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OGH vom 12.10.1978, 7Ob655/78

OGH vom 12.10.1978, 7Ob655/78

Norm

ABGB § 810;

ABGB § 812;

Außerstreitgesetz § 159;

Kopf

SZ 51/138

Spruch

Sicherstellung der Gegenstände eines privilierten Legats gemäß § 159 Abs. 1 AußStrG statt Nachlaßabsonderung

(LG Salzburg 33 R 281/78; BG Salzburg 3 A 154/75)

Text

Karoline W hinterließ ein mit "Letzter Wille" bezeichnetes Schreiben vom September 1962, in welchem sie teilweise ohne Nennung bestimmter Gegenstände anordnete, daß verschiedene namentlich genannte Personen (aus ihrem Nachlaß) zu beteiligen sind. Der letzte Absatz dieser letztwilligen Anordnung lautet wie folgt:

"Aus dem Verkauf aller übrigen Wertgegenstände, wie Bilder, Bücher, Porzellan, Schmuck, Teppiche, Marken, eine Dr.-Otto-W-Stiftung für blinde und alte Menschen oder arme Kinder."

In ihrem Testament vom Mai 1968 nannte die Erblasserin abermals jene Personen, die aus ihrem Nachlaß zu beteiligen sind. Der letzte Absatz dieses Testamentes hat folgenden Wortlaut:

"Aus dem Verkauf der übrigen Wertgegenstände eine Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde."

In den Nachlaß gehören außer den von der Erblasserin genannten Wertgegenständen noch drei auf den Überbringer lautende Sparbücher der Österreichischen Länderbank, Filiale S, und ein auf den Namen der Erblasserin lautendes Sparbuch dieser Bank mit einem Einlagestand am Todestag von 268 046.74 S.

Das Erstgericht nahm die von der erblasserischen Nichte Marielis S und vom erblasserischen Neffen Dr. Josef K auf Grund des Gesetzes je zur Hälfte des Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung an, erachtete deren Erbrecht für ausgewiesen, überließ den erbserklärten Erben die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses und ordnete die Inventur des Nachlaßvermögens an, die vom bestellten Gerichtskommissär Dr. Egon D, öffentlicher Notar in S, durchgeführt wurde. Diese Inventur ergab Nachlaßaktiven im Werte von 1 379 363.24 S, Passiven von 33 336.19 S, daher einen reinen Nachlaß von 1 347 027.25 S. Die erbserklärten Erben bestritten die Gültigkeit der von der Erblasserin angeordneten Zuwendung an eine zu errichtende Dr.- Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde, weil ihren letztwilligen Anordnungen vom September 1962 und Mai 1968 nicht entnommen werden könne, daß ein bestimmtes Vermögen der Stiftung zufallen solle. Auch ein Verteilungsvermächtnis im Sinne des § 651 ABGB liege nicht vor. Die Finanzprokuratur nahm hierauf als Vertreterin der zu errichtenden Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde den gesamten in den Nachlaß fallenden Schmuck der Erblasserin, deren Teppiche, Bilder, Bücher, Porzellan- und Silbersachen (einschließlich der wertvollen Glas- und Ziergegenstände) sowie deren Stilmöbel im Gesamtwerte von 990 620 S in Anspruch und beantragte die Absonderung des Nachlasses nach § 812 ABGB und die Bestellung eines Separationskurators.

Das Erstgericht ordnete die Absonderung der für die Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde in Anspruch genommenen Wertgegenstände vom Vermögen der erbserklärten Erben Marielis S und Dr. Josef K an, bestellte DDr. Werner R, Rechtsanwalt in S, zum Kurator und trug ihm auf, die angeordnete Nachlaßseparation durchzuführen (Punkte I und II). Die Einantwortung des Nachlasses behielt das Erstgericht bis zur Durchführung der Sicherstellung des Vermächtnisses zugunsten der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde vor und stellte fest, daß im Hinblick auf die angeordnete Nachlaßseparation das Recht der erbserklärten Erben zur Besorgung und Verwaltung des Nachlasses erloschen sei (Punkte III und V Abs. 2). Bei dem von der Erblasserin bestellten Vermächtnis zu Gunsten der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde handle es sich um ein zu gemeinnützigen Zwecken bestimmtes Legat, zu dessen Sicherstellung bis zur Feststellung seiner allfälligen Unwirksamkeit im Rechtsweg die Anordnung der Nachlaßabsonderung erforderlich sei. Erst nach Durchführung dieser Sicherstellung könne die Einantwortung des Nachlasses an die erbserklärten Erben erfolgen.

Das Rekursgericht wies den Antrag der Finanzprokuratur auf Nachlaßabsonderung ab und hob den erstgerichtlichen Beschluß in seinen Punkten I bis III und V Abs. 2 ersatzlos auf. Es war der Ansicht, daß die von der Erblasserin in ihrem letzten Willen vom Mai 1968 zugunsten der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde getroffene eingangs erwähnte Verfügung mangels Bestimmtheit im Sinne des § 565 ABGB keine geeignete letztwillige Verfügung darstelle, die Gegenstand einer gerichtlichen Anordnung im Verlassenschaftsverfahren sein könnte. Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung dieses Legates im Sinne des § 159 Abs. 1 AußStrG seien daher nicht gegeben. Die Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde besitze außerdem noch keine Rechtspersönlichkeit und könnte daher von den erbserklärten Erben nicht geklagt werden. Es wäre daher völlig in das Belieben der Finanzprokuratur oder der Stiftungsbehörde gestellt, durch Nichtbegründung der Stiftung das Verlassenschaftsverfahren uferlos hinauszuziehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Stiftung Folge und stellte den Beschluß des Erstrichters derart wieder her, daß die Verwahrung und Verwaltung bestimmter zum Nachlaß gehöriger Wertgegenstände angeordnet und die Einantwortung des Nachlasses bis zur Durchführung dieser Sicherstellung vorbehalten, der Antrag der Stiftung auf Widerruf der den erbserklärten Erben eingeräumten Besorgung und Verwaltung des Nachlasses hingegen abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil durch die Entscheidung des Rekursgerichtes die Legatsansprüche der Rekurswerberin berührt werden und daher in deren Vermögensrechte eingegriffen wird (SZ 47/87; 6 Ob 619/76; 1 Ob 576/77; zuletzt 7 Ob 567, 568/78); er ist aber auch berechtigt.

Die von der Erblasserin zugunsten der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde getroffene Verfügung ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ihrer äußeren Form nach (eigenhändig geschrieben und unterschrieben) als letztwillige Anordnung zu betrachten. Ob sie die erforderliche Bestimmtheit im Sinne des § 565 ABGB aufweist, ist eine Frage der Gültigkeit des Legates, die im Hinblick auf die auch zu klärenden strittigen Tatumstände nicht im Abhandlungsverfahren zu prüfen, sondern im Rechtsweg zu entscheiden ist (SZ 42/69; 5 Ob 312, 313/64; zuletzt 7 Ob 567, 568/78). Diese Auffassung wird auch vom Verfasser des vom Rekursgericht zur Stützung seiner gegenteiligen Rechtsansicht zitierten Aufsatzes, Dr. Franz Hummel: "Die Beurteilung der Gültigkeit eines Testamentes im Abhandlungsverfahren" in NotZtg. 1955, 113, ausdrücklich vertreten. Bei dem strittigen Vermächtnis handelt es sich um ein privilegiertes (zu gemeinnützigen Zwecken bestimmtes) Legat, für dessen Sicherstellung das Erstgericht, solange seine Unwirksamkeit im Rechtsweg nicht festgestellt ist, von Amts wegen (§ 159 Abs. 1 AußStrG) zu sorgen hatte (SZ 21/52 = EFSlg. 3841; NotZtg. 1974/47).

Verfehlt war allerdings die vom Erstgericht angeordnete Nachlaßabsonderung hinsichtlich der von der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde in Anspruch genommenen, in den Nachlaß fallenden Wertgegenstände. Durch die Nachlaßabsonderung kann nämlich nur den besonderen, den Legataren aus einer Vermengung der Verlassenschaft mit dem Erbenvermögen drohenden Gefahren begegnet werden. Eine Verfügung nach § 812 ABGB muß sich daher immer auf den ganzen Nachlaß erstrecken (Weiß in Klang[2] III, 1022; JBl. 1957, 644; EvBl. 1959/33). Mit der angeordneten, auf die von der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde in Anspruch genommenen Wertgegenstände des Nachlaßvermögens beschränkten Nachlaßabsonderung wollte aber das Erstgericht, wie sich aus der Begründung des von ihm gefaßten Beschlusses eindeutig ergibt, nur die Sicherstellung des der Stiftung zugedachten Legates anordnen. Es war allerdings der irrigen Meinung, daß hiezu eine Nachlaßabsonderung erforderlich wäre, obwohl die Verwahrung und Verwaltung des von der Stiftung in Anspruch genommenen Vermögens zur Sicherstellung ausgereicht hätte. In seinen Punkten I und II war daher der erstgerichtliche Beschluß mit dem im Spruch ersichtlichen Inhalt wiederherzustellen, durch den deutlich zum Ausdruck gebracht wird, daß nur eine Sicherstellung des Vermächtnisses der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde im Sinne des § 159 Abs. 1 AußStrG erfolgt. In seinem Punkt III war hingegen der erstgerichtliche Beschluß zur Gänze wiederherzustellen.

Die den erbserklärten Erben überlassene Besorgung und Verwaltung des Nachlasses wird nur durch die rechtskräftige Anordnung der Nachlaßabsonderung im Sinne des § 812 ABGB hinfällig (Weiß in Klang[2] III, 1020). Die bloße Sicherstellung eines privilegierten Legates berührt hingegen die den Erben überlassene Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nicht. Punkt V Abs. 2 des erstgerichtlichen Beschlusses war daher im Sinne einer Abweisung des Antrages der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde auf Widerruf der den erbserklärten Erben eingeräumten Befugnis zur Besorgung und Verwaltung des Nachlasses abzuändern.

Eine Stellungnahme zu den Ausführungen des Rekursgerichtes, die Finanzprokuratur oder die Stiftungsbehörde könnte die Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens uferlos hinausziehen, erübrigt sich schon deshalb, weil mittlerweile die Errichtung der Dr.-Otto-W-Stiftung für arme Kinder und Blinde mit Bescheid des Landeshauptmannes von S vom , Zl. 2.05-716/5-1975, für zulässig erklärt wurde.