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VfGH vom 14.06.2002, B1463/00

VfGH vom 14.06.2002, B1463/00

Sammlungsnummer

16539

Leitsatz

Verfassungsrechtlich einwandfreie gesetzliche Deckung einer Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien und der BeitragsO für 1999 durch die rückwirkende gesetzliche Ermächtigung des ÄrzteG 1998;

keine verfassungsrechtlich bedenkliche Systemänderung im Versorgungsrecht der Ärzte; Gesetzmäßigkeit verschiedener Bestimmungen über die Festsetzung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds;

keine Verletzung im Eigentumsrecht durch Vorschreibung von Fondsbeiträgen

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien. Mit Berufungsbescheid vom wies der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien die Berufung der Beschwerdeführerin über die erstinstanzliche Vorschreibung des Fondsbeitrages für das Jahr 1999 in Höhe von

S 64.255,-- ab.

Dem erstinstanzlichen Bescheid vom war ein Schreiben gleichen Datums des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beigelegen, worin die Beschwerdeführerin informiert wurde, daß der bescheidmäßig vorgeschriebene Fondsbeitrag nicht ausreiche, um "die notwendigen 3 Anwartschaftspunkte [...] für eine volle Pensionsleistung zu erwerben"; hierfür sei allenfalls ein Nachzahlungsbetrag zu leisten.

2. Gegen den oben erwähnten Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der geltend gemacht wird, daß die Beschwerdeführerin durch Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 und gesetzwidriger Bestimmungen der Satzung und der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds in ihren Rechten verletzt worden sei. Weiters wird ein Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher mit näherer Begründung die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Gemäß § 68 Abs 1 des Ärztegesetzes 1998 - ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2001, gehört einer Ärztekammer jeder Arzt als ordentlicher Kammerangehöriger an, der in die Ärzteliste eingetragen wurde, seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübt und keine Alters- oder ständige Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds bezieht.

2. § 109 ÄrzteG 1998 in seiner (für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen) Stammfassung lautete auszugsweise:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, [...].

(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen.

(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.

(4) Die Satzung kann vorsehen, daß ein Kammerangehöriger durch Übernahme der Verpflichtung zur Leistung von höheren als im Abs 3 vorgesehenen Beiträgen den Anspruch auf entsprechend höhere Leistungen erwerben kann.

(5) [...] Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Wohlfahrtsfondsbeiträge und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. [...]

(6) Bei Festsetzung des Wohlfahrtsfondsbeitrages für Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, dient als Bemessungsgrundlage jedenfalls der monatliche Bruttogrundgehalt. [...]"

3. Abs 4 des § 98 ÄrzteG 1998, welcher die Versorgungsleistungen des Wohlfahrtsfonds regelt, hatte in der Stammfassung folgenden Wortlaut:

"§98. (1) ...

(4) Erreichen im Einzelfall die Beiträge nach § 109 Abs 3 nicht das zur finanziellen Sicherstellung der vorgesehenen Leistungen erforderliche Ausmaß, kann die Satzung bestimmen, ob und in welchem Umfang diese Leistungen dem tatsächlich geleisteten Beitrag angepaßt werden. Dies gilt auch für die Grundleistung.

(5) ..."

4. Mit der Novelle zum ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 81/2000, wurde der mit "Aufsichtsrecht" überschriebene § 195 ÄrzteG 1998 in Abs 5 dahingehend novelliert, daß Satzungen und Beitragsordnungen der Kammern bis zu 3 Jahre rückwirkend (ab Inkrafttreten der Bestimmung) in Kraft treten können. § 195 lautet in der Fassung dieser Novelle:

"Aufsichtsrecht

§195. (1) Die Ärztekammern in den Bundesländern unterstehen der Aufsicht der örtlich zuständigen Landesregierung. Die Österreichische Ärztekammer untersteht der Aufsicht des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

(2) Die von den Ärztekammern in den Bundesländern beschlossenen Satzungen, Geschäftsordnungen, Dienst-, Bezugs- und Pensionsordnungen, Jahresvoranschläge, Rechnungsabschlüsse sowie die Umlagen- und Beitragsordnungen bedürfen für ihre Wirksamkeit der Genehmigung der örtlich zuständigen Landesregierung. [...] Die genehmigten Akte sind in den Mitteilungen der Ärztekammern unter Angabe des Zeitpunktes ihres Inkrafttretens kundzumachen; sie werden unbeschadet der Abs 4 und 5 mit dem Datum der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde wirksam. [...]

(3) Die von der Österreichischen Ärztekammer beschlossene Satzung, Geschäftsordnung, Dienst-, Bezugs- und Pensionsordnungen, Umlagen- und Beitragsordnung, ferner der Jahresvoranschlag sowie der Rechnungsabschluß bedürfen für ihre Wirksamkeit der Genehmigung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales. [...] Die genehmigten Akte werden unbeschadet der Abs 4 und 5 mit dem Datum der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde wirksam. [...]

(4) Als Zeitpunkt für die Wirksamkeit der von den Ärztekammern erlassenen Umlagenordnungen und der Festsetzung des Beitrages für einen gemeinsamen Wohlfahrtsfonds bei der Österreichischen Ärztekammer (§134) gilt ungeachtet des Zeitpunktes der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde jedenfalls der 1. Jänner des Kalenderjahres, für welches die Umlagenordnung erlassen bzw. der Beitrag festgesetzt wurde.

(5) Bestimmungen der Beitragsordnung oder der Satzung des Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer treten ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die damit verbundenen Beitrags- und Leistungsverpflichtungen mit dem von der Vollversammlung bestimmten Zeitpunkt, der jedoch nicht vor dem 1. Jänner des drittvorangegangenen Kalenderjahres liegen darf, in Kraft.

(6) ..."

5. Mit derselben Novelle, BGBl. I Nr. 81/2000, wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 195 Abs 5 nF mit bestimmt. Dies erfolgte durch Erweiterung der Inkrafttretensbestimmung des § 214 ÄrzteG 1998 um einen Absatz 6:

"(6) § 195 Abs 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2000 tritt unbeschadet des § 212 am in Kraft und ist auch auf Beitragsordnungen und Satzungen anzuwenden, die, wenn auch nur teilweise, auf Grund der durch das Ärztegesetz 1998 aufgehobenen gesetzlichen Bestimmungen erlassen worden sind."

§ 214 Abs 6 ÄrzteG 1998 ist am (dem der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2000 folgenden Tag) in Kraft getreten.

6. Die durch die Novelle BGBl. I Nr. 110/2001 erfolgten neuerlichen Änderungen der §§98, 109 und 195 sind für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ohne Belang.

7. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat in ihrer Sitzung vom gemäß § 96 Abs 2 iVm § 66 Abs 2 Z 6 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, die mit Wirkung vom in Kraft tretende Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen.

Mit Beschluß gleichen Datums hat sie gemäß § 80 Z 7 iVm § 66 Abs 2 Z 6 und § 92 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, die mit Wirkung vom in Kraft tretende Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen.

Die Satzung und die Beitragsordnung wurden in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt 7/8a 2000" vom Juli 2000, kundgemacht.

8. Gemäß § 6 lita iVm. § 4 Abs 2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der genannten Fassung sind die Fondsmitglieder verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten.

9. Die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lauten:

"Pflichten der Fondsmitglieder

§6

Die Fondsmitglieder sind verpflichtet:

a) die vorgeschriebenen Fondsbeiträge fristgerecht zu entrichten;

b) ..."

"Aufbringung der Mittel

§9

(1) Die Mittel, die für die dauernde finanzielle Sicherstellung der Versorgungsleistungen und Unterstützungsleistungen aus dem Wohlfahrtsfonds erforderlich sind, sind durch Fondsbeiträge (§3 Abs 1 lita) der Fondsmitglieder (§4) in der Höhe, wie sie in der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien gemäß § 80 Z. 7 und § 92 ÄG jeweils beschlossenen Beitragsordnung festgesetzt werden, nach Maßgabe der Vorschriften dieser Satzung aufzubringen. Ferner ist der Verwaltungsausschuß berechtigt, im Einvernehmen mit dem Vorstand, von den Jahren 1994 bis 2003 auf die Jahre 2004 bis 2023 einen Kredit bis zur Höhe von S 550,000.000,- zur Finanzierung der intergenerativen Verschiebung von Beitragsbelastungen aufzunehmen.

(2) ..."

Der 4. Abschnitt der Satzung beschäftigt sich mit den Leistungen des Wohlfahrtsfonds, wobei die Altersversorgung als Pflichtleistung festgelegt wird, die (Bestandteile der Altersversorgung bildende) Grund- und Ergänzungsleistung grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Beitragsdauer ab dem 65. Lebensjahr vorgesehen wird sowie die Modalitäten detailliert geregelt werden.

Unter der Überschrift "Altersversorgung ab dem " ist in § 17c der Satzung unter anderem folgendes festgelegt:

"Altersversorgung ab dem

§17c

(1) ...

(5) Die Grundpension wird nach der Höhe der Beitragsleistung auf dem Grund- und Ergänzungsleistungskonto ermittelt.

(6) In der Beitragsordnung wird ein jährlicher Richtbeitrag im zur Sicherstellung der finanziellen Leistungen erforderlichen Ausmaß festgelegt.

(7) Für jedes Jahr, für das der volle Richtbeitrag geleistet wird, wird eine Anwartschaft von 3% der Grundpension erworben; eine Anwartschaft von mehr als 3% pro Jahr kann nicht erworben werden.

(8) Wird der Richtbeitrag in einem Jahr, aus welchem Grund auch immer, nicht erreicht, wird die Anwartschaft für dieses Jahr in dem der geringeren Beitragsleistung entsprechenden Verhältnis vermindert; die Ermittlung hat auf hundertstel Prozentanteile zu erfolgen.

(9) bis (18) ..."

§ 17d normiert auszugsweise:

"Feststellung der Anwartschaft,

Nachzahlung

§17d

(1) Für jedes Fondsmitglied ist die jährlich erworbene Anwartschaft festzustellen und bis zum 30. September des Folgejahres bekanntzugeben.

(2) Wenn festgestellt wird, daß im vorangegangenen Jahr die Beitragsleistung nicht ausreicht, um eine Anwartschaft von 3% zu erwerben, ist der fehlende Betrag sowie der darauf entfallende aliquote Beitrag zur Deckung der Altlast vorzuschreiben.

(3) ..."

10. Der in § 17c der Satzung genannte Richtbeitrag wurde in Abschnitt VII der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (in der oben erwähnten Fassung) für das Jahr 1999 mit S 76.860,-- festgesetzt.

11. Die Höhe des zu leistenden Fondsbeitrages ergibt sich schließlich aus Abschnitt I dieser Beitragsordnung; der Abschnitt lautet auszugsweise:

"I. Fondsbeitrag

(1) Der Fondsbeitrag beträgt, soweit in dieser Beitragsordnung nicht anders festgelegt, 15,8 v.H. der Bemessungsgrundlage.

(2) Bei Fondsmitgliedern, die den ärztlichen Beruf ausschließlich im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ausüben (einschließlich der Teilnehmer an zahnärztlichen Lehrgängen), besteht die Bemessungsgrundlage aus dem jährlichen Bruttogrundgehalt abzüglich der anteilig darauf entfallenden Werbungskosten. Hiezu kommen Einkünfte (Anteile) aus der Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse einschließlich ambulanter Behandlung. Ferner sind die jährlich entrichteten Fondsbeiträge, die Beiträge für die Krankenunterstützung sowie die Beiträge für die Todesfallbeihilfe hinzuzurechnen.

(3) ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige, im Ergebnis jedoch nicht begründete - Beschwerde erwogen:

1. In der Beschwerde wird vorgebracht, daß die auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassungen der Satzung und der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien aus folgenden Gründen gesetzwidrig seien:

Der angefochtene Bescheid sei mit Zustellung an die Beschwerdeführerin am erlassen worden. Maßgebend sei die Sach- und Rechtslage zum Erlassungszeitpunkt des Berufungsbescheides. Die Novelle zum Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 81/2000, sei erst am im Bundesgesetzblatt kundgemacht und sohin erst mit Ablauf des wirksam geworden, auch wenn diese Novelle ein rückwirkendes Inkrafttreten des § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 zum vorsehe. Trotz dieser angeordneten Rückwirkung sei § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 in der novellierten Fassung BGBl. I Nr. 81/2000 im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil diese Fassung zum Erlassungszeitpunkt des Berufungsbescheides des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien () noch nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht gewesen sei. Demnach wäre aber § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2000 anzuwenden. § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 in der auf den Sachverhalt anzuwendenden Fassung, nämlich der Stammfassung BGBl. I Nr. 169/1998, sei aber nicht geeignet, eine zulässige Rückwirkung neu erlassener Verordnungswerke zu tragen; die zulässige Rückwirkung beziehe sich nur auf die Änderung bestehender Satzungen oder Beitragsordnungen.

Außerdem sei § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 169/1998 auf Satzungen und Beitragsordnungen von Ärztekammern in den Bundesländern nicht anwendbar, sondern beziehe sich dem Wortlaut nach (arg.: Verwendung der Einzahl: "Beitragsordnung", "Satzung", etc.) ausschließlich auf den Wohlfahrtsfonds bei der Österreichischen Ärztekammer. Sowohl die Satzung als auch die Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (s. oben) würden aufgrund ihrer angeordneten Rückwirkung weder im § 195 Abs 2 noch im Abs 5 ÄrzteG 1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 169/1998 Deckung finden und seien aus diesem Grunde gesetzwidrig.

2.a) Dazu ist vorerst festzuhalten, daß mit dem bekämpften Bescheid vom Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien das gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobene Rechtsmittel (Beschwerde) abgewiesen und der vom Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 1999 festgesetzte Fondsbeitrag bestätigt wurde.

Von keiner Seite wurde bestritten, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Satzung und Beitragsordnung der Ärztekammer für Wien im "Wiener Arzt 7/8a 2000" vom Juli 2000 kundgemacht waren. Die Verpflichtung zur Leistung und die Höhe des Beitrages ergibt sich aus der Satzung und der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien; beides Verordnungen, die jeweils ihre gesetzliche Grundlage im Ärztegesetz 1998 finden.

b) Die Beschwerdeführerin geht von der Annahme aus, diese Verordnungen seien vom Verfassungsgerichtshof an der gesetzlichen Grundlage, die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Geltung stand, zu messen. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin, daß der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung der Frage, ob die präjudiziellen Verordnungen, die die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet hat, eine verfassungsrechtlich einwandfreie gesetzliche Grundlage haben, im vorliegenden Fall jedenfalls von der Rechtslage auszugehen hat, die - wenn auch rückwirkend - als gesetzliche Grundlage geschaffen wurde.

Im vorliegenden Zusammenhang ist somit davon auszugehen, daß durch die mit rückwirkend in Kraft getretene Ermächtigung (§195 Abs 5 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 81/2000), Bestimmungen der Beitragsordnung und der Satzung "mit dem von der Vollversammlung bestimmten Zeitpunkt, der jedoch nicht vor dem 1. Jänner des drittvorangegangenen Kalenderjahres liegen darf", in Kraft zu setzen, eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wurde, daß Satzungen und Beitragsordnungen bis längstens zu dem vom Gesetz bestimmten Zeitpunkt (das ist rechnerisch der ) rückwirkend in Kraft gesetzt werden dürfen.

c) Zu der mit der Novelle BGBl. I Nr. 81/2000 erfolgten Änderung des § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 halten die Erläuterungen zum Initiativantrag IA 182/A, 21. GP, folgendes fest:

"Zu Z 2 (§195 Abs 5):

Gemäß Art 139 B-VG kann der Verfassungsgerichtshof Verordnungen aufheben. Satzungen und Beitragsordnungen der Ärztekammern sind rechtlich als Verordnungen zu werten. Für den Fall der Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof ist vorgesehen, daß die betroffene Ärztekammer rückwirkend eine dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes konforme Rechtslage herstellt. Gemäß der derzeit geltenden Bestimmung des Ärztegesetzes 1998 ist eine derartige rückwirkende Sanierung allerdings nur bis zum ersten Jänner des der Kundmachung der sanierten Verordnung vorangegangenen Jahres zulässig. Durch die Verfahrensdauer im Verfahren, welches zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof führt, sowie durch das im Ärztegesetz 1998 vorgesehene Verfahren zum Inkrafttreten von Rechtsvorschriften von Ärztekammern (Genehmigungs- und Kundmachungspflicht gemäß § 195 Abs 2 Ärztegesetz 1998) hat sich der Zeitraum für den den Ärztekammern eine Anordnung einer Rückwirkung eingeräumt wird, als für die betroffenen Ärztekammern unpraktikabel und potentiell gefährlich kurz herausgestellt, sodaß er um zwei Jahre verlängert werden soll. Überdies soll klargestellt werden, daß nicht nur Änderungen der Beitragsordnung oder der Satzungen rückwirkend in Kraft gesetzt werden dürfen, sondern für den Fall einer Aufhebung einer Verordnung in toto diese gänzlich in verfassungskonformer Weise beschlossen werden kann." (Hervorhebungen nicht im Original)

Dies bestätigt, daß der Gesetzgeber mit der Formulierung in § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 81/2000 jedenfalls allfällige Zweifel über den Anwendungsbereich der Rückwirkungsermächtigung ausräumen wollte. Die Novellierung diente - neben der Erweiterung des Rückwirkungszeitraumes auf drei Jahre - auch noch der Klarstellung, daß alle "Ärztekammern" von dieser Ermächtigung Gebrauch machen können.

Damit wurde - wenngleich nachträglich - die Ermächtigung zur rückwirkenden Erlassung und Änderung von Bestimmungen der Beitragsordnung oder der Satzung des Wohlfahrtsfonds für Ärztekammern in den Bundesländern für davorliegende Zeiträume ausdrücklich verankert. Der Umstand, daß sich durch diese Vorgangsweise der Prüfungsmaßstab für die Gesetzmäßigkeit der Verordnungen - aus der Sicht der Beschwerdeführerin - nachträglich geändert hat, vermag nichts daran zu ändern, daß die dem beschwerdegegenständlichen Bescheid zugrundeliegenden Verordnungen eine gesetzliche Grundlage dafür haben, daß sie selbst rückwirkend in Kraft traten.

Zusammenfassend ergibt sich, daß die in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt 7/8a 2000" vom Juli 2000, jeweils unter Berufung auf den Beschluss der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom kundgemachte Satzung und Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, rückwirkend in Kraft gesetzt mit Wirkung vom , eine verfassungsrechtlich einwandfreie gesetzliche Deckung durch § 195 Abs 5 ÄrzteG 1998 haben.

3. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, daß die Bestimmung des § 98 Abs 4 ÄrzteG 1998 "nicht nur system-, sondern auch verfassungswidrig" sei, weil sie "weder dem Versicherungs- noch dem Versorgungsprinzip" entspreche. In der Beschwerde wird dazu ausgeführt:

"Sollte § 98 Abs 4 ÄrzteG dahingehend zu verstehen sein, dass die einem konkreten Kammerangehörigen gebührenden Leistungen den von diesem Kammerangehörigen geleisteten Beiträgen angepasst werden können, so widerspricht dies dem verfassungsrechtlich grundgelegten - auch für den Wohlfahrtsfonds geltenden (VfSlg 6947/1972, 12.417/1990) - Prinzip der 'sozialversicherungsrechtlichen Riskengemeinschaft'. Demnach stellen alle Kammerangehörigen eine Riskengemeinschaft dar, innerhalb derer sich ein sozialer Ausgleich zwischen wirtschaftlich stärkeren und wirtschaftlich schwächeren vollzieht. Eine auf den Einzelfall bezogene Verminderung der Leistungen aufgrund finanzieller Überlegungen kommt daher nicht in Betracht.

[...]

§ 98 Abs 4 ÄrzteG betrifft die Höhe der Leistungen des Wohlfahrtsfonds. § 98 Abs 4 ÄrzteG ist daher im Verfahren über die Vorschreibung von Fondsbeiträgen nicht präjudiziell. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer Beitragsvorschreibung hängt aber im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes von der Ausgestaltung des Leistungsrechts ab. Die Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Leistungsrechts ist daher geeignet, die Verfassungswidrigkeit der präjudiziellen Bestimmungen des Beitragsrechts darzutun."

Überdies sei § 109 ÄrzteG 1998 verfassungswidrig, weil "das ÄrzteG nicht gewährleistet, dass den Beiträgen entsprechende Leistungen gegenüberstehen".

Auch damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht:

Vorerst ist darauf hinzuweisen, daß weder § 98 Abs 4 noch § 109 ÄrzteG 1998 im vorliegenden Verfahren präjudiziell sind. Die Beschwerde scheint jedoch zu meinen, die Ermächtigung zu Anpassungen auf der Leistungsseite (§98 Abs 4) im Zusammenspiel mit dem gesetzlichen Rahmen zur Beitragsverpflichtung mache das System insgesamt verfassungswidrig. Davon kann aber nicht die Rede sein:

Der Gerichtshof hat sich - wenngleich in anderen Rechtsbereichen - mit der Frage befaßt, ob und in welchem Ausmaß Beiträgen Leistungen gegenüberzustehen haben.

Zuletzt hat der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 15.859/2000, S 999, folgendes ausgeführt:

"Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. aus jüngerer Zeit VfSlg. 14.802/1997) judiziert, steht in der Sozialversicherung, im besonderen in der Pensionsversicherung der Versorgungsgedanke im Vordergrund, wohingegen der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt ist (VfSlg. 4714/1964, 5241/1966); es gilt daher in der Sozialversicherung auch nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung (zB VfSlg. 3670/1960, 4714/1964, 7047/1973), sodaß auch in Kauf genommen werden muß, daß es in manchen Fällen trotz Leistung von Pflichtbeiträgen zu keiner Versicherungsleistung kommt (zB VfSlg. 6015/1969, 7047/1973).

Umgekehrt hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 3721/1960 dargelegt, daß Vorteile, die einer sozialen Gruppe durch die Einbeziehung in die Versicherung erwachsen, bei der Bemessung der Beitragspflicht unberücksichtigt bleiben müssen, denn ansonsten würden immer gerade die Gruppen der sozial Schwächsten, die durch die Einbeziehung in die Versicherung den größten Vorteil erlangt haben, zu den größten Beitragsleistungen heranzuziehen sein, was dem Gedanken einer sozialen Versicherung widerspricht und daher sachlich nicht gerechtfertigt sein kann. Innerhalb einer Versichertengemeinschaft müßten vielmehr auch 'schlechte Risken' in Kauf genommen werden (VfSlg. 3670/1960, bekräftigt ua. in VfSlg. 10.451/1985).

[...] Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsprechung fest: In der gesetzlichen Sozialversicherung ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich verwehrt, innerhalb derselben Risikengemeinschaft zwischen 'guten' und 'schlechten' Risiken wie in der privatrechtlichen Versicherung zu unterscheiden. Es ist vielmehr ein Charakteristikum der gesetzlichen Sozialversicherung, daß in ihr alle Risiken zu einer Risikengemeinschaft zusammengefaßt und einem einheitlichen Beitragsrecht unterstellt werden (vgl. VfSlg. 12.739/1991 mwN; ferner Grillberger, Österreichisches Sozialrecht,

3. Aufl., Wien - New York 1996, 10 f.)."

Die am erfolgte Einführung des Anwartschaftspunktesystems mag eine Umstellung der Relation der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu den Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds derart bewirkt haben, daß eine Verknüpfung zwischen einbezahlten Beiträgen und erworbener Anwartschaft dergestalt hergestellt wurde, daß deren berechnete Beträge sich an versicherungsmathematischen Grundsätzen orientieren (zu den Finanzierungsmodellen vgl. Walzel v. Wiesentreu, Grundrechtsfragen der Gewährung von Kammerpensionen bei Ärzten, 1999, S 31 ff.); damit mag auch der Versorgungsgedanke mehr in den Hintergrund getreten sein. Eine Verfassungswidrigkeit ist daraus allein jedoch nicht abzuleiten.

Keine Verfassungsnorm gebietet die Wahl eines bestimmten Systems für die Ausgestaltung des Wohlfahrtsfonds. Richtig ist jedoch, daß die jeweilige nähere Ausgestaltung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten können muß (vgl. etwa VfSlg. 3670/1960 und 9365/1982).

Dem Verfassungsgerichtshof sind bei der Behandlung der Beschwerde allerdings auch keine Bedenken dahingehend entstanden, daß die das "gemischte System" schaffenden gesetzlichen Grundlagen verfassungsrechtlich bedenklich wären.

4. Die Beschwerdeführerin behauptet des weiteren, daß die Einbeziehung der entrichteten Fondsbeiträge in die Bemessungsgrundlage des Fondsbeitrages durch Abschnitt I Abs 2 letzter Satz der Beitragsordnung keine gesetzliche Deckung in § 109 Abs 6 ÄrzteG 1998 finde und überdies einer "verfassungsrechtlich verpönten 'Doppelbesteuerung' von Einkommensteilen" gleichkomme.

Aus dem Wortlaut des § 109 Abs 6 ÄrzteG 1998, wonach als Bemessungsgrundlage jedenfalls der monatliche Bruttogrundgehalt zu dienen hat, ergibt sich, daß diese Bestimmung keine abschließende Regelung über die Bildung der Bemessungsgrundlage für den Fondsbeitrag enthält. Eine darüber hinausgehende detaillierte Regelung der Berechnungs- oder Bemessungsgrundlagen enthält das Ärztegesetz selbst nicht, sondern wird vom Gesetz der Satzung und Beitragsordnung überlassen.

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage von Fondsbeiträgen diese selbst nicht aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden werden (zumal der dem Einkommen hinzuzurechnende, bereits entrichtete Fondsbeitrag zwischenzeitlich vom Beitragspflichtigen ohnehin steuermindernd geltend gemacht werden konnte [vgl. dazu Kneihs, Rechtsprobleme der Errichtung kammereigener Wohlfahrtseinrichtungen, ZÖR 57 (2002), S 1 ff. (48)]).

Abschnitt I Abs 2 der Beitragsordnung entspricht somit dem § 109 Abs 6 ÄrzteG 1998.

5. Die Beschwerdeführerin behauptet unter näherer Begründung überdies, daß das in den §§17c und 17d der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien normierte "Anwartschaftspunktesystem" ebenso wie der in diesem Zusammenhang in Abschnitt VII der Beitragsordnung mit S 76.860,-- festgesetzte Richtbeitrag gesetzwidrig seien.

Was den Vorwurf der "Systemwidrigkeit" betrifft, ist auf die Ausführungen unter Punkt 3. zu verweisen.

Zudem wurden von der Behörde in dem der Beschwerde zugrundliegenden Verfahren die §§17c und 17d der Satzung gar nicht angewendet und sind daher auch nicht präjudiziell:

Gemäß § 17d Abs 2 der Satzung ist der auf den Richtbeitrag allenfalls fehlende Betrag mit Bescheid vorzuschreiben. Die erworbene Anwartschaft ist im Rahmen der Erlassung eines die Nachzahlung dieses Beitragsteiles vorschreibenden Bescheides verbindlich festzustellen. Beim hier bekämpften Bescheid handelt es sich allerdings nicht um einen eine solche Nachzahlung anordnenden Bescheid. Lediglich in einem Begleitschreiben zum erstinstanzlichen Bescheid - woraus bereits der fehlende (auf Erlassung eines solchen Nachzahlungsbescheides gerichtete) hoheitliche Wille der Behörde erster Instanz zu erkennen ist - wird die Beschwerdeführerin über die Höhe einer allfälligen Nachzahlung informiert. Demnach hätte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf bescheidmäßige Vorschreibung des Nachzahlungsbetrages zu stellen, über welchen die Behörde gemäß § 17d Abs 2 der Satzung abzusprechen hätte.

6. Die Beschwerdeführerin behauptet zudem, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.

Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen käme eine Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung, eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur bei einem willkürlichen Gesetzesvollzug in Frage.

Vor dem Hintergrund der Ausführungen zu den hier angewendeten Bestimmungen kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, daß die belangte Behörde denkunmöglich vorgegangen ist. Ebensowenig kann von Willkür die Rede sein.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

7. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

8. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.