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OGH vom 25.04.2012, 15Os155/11z

OGH vom 25.04.2012, 15Os155/11z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Uljanov als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred G***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Manfred G***** und Gabriela G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 4 Hv 30/11p 66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Manfred G***** und Gabriela G***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB, Manfred G***** als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben in F*****

1./ Gabriela G***** am mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder Manfred G***** unrechtmäßig zu bereichern, die Angestellte der R*****kasse P***** Gertrude K***** durch Verschweigen des Umstands, dass Manfred G***** gegenüber dem Richter des Bezirksgerichts F***** im Verfahren 4 P 112/08h bereits am zugesichert hatte, als vorläufiger Sachwalter für Josef Kö***** zu fungieren, zur Auflösung von Sparbüchern Kö*****s und Behebung von seinem Girokonto im Ausmaß von 275.500 Euro und zur Eröffnung mehrerer Sparbücher mit derselben Summe, lautend auf Gabriela G*****, verleitet, wodurch Kö***** in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

2./ Manfred G***** zwischen 6. und Gabriela G***** dazu bestimmt, „das Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB auszuführen“, indem er sie anwies, mit Kö***** zum Zweck der Behebung zur oben erwähnten Bank zu fahren, noch bevor seine Bestellung zum einstweiligen Sachwalter in Kraft trat.

Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Manfred G***** und Gabriela G*****.

Rechtliche Beurteilung

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil in den Schuldsprüchen 1./ und 2./ der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Voraussetzung für die Verwirklichung eines Betrugs nach § 146 StGB ist ua eine Täuschungshandlung, somit ein Täterverhalten, das in der Täuschung eines anderen über Tatsachen besteht und bei diesem einen Irrtum hervorruft oder einen schon bestehenden Irrtum bestärkt. Durch aktives Tun täuscht, wer eine tatsachenwidrige Erklärung ausdrücklich oder konkludent bekundet, während eine Täuschung durch bloßes Unterlassen einer gebotenen Aufklärung (§ 2 StGB) nur dann Betrug begründen kann, wenn der Täter aufgrund einer ihn im Besonderen treffenden Rechtspflicht verpflichtet ist, einen ohne Aufklärung eintretenden Vermögensschaden abzuwenden, und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des Tatbilds durch aktives Tun gleichwertig ist (vgl RIS-Justiz RS0094297; Kirchbacher , in WK² § 146 Rz 20 und 23).

Das Erstgericht stellte zu 1./ fest, dass die von der beabsichtigten Bestellung ihres Gatten zum Sachwalter des Tatopfers Josef Kö***** in Kenntnis gesetzte Angeklagte Gabriela G***** einen Termin bei der Bank vereinbarte und hierauf das in einem Altenpflegeheim untergebrachte, ein auffallend schlechtes Kurzzeitgedächtnis, eingeschränkte Kritikfähigkeit und beginnende Demenz aufweisende Tatopfer am zur Bank brachte. Jenes gab im Beisein der Bankangestellten und der Angeklagten an, den Inhalt seiner Sparbücher „auf Frau G***** anlegen zu wollen“. Letztere verfolgte die Transaktion (Auflösung der Sparbücher und Behebung vom Girokonto Kö*****s) ohne sich einzumischen, legte jedoch auf Nachfrage der Bankangestellten den auszuzahlenden Geldbetrag in Höhe von 275.500 Euro in Anwesenheit Kö*****s in Sparbüchern an, die sie in ihren Gewahrsam nahm. Die Bankangestellte hatte zum Zeitpunkt der Transaktion keine Kenntnis darüber, dass der Angeklagte Manfred G***** bereits als einstweiliger Sachwalter für Kö***** bestellt worden war, und hätte die Übertragung nicht vorgenommen und vornehmen dürfen, wenn sie „von einem solchen Verfahren“ gewusst hätte (ON 66 S 5 ff).

Indem die Feststellungen zur Vermögensübertragung durch Kö***** an die Angeklagte Gabriela G***** nicht erkennen lassen, durch welche ausdrückliche Erklärung, konkludente Bekundung oder Unterlassung einer gebotenen Aufklärung dieser Angeklagten die Bankangestellte zu einem Irrtum verleitet worden sei, fehlen Konstatierungen zu tauglichen Täuschungshandlungen, weshalb keine Subsumtionsbasis für einen Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB gegeben ist. Ausführungen im Urteilsspruch vermögen die Anführung jener Tatsachen in den Urteilsgründen, die als erwiesen angenommen wurden, nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0114639; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 580); ebensowenig ersetzen (hier: im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene: ON 66 S 8 f) Feststellungen zur subjektiven Tatseite jene zur objektiven.

Soweit die Tatrichter zu 2./ feststellten, dass der Angeklagte Manfred G***** zwischen 6. und „den Entschluss fasste, seine Frau zu bestimmen, mit Kö***** zur Bank zu fahren und dessen gesamte Ersparnisse im 50.000 Euro übersteigenden Wert auf Sparbücher auf den Namen seiner Frau anzulegen“, fehlen ebenfalls Konstatierungen zu einer objektiven Bestimmungshandlung des Erstangeklagten betreffend eine Täuschung der Bankangestellten durch die Zweitangeklagte. Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang nämlich weiters lediglich fest, dass dem Angeklagten „klar war, dass er zum Sachwalter des Kö***** bestellt werden würde“, er dies umgehend und vor dem der Angeklagten Gabriela G***** mitteilte und ihm der Beschluss über die Bestellung zum einstweiligen Sachwalter (auch zur Vermögensverwaltung) am zugestellt wurde (ON 66 S 5 f).

Die vom Erstgericht zu 1./ und 2./ vorgenommene Subsumtion leidet daher an Rechtsfehlern mangels Feststellungen, die in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur eine mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung verbundene Kassation beider Schuldsprüche erfordern (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass die Bestellung des Angeklagten Manfred G***** zum einstweiligen Sachwalter des Josef Kö***** (insbesondere zur Verwaltung von Einkünften und Vermögen) erst mit der am erfolgten Zustellung des Beschlusses des Bezirksgerichts F***** vom an den Angeklagten sowie den Betroffenen (ON 66 S 5) rechtswirksam wurde (vgl RIS-Justiz RS0008550, 1 Ob 3/09m), sodass erst ab diesem Zeitpunkt einerseits Rechte und Pflichten des (einstweiligen) Sachwalters begründet wurden, andererseits die Fähigkeit des Betroffenen, wirksame Rechtshandlungen im Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters zu setzen, eingeschränkt wurde.

In Hinblick auf § 943 ABGB (vgl 4 Ob 562/91; Bollenberger , in KBB § 943 Rz 7) und die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen, dass die Bankangestellte die Vermögenstransaktion dann nicht vorgenommen hätte, wenn sie von der Anhängigkeit eines Sachwalterschaftsverfahrens gewusst hätte, wird im neu durchzuführenden Verfahren zu prüfen sein, ob eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten Gabriela G***** durch eine wenn ja durch welche gegen die Bankangestellte gerichtete Täuschungs handlung begründet wurde. Dabei reicht es aus, wenn diese zumindest mitursächlich für den Irrtum des Getäuschten ist ( Kirchbacher in WK² § 146 Rz 48). Täuschung durch aktives Tun liegt bereits dann vor, wenn durch ein Gesamtverhalten, dem nach der Verkehrsauffassung ein bestimmter Erklärungsinhalt zukommt, konkludent eine Tatsache unrichtig bekundet wird. Das Verschweigen einzelner Tatsachen gehört oft zu einem Gesamtverhalten mit bestimmtem Erklärungswert, das einheitlich als aktives Tun zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0120597; Kirchbacher , in WK 2 § 146 Rz 20 ff). Eine im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Auflösung von Sparbüchern und Behebung vom Girokonto des Opfers erfolgte Verfügung über das Vermögen desselben durch Anlegen von Sparbüchern lautend auf den Namen des Täuschenden und deren Ansichnehmen unter gleichzeitigem Verschweigen von Tatsachen, deren Kenntnis durch den Getäuschten die Durchführung dieser Vermögensverschiebung faktisch verhindern würde, kann in diesem Sinn eine noch vor der Vermögensübertragung erfolgte Täuschung durch aktives Tun sein.

Das Gesagte gilt sinngemäß auch für den Bestimmungstäter, dessen (zusätzlicher) Bestimmungsvorsatz sich auf eine ausreichend individualisierte Tat beziehen muss (vgl Fabrizy , in WK 2 § 12 Rz 66).

Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wird das Erstgericht dabei Feststellungen zu sämtlichen objektiven und subjektiven Tatbestandselementen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB zu treffen haben.

Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.