VfGH vom 29.06.2011, B1462/10
19432
Leitsatz
Feststellung einer Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist durch Entscheidung einer Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice; keine Rechtfertigung der Dauer des Berufungsverfahrens von mehr als sechs Jahren; im Übrigen Ablehnung der Beschwerdebehandlung
Spruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Art 6 Abs 1 EMRK verletzt worden.
Insoweit wird jedoch der Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
III. Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.420,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.
1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt einen Autozulieferbetrieb. In den Zeiträumen vom bis , bis und bis stand R. M. als "Verpackerin" in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zur beschwerdeführenden Gesellschaft.
1.2. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steyr (im Folgenden: AMS Steyr) vom wurde das gegenüber R. M. für die oben genannten Zeiträume gewährte Karenzurlaubsgeld gemäß § 29 Abs 1 iVm § 24 Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (im Folgenden: AlVG 1977) widerrufen und R. M. gemäß § 29 Abs 1 iVm § 25 Abs 1 leg. cit. zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Betrages verpflichtet. Gegen diesen Bescheid erhob R. M. Berufung. Mit Bescheid des Landesgeschäftsführers des Arbeitsmarktservice Oberösterreich (im Folgenden: AMS OÖ) vom wurde das Berufungsverfahren zunächst gemäß § 24 Abs 3 Arbeitsmarktservicegesetz iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die Frage, ob das gegenständliche Beschäftigungsverhältnis der R. M. bei der beschwerdeführenden Gesellschaft der Voll- sowie der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei, ausgesetzt, da zu diesem Zeitpunkt die Berufungsverfahren gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, mit dem festgestellt worden war, dass das Beschäftigungsverhältnis als "Verpackerin" (betreffend eine andere Dienstnehmerin) bei der beschwerdeführenden Gesellschaft der Vollversicherungspflicht unterliege, noch anhängig gewesen seien. Mit Bescheiden vom bzw. vom bestätigte der Landeshauptmann von Oberösterreich jedoch den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (diese Rechtsansicht wurde in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt, vgl. und 2000/08/0079). Mit Bescheid des Landesgeschäftsführers des AMS OÖ vom wurde der Berufung der R. M. gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS Steyr vom schließlich insoweit stattgegeben, als der durch den Widerruf entstandene Übergenuss nicht von R. M. zurückgefordert wurde, da die Tatsache, dass R. M. das Beschäftigungsverhältnis nicht gemeldet hatte, in keinem kausalen Zusammenhang damit gestanden sei, dass das AMS weiterhin Karenzurlaubsgeld gewährt habe; R. M. habe somit keinen Rückforderungstatbestand verwirklicht, weshalb eine Rückforderung ihr gegenüber ausscheide.
1.3. In der Folge wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS Steyr vom das von R. M. zu Unrecht bezogene Karenzurlaubsgeld für die unter Pkt. I.1.1. genannten Zeiträume in der Höhe von insgesamt € 5.157,88 gemäß § 25 Abs 3 AlVG 1977 von der beschwerdeführenden Gesellschaft zurückgefordert. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Landesgeschäftsführerin des AMS OÖ vom keine Folge gegeben. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: Neben einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sei der Bezug von Karenzurlaubsgeld nicht möglich, da Arbeitslosigkeit nur dann vorliege, wenn der Arbeitslose ein Arbeitseinkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze erziele. Der Bezug des Karenzurlaubsgeldes sei daher gegenüber R. M. gemäß § 24 Abs 2 AlVG 1977 zu widerrufen gewesen. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe R. M. (wie auch andere Dienstnehmerinnen) entgegen der Bestimmung des § 3 Abs 1 Arbeitsverfassungsgesetzes unter dem im Kollektivvertrag festgesetzten Mindestlohn entlohnt. Während R. M. (und andere betroffene Dienstnehmerinnen) kein Verschulden an dem Übergenuss treffe, sei der beschwerdeführenden Gesellschaft jedoch zum Zeitpunkt der Vereinbarung des geringfügig entlohnten Dienstverhältnisses bewusst gewesen, dass R. M. beim AMS Steyr Sondernotstandshilfe bezogen habe. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Bezahlung unter dem Kollektivvertragslohn "mit hoher Wahrscheinlichkeit" vorsätzlich erfolgt sei. Gemäß § 25 Abs 3 AlVG 1977 könne eine dritte Person zum Ersatz von zu Unrecht bezogenen Leistungen verpflichtet werden, wenn sie eine ihr nach dem AlVG 1977 obliegende Anzeige vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch den unberechtigten Bezug verursacht habe. Entgegen dem Berufungsvorbringen der antragstellenden Gesellschaft sei der Anspruch auf Rückzahlung auch nicht verfristet gewesen. Die belangte Behörde führt dazu wörtlich aus (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"§25 Abs 6 AlVG lautet:
Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs 2 oder eine Verfügung zur Nachzahlung ist für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionalen Geschäftsstellen, zurückliegen. Ebenso tritt ein Bescheid über die Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach Ablauf von fünf Jahren ab Eintritt der Rechtskraft außer Kraft, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollzogen wurde.
Das AMS hat mit Überlagerungsmeldung vom erfahren, das[s] bei Frau M[...] zur Fa. Sch[...] ab ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Daher war die Kenntnis () des maßgeblichen Sachverhaltes (vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis ab ) innerhalb der vom Gesetzgeber geforderten Frist von fünf Jahren. Die Erstellung des entsprechenden (Rückforderungs )Bescheides ist nicht an diese Frist gebunden, sondern richtet sich nach den Fristen im AVG (§73 AVG).
...
§ 38 AVG. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
In diesem Fall war die Vorfrage, ob es sich um ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis handelt oder nicht, von der OÖ. Gebietskrankenkasse zu klären. Die Entscheidung der höchsten Instanzen und im Anschluss daran des Verwaltungsgerichtshofes war abzuwarten. Dies wurde auch mit Ihnen bzw. Ihrem Rechtsvertreter, der auch Ihre Arbeitnehmerinnen auf Ihre Anweisung hin zuvor vertreten hat, im anhängigen Verfahren so vereinbart."
2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Verletzung der durch Art 17 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Rechte behauptet. Ferner rügt die beschwerdeführende Gesellschaft die Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen, nämlich § 56 Abs 1 und 4 AlVG 1977, BGBl. 609/1977 idF BGBl. I 179/1999 iVm § 25 Abs 3 AlVG 1977.
2.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich in ihrem Recht auf Entscheidung binnen angemessener Frist verletzt, da sich der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in den Jahren 1995 und 1996 ereignet habe, die Rückforderung des Anspruches gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft jedoch erstmalig im Jahr 2003 geltend gemacht worden sei. Das Berufungsverfahren habe in der Folge weitere sechseinhalb Jahre in Anspruch genommen, weshalb das Verfahren insgesamt mehr als vierzehn Jahre gedauert habe. Zudem sei der verfahrensgegenständliche Anspruch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Jahr 2003 gemäß § 25 Abs 6 AlVG 1977 bereits verjährt gewesen, da innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes ein Bescheid erlassen hätte werden müssen.
2.2. Ferner sei der belangten Behörde Willkür vorzuwerfen, da sie die Rechtslage, insbesondere die Bestimmungen des § 38 AVG und des § 25 Abs 6 AlVG 1977, verkannt habe: Die belangte Behörde habe schon deshalb zu Unrecht eine Bindungswirkung gemäß § 38 AVG an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ( und 2000/08/0079) angenommen, weil dieses Verfahren nicht das Dienstverhältnis von R. M. zur beschwerdeführenden Gesellschaft betroffen habe. Ferner habe die belangte Behörde Feststellungen dahingehend unterlassen, wieviele Stunden und zu welchem Stundensatz R. M. in den verfahrensgegenständlichen Monaten tätig gewesen sei, weshalb aus dem angefochtenen Bescheid nicht nachvollzogen werden könne, ob die Geringfügigkeitsgrenze tatsächlich überschritten worden sei. Schließlich seien auch die Feststellungen der belangten Behörde betreffend ein mögliches schuldhaftes Verhalten der beschwerdeführenden Gesellschaft im Sinne des § 25 Abs 3 AlVG 1977 mangelhaft.
2.3. Ihre Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden gesetzlichen Bestimmungen begründet die beschwerdeführende Gesellschaft wie folgt:
Die in § 56 Abs 1 AlVG 1977 geregelte Möglichkeit, gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen Berufung an die Landesgeschäftsstellen zu erheben, stehe in Widerspruch zu Art 6 EMRK:
Landesgeschäftsstellen seien keine Tribunale iSd Art 6 EMRK, da diese schon die Mindesterfordernisse der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht erfüllen würden. In der vergleichbaren Bestimmung des § 65 Abs 1 ASGG sei die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorgesehen. Mangels sachlicher Rechtfertigung für diese Unterscheidung verstoße § 56 Abs 1 AlVG 1977 daher auch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Bestimmung sei auch im Hinblick darauf, dass es gegen Rückforderungen von Karenzgeldern bzw. Kinderbetreuungsgeldern seit eine Rechtsschutzmöglichkeit bei den ordentlichen Gerichten gebe, sachlich nicht gerechtfertigt.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstatte eine Gegenschrift, in der sie den Bedenken der beschwerdeführenden Gesellschaft - ohne näher auf den Vorwurf der überlangen Verfahrensdauer einzugehen - entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. 609/1977 (Wv) idF BGBl. I 104/2007, lauten auszugsweise:
"§25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, daß die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.
(2) ...
(3) Wenn eine dritte Person eine ihr nach diesem Bundesgesetz obliegende Anzeige vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch einen unberechtigten Bezug verursacht hat, kann sie zum Ersatz verpflichtet werden.
(4) - (5) ...
(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs 2 oder eine Verfügung zur Nachzahlung ist für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.
(7) - (8) ...
...
Rechtsmittel
§56. (1) Gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle ist die Berufung an die Landesgeschäftsstelle zulässig. Gegen die Entscheidung der Landesgeschäftsstelle ist keine weitere Berufung zulässig.
(2) - (3) ...
(4) Das Landesdirektorium bei jeder Landesgeschäftsstelle hat einen Ausschuß zur Behandlung von Berufungen gemäß Abs 1 einzurichten (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten).
(5) - (8) ..."
III.
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft eine Verletzung nach Art 6 Abs 1 EMRK geltend macht, weil der angefochtene Bescheid nicht in angemessener Frist ergangen sei, ist sie im Recht:
1.1. Nach Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Tribunal gehört wird, das über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.
1.2. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004, 17.582/2005, 17.644/2005, 18.743/2009; vgl. auch Frowein/Peukert, EMRK³, 2009, Art 6 Rz 251, sowie Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention4, 2009, § 24 Rz 69). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR; VfSlg. 17.821/2006, 18.066/2007, 18.509/2008).
1.3. Der Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS Steyr, mit dem das von R. M. bezogene Karenzurlaubsgeld für die unter Pkt. I.1.1. genannten Zeiträume in der Höhe von insgesamt € 5.157,88 gemäß § 25 Abs 3 AlVG 1977 von der beschwerdeführenden Gesellschaft zurückgefordert wurde, wurde ihr am zugestellt; spätestens mit diesem Tag ist der Anfangszeitpunkt des Verfahrens anzunehmen. Den Endzeitpunkt des Verfahrens bildet der , da an diesem Tag der Bescheid der Landesgeschäftsführerin des AMS OÖ, mit dem der gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS Steyr erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht stattgegeben worden war, der beschwerdeführenden Gesellschaft zugestellt wurde. Die zu beurteilende Verfahrensdauer beträgt sohin sechs Jahre und acht Monate.
1.4. Für die ungewöhnliche Länge des Berufungsverfahrens ist allein das Verhalten der belangten Behörde verantwortlich. Da nach der Aktenlage weder Art und Umfang des Sachverhaltes noch die zu beurteilende Rechtsfrage die Behandlung dieser Rechtssache als ungewöhnlich komplex erscheinen lässt, in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren aber auch kein weiterer besonderer Umstand hervorgekommen ist, welcher die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnte, ist die Dauer des Berufungsverfahrens von insgesamt mehr als sechs Jahren bis zur Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht mehr als angemessen iSd Art 6 Abs 1 EMRK anzusehen.
1.5. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist daher in ihrem durch Art 6 Abs 1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt worden.
1.6. Durch die (begehrte) Aufhebung des das (bisherige) überlange Verfahren (vorläufig) abschließenden angefochtenen Bescheides der Landesgeschäftsführerin des AMS OÖ könnte diese Rechtsverletzung aber nicht beseitigt, sondern im Gegenteil sogar insoweit verschärft werden, als das Ende des Verfahrens noch weiter verzögert werden würde. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist nach Art 6 Abs 1 EMRK stattgefunden hat (VfSlg. 17.666/2005 mwH).
1.7. Insoweit ist der Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuweisen.
2. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind. Ein solcher Fall liegt hier vor:
Die übrigen behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wären im vorliegenden Fall zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sowie insbesondere der Frage, ob von der belangten Behörde innerstaatliche einfachgesetzliche Normen oder unionsrechtliche Normen anzuwenden waren, insoweit nicht anzustellen (VfSlg. 14.886/1997).
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 11.500/1987, 15.149/1998, 17.686/2005) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetze als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Angelegenheiten des Arbeitslosenversicherungsrechtes sind dem Randbereich des Zivilrechts zuzuordnen, innerhalb dessen die nachprüfende Kontrolle der Bescheide der Organe des Arbeitsmarktservice durch den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof ausreicht.
Die Angelegenheit ist nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, insoweit von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG, wobei zu berücksichtigen ist, dass die beschwerdeführende Gesellschaft nur zum Teil durchgedrungen ist. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 200,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß '17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.