drei Kindern ein monatliches Entgelt von S 5.500 "für die Haushaltsführung", wie das Erstgericht annahm, erhält, das bei der Unterhaltsfestsetzung als Eigeneinkommen zu berücksichtigen ist, legte das Berufungsgericht die unbekämpften erstgerichtlichen Feststellungen dahin aus, daß es sich bei diesem Geld um von den Kindern "zu den Kosten der Haushaltsführung" geleistete finanzielle Beiträge im Sinne eines "Kostgeldes" handle, sodaß hierin kein als Eigeneinkommen der Klägerin zu wertendes Entgelt liege.

Der berufungsgerichtlichen Ansicht, daß an die Klägerin geleistetes "Kostgeld", mit dem nur die anteiligen Kosten der Verpflegung jedes Kindes und der gemeinsamen Haushaltsführung abgedeckt werden ("Wirtschaftsgeld"), kein bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigendes Eigeneinkommen der Klägerin darstellt, ist grundsätzlich beizupflichten. Von den Kindern solcherart auch mitgetragene Wohnungskosten würden allerdings die eigenen Wohnungskosten der Klägerin vermindern, worauf bei der Unterhaltsfestsetzung grundsätzlich Bedacht zu nehmen wäre. Handelte es sich bei der Zahlung des Betrages von monatlich S 5.500 durch die Kinder an die Klägerin um ein vereinbartes echtes Entgelt für ihre Dienstleistung der Haushaltsführung, so läge hierin ein bei der Unterhaltsfestsetzung anzurechnendes Eigeneinkommen der Klägerin.

Das Erstgericht traf seine Feststellung (Seite 6 des Urteils):

"Da die drei Kinder mittlerweile selbsterhaltungsfähig und arbeitstätig sind, aber noch bei der Mutter wohnen, erhält die Klägerin dafür, daß sie den Haushalt für die Kinder besorgt, von U***** und H***** je S 2.000 und von M***** S 1.500 monatlich", ausschließlich "auf Grund der glaubwürdigen Aussage der Klägerin" in ihrer Parteienvernehmung (Seite 10 des Urteiles): "alle drei Kinder (leben) noch in unserem bzw meinem gemeinsamen Haushalt ... Die beiden älteren Kinder H***** und U***** geben je S 2.000 dafür bei mir ab. M***** gibt mir monatlich S 1.500. Dies ist der Beitrag der Kinder als Gegenleistung für den Umstand, daß ich für die Kinder koche, wasche, den Haushalt besorge usw".

In der Revision führt der Beklagte unter Hinweis auf diese eigenen Angaben der Klägerin und die erstgerichtliche Feststellung und rechtliche Beurteilung aus, es handle sich um von den Kindern der Klägerin gezahltes, "auf ihren Unterhaltsanspruch anzurechnendes Entgelt für ihre Dienstleistungen" und bekämpft den gegenteiligen berufungsgerichtlichen Standpunkt als rechtsirrig.

Aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut der Erklärungen der Klägerin und der unbekämpft gebliebenen diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen geht nach Ansicht des erkennenden Senates nicht mit der für eine zweifelsfreie Beurteilung erforderlichen Klarheit hervor, ob die monatlichen Zahlungen der Kinder der Streitteile an die Klägerin lediglich "Kostgeld" im Sinne ihrer anteiligen Beteiligung an den tatsächlichen Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung oder ganz oder teilweise ausdrücklich oder stillschweigend vereinbartes Entgelt für die Dienstleistung der Haushaltsführung durch die Klägerin darstellen. Diese Frage bedarf daher noch einer genauen Klärung. Im Zweifel kann dabei ein teilweise die tatsächlichen Kostenanteile der einzelnen Haushaltsmitglieder überschreitender Haushaltsbeitrag nicht als zur Entlastung des Unterhaltsverpflichteten geleistetes Entgelt gewertet werden. Auf die Frage, inwieweit sich das gegebenenfalls auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin anrechenbare Eigeneinkommen auf die konkrete Unterhaltsbemessung auswirkt, ist im Rahmen dieser Grundsatzrevision nicht einzugehen. Den die Frage ein an die Klägerin geleisteten Entgelts betreffenden Rechtsmittelausführungen war daher aus den dargelegten Gründen im Ergebnis beizupflichten.

Die vom Revisionswerber begehrte Anrechnung von Sozialhilfeleistungen auf den Unterhaltsanspruch ist dagegen aus folgenden Gründen abzulehnen:

Im Gegensatz zu den vom Revisionswerber genannten Entscheidungen EFSlg 55.955 und RZ 1990/24, in welchen die Anrechenbarkeit von Sozialhilfeleistungen auf den Unterhaltsanspruch grundsätzlich bejaht wird, wurden zB in den Entscheidungen SZ 60/71, SZ 60/191 und 8 Ob 550/89 die Voraussetzungen für eine solche Anrechnung nicht angenommen. Dabei wurde die grundsätzliche Subsidiarität der Sozialhilfeleistungen zugrundegelegt und darauf abgestellt, ob der Empfänger der Sozialhilfeleistung nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Ersatz dieser Leistungen verpflichtet ist, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt und ob sein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen bereits durch entsprechende Anzeigeerstattung auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist. Trotz des in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes, daß es zu keiner Doppelversorgung durch Bezug von Sozialhilfeleistungen und Unterhaltsbeiträgen kommen darf, wurde bei Ersatzpflichtigkeit des sozialhilfeempfangenden Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Sozialhilfeträger und nicht bereits bewirktem Übergang des Unterhaltsanspruches auf diesen in den genannten Entscheidungen ausgesprochen, daß der Bezug von Sozialhilfe der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches durch den Unterhaltsberechtigten nicht entgegensteht.

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin gemäß § 9 Abs 1 lit a des Vorarlberger Sozialhilfegesetzes LGBl 1971/26 idF LGBl 1986/18 verpflichtet, die empfangenen Sozialhilfeleistungen dem Sozialhilfeträger zu ersetzen, wenn sie ein ausreichendes Einkommen oder Vermögen erhält. Der Übergang ihrer Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger ist gemäß § 12 leg cit von der Erstattung einer schriftlichen Anzeige des Sozialhilfeträgers an den gemäß § 10 leg cit ersatzpflichtigen Unterhaltspflichtigen abhängig. Ein derartiger Übergang wurde im gegenständlichen Verfahren weder behauptet noch festgestellt. Im Hinblick darauf, daß die Klägerin hier im Falle der Leistung des von ihr ab begehrten Unterhaltes durch den Beklagten zum Ersatz der auf Grund ihres im November 1988 gestellten Antrages seit Jänner 1989 bezogenen Sozialhilfeleistungen verpflichtet ist, haben diese Sozialhilfeleistungen - wie der erkennende Senat schon in der einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden Entscheidung 8 Ob 550/89 ausgesprochen hat - bei der Unterhaltsfestsetzung außer Betracht zu bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 50 ZPO.