OGH 25.06.2007, 9Ob39/07m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) F***** GmbH, 2.) M***** V*****, Prokuristin, und 3.) H***** R*****, Geschäftsführer, sämtliche ***** alle vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei H***** Vermietungs AG Nfg OEG, *****, vertreten durch Pistotnik Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Wien, wegen Anfechtung eines Mietvertrags, infolge Revisionsrekurses der Erstklägerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 293/06d-19, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 36 C 609/05y-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht zur amtswegigen Berichtigung des Beschlusses vom durch Beisetzen des Ausspruches gemäß § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO, ob der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO gegen die Bestätigung der Klagezurückweisung zulässig ist, zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Erstklägerin schloss am mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen später noch erweiterten Mietvertrag über ein Bestandobjekt, in welchem das Unternehmen der Erstklägerin betrieben wurde. Zweit- und drittklagende Parteien haften als Bürgen für die Erfüllung der Pflichten der Erstklägerin aus dem Bestandvertrag. Am wurde zu 4 S 78/05f des Handelsgerichts Wien der Konkurs über das Vermögen der Erstklägerin eröffnet. Mit ihrer Rechtsgestaltungsklage vom begehrten die Kläger die Aufhebung des Bestandvertrags wegen eines wesentlichen Geschäftsirrtums. Die Klageführung der Erstklägerin wurde vom Masseverwalter, der selbst Dispositionen über das Mietobjekt und den Bestandvertrag traf, ausdrücklich nicht genehmigt, desgleichen wurden eine Ausscheidung des Mietobjekts bzw der Mietrechte aus der Masse und die Überlassung an die Gemeinschuldnerin verweigert.
Das Erstgericht wies die Klage der Erstklägerin mangels Prozessfähigkeit zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und traf diesbezüglich keinen Ausspruch über die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses. Es vertrat dazu die Rechtsauffassung, dass sich ein solcher Ausspruch - wie auch ein solcher über den Wert des Entscheidungsgegenstandes - „auf Grund der gebotenen Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO erübrige“.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Erstklägerin.
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist ein Revisionsrekurs nicht jedenfalls zulässig. Zutreffend hat das Rekursgericht zwar einen Wertausspruch (§ 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO) unterlassen, weil ein nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO privilegierter Fall vorliegt (- die Irrtumsanfechtung betrifft das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrags -), doch zeigt sich keine ungewollte Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO erlauben würde. Der Ausschluss eines weiteren Rechtsmittels gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts gilt zwar nicht, wenn das Rekursgericht eine Klagezurückweisung des Erstgerichts bestätigt; doch muss auch in diesem Fall eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vorliegen, damit ein Revisionsrekurs zulässig ist (Kodek in Rechberger ZPO3 § 528 Rz 19). Mangelt es daher an einem absoluten Rechtsmittelauschluss, so ist ein Ausspruch über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses erforderlich (Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 528 Rz 13).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) F***** GmbH, 2.) M***** V*****, Prokuristin, 3.) H***** R*****, Geschäftsführer, alle ***** alle vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei H***** Vermietungs AG Nfg OEG, *****, vertreten durch Pistotnik Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Wien, wegen Anfechtung eines Mietvertrags (Streitwert 943.183,32 EUR), über den Revisionsrekurs der erstklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 293/06d-19, mit dem dem Rekurs der erstklagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 36 C 609/05y-11, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird, soweit er die Nichtzuerkennung der Verfahrenshilfe an die Erstklägerin betrifft, zurückgewiesen.
Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.420,54 EUR (darin 570,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Erstklägerin schloss am mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen später noch erweiterten Mietvertrag über ein Bestandobjekt, in welchem das Unternehmen der Erstklägerin betrieben wurde. Am wurde zu 4 S 78/05f des Handelsgerichts Wien der Konkurs über das Vermögen der Erstklägerin eröffnet.
Mit ihrer Rechtsgestaltungsklage vom begehrt die Erstklägerin die Aufhebung des Bestandvertrags wegen eines wesentlichen Geschäftsirrtums. Die Klageführung der Erstklägerin wurde vom Masseverwalter, der selbst Dispositionen über das Mietobjekt und den Bestandvertrag getroffen hatte, ausdrücklich nicht genehmigt, desgleichen wurden eine Ausscheidung des Mietobjekts bzw der Mietrechte aus der Masse und die Überlassung an die Gemeinschuldnerin verweigert.
Das Erstgericht wies die Klage der Erstklägerin mangels Prozessfähigkeit zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es keine Rechtsprechung dazu gebe, ob Irrtumsanfechtungansprüche von der Konkurssperre umfasst seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Erstklägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Erstklägerin die Verfahrenshilfe bewilligt und die Zurückweisung der Klage ersatzlos aufgehoben wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs über die Verfahrenshilfe jedenfalls unzulässig.
Darüber hinaus ist der Revisionsrekurs nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob ein Gemeinschuldner einen von ihm vor Konkurseröffnung abgeschlossenen Bestandvertrag trotz Konkurssperre wegen Irrtums klageweise anfechten kann, zutreffend verneint. Es kann daher insoweit auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:
Für die Beurteilung der Prozessfähigkeit des Gemeinschuldners ist von der Bestimmung des § 6 KO auszugehen. Danach fehlt (iVm § 1 Abs 1 KO) dem Gemeinschuldner die passive Prozessfähigkeit im Masseprozess. Für Aktivprozesse des Gemeinschuldners mangelt es an einer solchen ausdrücklichen Regelung. Diesbezüglich gilt aber § 3 KO, wonach Rechtshandlungen des Gemeinschuldners und damit auch die Prozessführung als Kläger, soweit sie die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sind (RIS-Justiz RS0064016; SZ 2004/159). Zu den „Gemeinschuldnerprozessen" im Sinn des § 6 Abs 3 KO - also jenen Verfahren, in denen der Gemeinschuldner selbst als Kläger oder Beklagter auftreten kann - gehören nur jene Streitigkeiten, deren Gegenstand nicht vermögensrechtlicher Natur ist, und Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, sofern der Streitgegenstand weder einen Aktivbestandteil noch einen Passivbestandteil der (Sollmasse) Konkursmasse bildet (RIS-Justiz RS0064115). Bestandverträge werden durch die Konkurseröffnung grundsätzlich nicht berührt, das heißt, dass das Bestandverhältnis sich unverändert mit der Konkursmasse fortsetzt; der Masseverwalter tritt mit der Konkurseröffnung ipso iure in den Bestandvertrag ein (RIS-Justiz RS0020908).
Unter Rechtshandlungen, die die Masse betreffen, sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern alle Handlungen, die rechtliche Wirkungen hervorbringen, zu verstehen. Darunter fallen insbesondere Rechtsgeschäfte, für die kennzeichnend ist, dass sie auf einen rechtsgeschäftlichen Erfolg abzielen (Schubert in Konecny/Schubert Komm zu den Insolvenzgesetzen § 3 KO Rz 3). So ist etwa auch die Kündigung eine rechtlich relevante Handlung, die rechtliche Wirkungen im Vermögen des Gemeinschuldners hervorrufen kann, wobei es genügt, dass diese Wirkungen auch nur mittelbar die Masse betreffen (9 ObA 292/97z; 8 Ob 143/01i). Entfaltet daher eine vom Gemeinschuldner ausgesprochene Kündigung des Bestandverhältnisses für das Konkursverfahren mangels Genehmigung durch den Masseverwalter keine Wirkung (8 Ob 143/01i), muss ein Mangel der Vertretungsfähigkeit des Gemeinschuldners auch für die Anfechtung eines Bestandvertrags gelten, weil eine solche Rechtshandlung zweifelsohne Wirkungen erzielt, welche die Masse treffen. Die mangelnde Vertretungsfähigkeit bedingt wiederum, dass der Erstklägerin auch die Prozessfähigkeit fehlt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da im Revisionsrekursverfahren nur die Erstklägerin und die Beklagte einander gegenüberstehen, kann der begehrte Streitgenossenzuschlag nicht zuerkannt werden.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2007:0090OB00039.07M.0625.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAD-84237