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VfGH vom 11.03.2014, B1451/2011

VfGH vom 11.03.2014, B1451/2011

19857

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Streichung der Arzneispezialität Topamax aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex mangels Einigung mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts über eine neuerliche Preisreduktion nach Aufnahme des dritten Generikums

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Streichung der Arzneispezialität Topamax aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex. Dabei handelt es sich nach den (unbestrittenen) Feststellungen der belangten Behörde um ein Antiepileptikum mit dem Wirkstoff Topiramat. Topamax stellte das erste im grünen Bereich des Erstattungskodex angeführte Topiramat-Präparat dar, allerdings mit einer einschränkenden Verschreibungsregel. Nach Aufnahme mehrerer generischer Topiramatprodukte leitete der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (in der Folge: Hauptverband) mit Schreiben vom ein Verfahren zur Streichung von Topamax aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex ein. Zwischen dem Hauptverband und der beschwerdeführenden Partei war dabei im Wesentlichen strittig, in welchem Ausmaß der Fabriksabgabepreis von Topamax nach der Aufnahme des dritten Generikums in den grünen Bereich des Erstattungskodex abzusenken sei. Während der Hauptverband unter Berufung auf § 351c Abs 10 Z 1 vorletzter Satz des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) iVm § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex (VO–EKO) eine Preissenkung auf den Preis des dritten Generikums forderte, bot die beschwerdeführende Partei eine Preissenkung in geringerem Ausmaß, zuletzt auf den jeweils niedrigsten Fabriksabgabepreis innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, an. Dabei berief sich die beschwerdeführende Partei teils darauf, dass der Vergleichspreis des Generikums niedriger sei als der "rechtlich zulässige Höchstpreis", und teils darauf, dass die Arzneispezialität Topamax im Gegensatz zu den generischen Vergleichspräparaten nur eingeschränkt verschreibbar sei, weshalb ein höherer Preis gerechtfertigt wäre.

2. Mit Bescheid vom verfügte der Hauptverband die Streichung der Arzneispezialität "Topamax 200 MG Filmtabl 60 Stück" aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex. Nach der wesentlichen Begründung dieses Bescheides vertrat der Hauptverband u.a. die Auffassung, dass die Aufrechterhaltung der eingeschränkten Verschreibbarkeit von Topamax aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar sei, zumal sämtliche wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte frei verschreibbar seien. Der Hauptverband berief sich ferner auf die Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (im Folgenden: HEK), deren ("im Interesse der Transparenz und der Gleichbehandlung aller Unternehmen") veröffentlichte "Ökonomische Beurteilungskriterien" in § 1 Abs 1 Z 2 zweiter Satz eine Absenkung des Fabriksabgabepreises auf jenen des dritten Generikums in Fällen wie dem vorliegenden vorsehen würden. Die beschwerdeführende Partei habe keine "gravierend notwendigen Gründe angeführt", aus denen von der "Expertenmeinung der HEK" abzuweichen sei. Es komme nicht darauf an, ob die Preise der Nachfolgeprodukte das rechtliche Mindestmaß darstellen würden oder ob dieses unterschritten sei. Da die Angebote der beschwerdeführenden Partei die "Ziel-Preise" nicht erreichen, sei aus gesundheitsökonomischer Sicht die Streichung von Topamax aus dem Erstattungskodex geboten.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission. Diese wies die Beschwerde mit der vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen "Entscheidung" als unbegründet ab. Nach einer Wiedergabe des Verfahrensganges führt die belangte Behörde begründend aus (und insoweit ist die Begründung für das verfassungsgerichtliche Verfahren wesentlich), die beschwerdeführende Partei gehe mit ihrer Auffassung fehl, dass der Hauptverband "jedes Angebot zur Preissenkung durch das Unternehmen akzeptieren müsste". Das Gesetz sehe bei Nichterzielung einer Einigung die Streichung des Präparates vor. Der Hauptverband sei also auf Grund der gesetzlichen Grundlagen nicht zur Annahme eines Preisangebotes verpflichtet. Das "ASVG [gebe] dem Hauptverband in diesem Fall das Recht, selbst die als ökonomisch anzusehende Preisreduktion festzulegen". Er sei dabei nicht an die Beurteilungskriterien der HEK gebunden. Jedoch sei die Anwendung der Grundsätze der HEK als nachvollziehbare Begründung zu werten. Eine Überschreitung des Ermessensspielraums liege nicht vor.

4. Gegen die abweisende Entscheidung der Unabhängigen Heilmittelkommission richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B–VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung gestützte Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz iSd Art 7 Abs 1 B–VG sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt und regt die Prüfung und Aufhebung der §§351c Abs 10 Z 1 und 351h Abs 3 Z 7 ASVG sowie des § 25 Abs 2 Z 1 litc (nach dem Beschwerdevorbringen gemeint: litb) VO–EKO an.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Der Hauptverband erstattete eine Äußerung, in der er den Beschwerdeausführungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Rechtslage

Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955, idF BGBl I 52/2011, lauten auszugsweise wie folgt:

1. Gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger:

"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomischtherapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.

d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.

Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband in der Verordnung nach § 351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."

2. Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:

"Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) – (6) […]

(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:

1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU Durchschnittspreis nicht überschreiten.

2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt werden kann, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Die Preiskommission hat spätestens alle sechs Monate eine Preisevaluierung durchzuführen. Wird dabei festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt (Generikum) vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:

1. Der Hauptverband hat mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30% zu vereinbaren, womit die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex bleibt. Für die Aufnahme des Generikums in den Erstattungskodex vereinbart der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen einen Preis, der um 25,7% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Sobald durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, kann der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

2. Der Hauptverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines Generikums abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.

3. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Österreich kein Generikum vorliegen wird und der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunk[t] keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Hauptverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschreiben.

Entscheidung des Hauptverbandes

§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten die selben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechtsmittelfristen nach § 351i Abs 3 zu belehren.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Hauptverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist.

[…]

Streichung aus dem Erstattungskodex

§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs 3 Z 12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Hauptverband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unternehmen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arzneispezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.

(2) In der Verordnung nach Abs 1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,

1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2. ob und welcher therapeutische Mehrwert (Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen eingeleitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und

4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendigkeiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen.

(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozialversicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.

(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs 1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Hauptverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen.

(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs 5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Erstattungskodex aufgenommen wurden.

Einrichtung und Zusammensetzung

der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heilmittelkommission einzurichten.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vorsitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Naheverhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs 3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.

(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unabhängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:

1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,

2. Österreichische Ärztekammer,

3. Österreichische Apothekerkammer,

4. Wirtschaftskammer Österreich,

5. Gesundheit Österreich GmbH,

6. Bundesarbeitskammer,

7. Hauptverband.

Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die erforderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.

(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittelkommission verhindert ist.

(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stellvertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg. Der Bundesminister für Gesundheit hat das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung zu unterrichten.

(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraussetzungen nach Abs 2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied

1. dies beantragt oder

2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen.

Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet

1. über Beschwerden des Antragstellers,

a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde;

2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Hauptverbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde.

(3) Beschwerden nach den Abs 1 und 2 sind binnen 30 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Hauptverbandes bei der Unabhängigen Heilmittelkommission einzubringen. Gleichzeitig sind die Beschwerden dem Hauptverband zur Kenntnis zu bringen. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach § 351c Abs 10 Z 1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs 2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. Sie können sich nur auf Sachverhalte und Umstände beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Hauptverband bereits eingebracht worden sind. Die Unabhängige Heilmittelkommission darf sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht auf Sachverhalte und Umstände stützen, die nach der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Hauptverband eingebracht werden. Allfällige Fragen patentrechtlicher Art sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Unabhängigen Heilmittelkommission.

(4) Die Unabhängige Heilmittelkommission hat die Entscheidung des Hauptverbandes, mit der

1. der Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

2. eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll oder

3. die Verschreibbarkeit einer Arzneispezialität geändert werden soll,

aufzuheben, wenn der Hauptverband im Verfahren sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; dabei sind alle in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zu würdigen. Der Hauptverband hat sodann innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach § 351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Entscheidung des Hauptverbandes auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs 2 und 4) einer Arzneispezialität nach § 351c Abs 1 aufgehoben, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Hauptverband die Frist nach § 351c Abs 1 neu zu laufen. Der Hauptverband ist bei seiner neuerlichen Entscheidung an die in der Aufhebungsentscheidung geäußerte Auffassung der Unabhängigen Heilmittelkommission gebunden.

(5) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auf Antrag selbst über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex, wenn der Hauptverband nicht fristgerecht entschieden hat. Die Unabhängige Heilmittelkommission hat innerhalb von 180 Tagen nach Einlangen dieses Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt.

(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."

3. § 25 der vom Hauptverband erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG – VO–EKO, Verlautbarung 106/2008, lautet auszugsweise folgendermaßen:

"Gesundheitsökonomische Evaluation

§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der beantragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten/Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.

(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:

1. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG iVm § 609 Abs 20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.

a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.

b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

c) Gemäß § 351c Abs 10 Z 2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewährleisten.

[...]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei wendet sich zunächst mit der Behauptung der Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gegen die kollegiale Zusammensetzung der belangten Behörde, und zwar mit der Begründung, es habe an der Entscheidung mit dem Leiter der Abteilung "EBM/HTA" ("Evidence Based Medicine" bzw. "Health Technology Assessment") des Hauptverbandes ein befangener Organwalter mitgewirkt.

1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000 und 16.572/2002). Im Hinblick auf ihr diesbezügliches Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei, dass selbst die Mitwirkung eines befangenen Organwalters keine Verletzung dieses Rechts bewirken würde (s. etwa VfSlg 16.467/2002, 16.959/2003).

1.2. Auch wenn das Beschwerdevorbringen dahingehend gedeutet wird, dass damit eine Verletzung der Garantien des Art 6 EMRK geltend gemacht werden sollte, so ist auch eine solche aus folgenden Erwägungen nicht zu erkennen:

Der Verfassungsgerichtshof hat die Unabhängige Heilmittelkommission bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 17.686/2005 (diesem folgend VfSlg 17.701/2005) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art 133 Z 4 B–VG und als Tribunal iSd Art 6 EMRK qualifiziert. Der Gerichtshof hält an dieser Rechtsprechung weiterhin fest.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 9887/1983, 11.912/1988 uva.) lässt sich allein aus der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung sogenannter Interessenvertreter an der Entscheidung eine – auch nur scheinbare – Abhängigkeit von den Streitparteien nicht ableiten: Die weisungsfreien Interessenvertreter, die in einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art 133 Z 4 B–VG vertreten sind, fungieren keinesfalls als persönliches Sprachrohr der einen oder anderen Partei; sie sollen vielmehr fachliche Gesichtspunkte in den Entscheidungsvorgang einbringen, die sich aus ihrer jeweiligen Berufsstellung ergeben. Ein Verstoß gegen die geforderte Unparteilichkeit könnte, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 12.470/1990 mit näherer Begründung ausgesprochen hat, nur in besonderen Umständen liegen, die sich aus einer dienstlichen oder organisatorischen Abhängigkeit der bestellten Kommissionsmitglieder ergeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit dem auch im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwand betreffend das oben erwähnte Mitglied der belangten Behörde in seinem Erkenntnis VfSlg 19.631/2012 unter Einbeziehung einschlägiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bereits eingehend auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass allein aus der dienstrechtlichen Stellung als Abteilungsleiter des Hauptverbandes keine Befangenheit bei der Mitwirkung an der Rechtsfindung der belangten Behörde abzuleiten ist. Gegen die konkrete Zusammensetzung der belangten Behörde sind daher in Bezug auf Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder keine Bedenken entstanden.

1.3. Auch im vorliegenden Fall wird – abgesehen von der Darlegung der organisationsrechtlichen Stellung des betreffenden Mitgliedes der belangten Behörde und der daraus abgeleiteten Bedenken – kein weiterer Umstand geltend gemacht, der im vorliegenden Verfahren zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der belangten Behörde Anlass geben könnte.

1.4. Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.

2. Die beschwerdeführende Partei behauptet ferner, dass die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde – gemessen an den Anforderungen an ein "effektives Rechtsmittel" – nicht ausreiche und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter darstelle. Die Prüfung, ob der Hauptverband "sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat", gewährleiste keine ausreichende Kontrolldichte.

2.1. Die vom Hauptverband für die Aufnahme von Arzneimitteln in den Erstattungskodex zu beachtenden Kriterien geben einen ausreichend determinierenden Rahmen für eine Abwägungsentscheidung des Hauptverbandes. Die Unabhängige Heilmittelkommission ist berechtigt, die Entscheidung des Hauptverbandes in jeder Hinsicht zu überprüfen, d.h. sowohl die Verletzung der gesetzlichen Grenzen der Ermessensübung als auch eine dieser Prüfung entgegenstehende, unzureichende (d.h. auch widersprüchliche, unschlüssige oder fehlende) Begründung als zur Aufhebung der Entscheidung des Hauptverbandes führende Rechtswidrigkeit aufzugreifen. Der Umstand, dass die Unabhängige Heilmittelkommission eine bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis hat, reicht angesichts der gesetzlichen Bindungswirkung ihrer Entscheidungen nach dem genannten Maßstab aus ().

2.2. Der in der Beschwerde kritisierte Ausschluss der beschwerdeführenden Partei von neuem Tatsachen- und Beweisvorbringen im Beschwerdeverfahren vor der belangten Behörde dient der Einhaltung der der Behörde im Interesse einer raschen Erledigung gesetzten Entscheidungsfristen und entspricht der Logik einer bloß nachprüfenden Kontrolle, die der Verfassungsgerichtshof als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt hat (vgl. schon VfSlg 17.686/2005).

3. Ferner behauptet die beschwerdeführende Partei die Verfassungswidrigkeit des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und des § 25 Abs 2 Z 1 der VO EKO, und zwar mit der Begründung, dass "das Gesetz nicht dem Gebot der Bestimmtheit nach Art 18 B–VG" entspreche. Bei Eintritt des dritten wirkstoffgleichen Generikums sei die gebotene Preisreduktion des "Originals" mit der Anordnung einer "neuerlichen Preisreduktion" weder im Gesetz noch in der VO-EKO (nämlich in § 25 Abs 2 Z 1 litb VO EKO) festgelegt. Die beschwerdeführende Partei habe im Verfahren mehrere Preissenkungsstufen, darunter eine Preissenkung auf den niedrigsten EU-Preis, angeboten, worauf die Behörde nicht eingegangen sei, sondern eine Preissenkung auf den Preis des dritten Generikums verlangt habe. Daraus ergebe sich, dass das Gesetz der Behörde einen unangemessen weiten Ermessensspielraum einräume. Ebenso würden keine Kriterien für eine neuerliche Preissenkung definiert.

3.1. Mit der Aufnahme in den Erstattungskodex wird festgelegt, welche Arzneispezialitäten von welchem Arzt unmittelbar auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers mit oder ohne vorherige chefärztliche Genehmigung verschrieben werden dürfen; die Verschreibung dieser Medikamente durch den Arzt ist somit für die Krankenversicherungsträger unmittelbar kostenwirksam, sodass die genannten Kriterien für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Kreis der verschreibbaren Medikamente dem wichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung dienen.

3.2. Die im Gesetz und in der VO-EKO – auch in Umsetzung der Richtlinie 89/105/EWG– vorgesehenen Anforderungen für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex dienen – gemeinsam mit anderen Preisregelungsvorschriften auf diesem Gebiet (vgl. VfSlg 19.631/2012) – dem Ziel der "Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit Arzneimitteln zu angemessenen Kosten" sowie einer "Einschränkung der Palette der Erzeugnisse, die vom staatlichen Krankenversicherungssystem gedeckt werden" bzw. in den verba legalia des § 25 Abs 1 VO-EKO dem Ziel einer ökonomischen Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen bei Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit. Mit den Vorschriften der §§351c ff. ASVG hat der Gesetzgeber unmissverständlich den für den Erstattungskodex tragenden Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass eine Arzneispezialität nur dann in den Erstattungskodex aufgenommen werden (oder darin verbleiben) soll, wenn sie entweder einen medizinischen oder zumindest einen ökonomischen Zusatznutzen gegenüber anderen im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten aufweist (VfSlg 19.714/2012).

3.3. Diesem Grundgedanken folgt u.a. auch § 351c Abs 10 Z 1 ASVG, wonach der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen bei Aufnahme des ersten Generikums zunächst eine Preisreduktion von 30% für das Originalprodukt zu vereinbaren hat und der Preis des Generikums hingegen um 25,7% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegen muss. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Sobald aber durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, kann der Hauptverband nach dieser Bestimmung mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts "eine neuerliche Preisreduktion" vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

3.4. Soweit sich die Beschwerdeeinwände zunächst gegen die Normen des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und des § 25 Abs 2 Z 1 VO–EKO richten, ist ihnen Folgendes entgegenzuhalten:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes richtet sich der nach Art 18 B–VG erforderliche Grad der Bestimmtheit einer gesetzlichen Regelung auch nach dem Regelungsgegenstand (zB VfSlg 13.785/1994). Im Wirtschaftsrecht und insbesondere bei Preisregelungsvorschriften, die ihrer Natur nach an ökonomische Kriterien anknüpfen, dürfen die Anforderungen an die Vorherbestimmung des behördlichen Verhaltens nicht überspannt werden (vgl. zum "volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preis" VfSlg 2768/1954, 10.296/1984, 10.313/1984, 12.564/1990, 18.453/2008).

§351c Abs 10 Z 1 ASVG und auf dieser Grundlage § 25 Abs 2 Z 1 VO-EKO legen fest, dass, sobald durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalproduktes eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren kann. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Mit dieser Regelung macht § 351c Abs 10 Z 1 ASVG zunächst deutlich, dass vom vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalproduktes jedenfalls kein niedrigerer Preis verlangt werden darf als jener, der dem Generikum zugestanden worden ist, das die dritte Preissenkung bewirkt hat. Angesichts der Voraussetzungen des ersten Satzes der Z 1 des § 351c Abs 10 ASVG ist es auch grundsätzlich konsequent, für wirkstoffgleiche Produkte im System des Erstattungskodex gleiche Preise vorzusehen.

Hat sich auf Grund bestimmter Eigenschaften des Originalproduktes oder der damit zu therapierenden Erkrankung zB eine Umstellung von Patienten auf ein Generikum als nur erschwert möglich erwiesen (dazu, dass die Verträglichkeit eines Generikums im Einzelfall kein Prüfungskriterium bei der Aufnahme in den Erstattungskodex ist, vgl. VfSlg 19.724/2012), kann freilich auch weiterhin ein (erhebliches) Interesse der Versicherten am Vorhandensein des Originalproduktes im Kodex der im Rahmen der sozialen Krankenversicherung verschreibbaren Arzneispezialitäten gegeben sein. Ein derartiges Interesse hat der Hauptverband im Zuge der nach § 351c Abs 10 Z 1 vorletzter Satz ASVG zu führenden Verhandlungen mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts zu berücksichtigen, allerdings mit den wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung abzuwägen (zur genehmigungsbedürftigen Verschreibbarkeit auch nicht im Erstattungskodex gelisteter Arzneimittel vgl. zB mwH). Der Spielraum des Hauptverbandes ist dabei aber durch die dargestellten Kriterien im Lichte des Art 18 B–VG ausreichend bestimmt.

Der erforderliche Rechtsschutz für das vertriebsberechtigte Unternehmen ist dadurch gewährleistet, dass bei der Kontrolle der Streichungsentscheidung durch die unabhängige Heilmittelkommission die Angemessenheit der Forderungen des Hauptverbandes bzw. der Angebote des vertriebsberechtigten Unternehmens im Rahmen der genannten gesetzlichen Kriterien nachprüfbar ist (dazu vgl. VfSlg 19.631/2012; zur Befugnis zur jederzeitigen Verbesserung des Angebots durch das vertriebsberechtigte Unternehmen außerhalb der zeitlichen Vorgaben des § 19 Abs 1 VO-EKO vgl. im Übrigen ).

4. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung den dargestellten rechtlichen Grundlagen fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte:

4.1. Es steht – wie oben unter Punkt 3.4. ausgeführt – mit dem durch § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und § 25 Abs 2 Z 1 VO-EKO vorgegebenen System der Preisregulierung im Einklang, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass die "Ökonomischen Richtlinien" der Heilmittel-Evaluierungskommission als sachverständige Empfehlung und damit Orientierung für den Hauptverband wie die betroffenen Unternehmen bei der Handhabung des durch das Anknüpfen an ökonomische Kriterien in § 351c Abs 10 Z 1 ASVG eröffneten Auslegungsspielraums dienen (vgl. VfSlg 19.631/2012). Wie die belangte Behörde zu Recht betont, können solche sachverständigen Empfehlungen als Orientierungshilfe insbesondere die Gleichbehandlung der einzelnen Fälle durch den Hauptverband bei Anwendung des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG unterstützen.

4.2. Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde annimmt, dass der Hauptverband hinsichtlich der – im Rahmen von Verhandlungen mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalproduktes gemäß § 351c Abs 10 Z 1 vorletzter Satz ASVG zu vereinbarenden – Preisreduktion von einer Vermutung dahingehend ausgehen kann, dass eine Absenkung des Preises auf das Niveau des die dritte Preisreduktion auslösenden Generikums den ökonomisch angemessenen Preis darstellt (zumal, wenn gleichzeitig die Preise des ersten und zweiten nachfolgenden Generikums ebenfalls auf das Niveau des die dritte Preisreduktion auslösenden Generikums abgesenkt werden). Diese Vermutung kann – wie § 351c Abs 10 Z 1 ASVG vorgibt (vgl. oben Punkt 3.4.) – aus medizinischen oder sonstigen inhaltlichen Gründen freilich widerlegt werden. Solche Gründe hat das vertriebsberechtigte Unternehmen im vorliegenden Fall insbesondere mit Hinweis darauf vorgebracht, dass den Patienten eine Umstellung weg vom Originalprodukt auf andere Produkte nicht zumutbar wäre. Die belangte Behörde ist aber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Hauptverband unter Hinweis auf entsprechende fachliche Indikatoren diesem Vorbringen zu Recht nicht gefolgt ist.

5. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie hier – gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art 133 Z 4 B–VG in der bis zum geltenden Fassung nicht mit Beschwerde an den VwGH bekämpft werden kann (zB VfSlg 9541/1982 mwN).

IV. Ergebnis

1. Die beschwerdeführende Partei wurde daher durch den angefochtenen Bescheid weder in einem der von ihr geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in ihren Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen verletzt.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.

3. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B1451.2011