OGH vom 13.12.2012, 12Os151/12s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Arthur P***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, AZ 21 U 42/12t des Bezirksgerichts Favoriten, über die von der Generalprokuratur gegen die Verfügung dieses Gerichts vom , AZ 21 U 42/12t (ON 8), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger und des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die als „Beschluss“ bezeichnete Verfügung vom verletzt im Umfang der Festsetzung eines 250 Euro übersteigenden, für die vorläufige Einstellung des Verfahrens unter Bestimmung einer Probezeit vorausgesetzten Beitrags zu den gemäß § 381 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO zu ersetzenden Kosten das Gesetz in der Bestimmung des § 388 Abs 1 StPO.
Diese Verfügung, die im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben.
Text
Gründe:
Im Verfahren AZ 21 U 42/12t des Bezirksgerichts Favoriten legte die Staatsanwaltschaft Wien mit Strafantrag vom , AZ 140 BAZ 140/12a, Arthur P***** das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB zur Last (ON 3).
Gegen Ende der Hauptverhandlung vom wurde die Einleitung eines Diversionsverfahrens erörtert, wobei sich der Angeklagte mit der Bezahlung von Verfahrenskosten inklusive 70 Euro Pauschalkosten in der Höhe von 1.079 Euro „unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren“ bereit erklärte (ON 8 S 21).
Hierauf wurde der „Beschluss“ auf „vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 199 StPO iVm § 203 StPO unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren gegen Bezahlung der Verfahrenskosten in der Höhe von 1.079 Euro“ verkündet, wobei die Bezirksanwältin keinen Einwand erhob.
Nachdem der Angeklagte 1.079 Euro einbezahlt hatte (ON 9), wurde der Akt am mit dem Klammerausdruck „Div zu a“ der Bezirksanwältin übermittelt (ON 1 S 2), die am erklärte, gegen ein diversionelles Vorgehen gemäß §§ 203 Abs 1, 199 StPO keinen Einwand zu erheben (ON 1 S 3).
Mit Beschluss vom wurde das Verfahren gemäß § 199 StPO iVm § 203 StPO nach Zahlung der Verfahrenskosten in der Höhe von 1.079 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt. Zufolge der Begründung würden nach Bezahlung der Verfahrenskosten die Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung gemäß § 203 StPO vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei (ON 10).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die als „Beschluss“ bezeichnete Verfügung des Bezirksgerichts vom mit dem Gesetz insofern nicht im Einklang, als dem Angeklagten die vorläufige Verfahrenseinstellung unter Bestimmung einer Probezeit für den Fall der Bezahlung von Verfahrenskosten in einer 250 Euro übersteigenden Höhe in Aussicht gestellt wurde.
Nach Einbringen der Anklage wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung hat das Gericht gemäß § 199 StPO die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen der §§ 198, 200 bis 209 StPO sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
Die vorläufige Einstellung des Verfahrens unter Bestimmung einer Probezeit (§ 203 Abs 1 StPO) setzt gemäß § 388 Abs 1 StPO die Leistung eines Beitrags zu den gemäß § 381 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO zu ersetzenden Kosten bis zu 250 Euro voraus. Die Vorschreibung eines 250 Euro übersteigenden Kostenbeitrags kommt demnach nicht in Betracht (vgl Fabrizy , StPO 11 § 388 Rz 1; Lendl , WK StPO § 388 Rz 4; Schroll , WK StPO § 203 Rz 14; 14 Os 16/12b).
Die Entrichtung des Kostenbeitrags ist verpflichtend, das Gericht kann das Verfahren erst dann vorläufig einstellen, wenn der Angeklagte den Betrag tatsächlich bezahlt hat (vgl Lendl , WK StPO § 388 Rz 2; Schroll , WK StPO § 203 Rz 12; Schroll ÖJZ 2009, 20, 23; Bergauer RZ 2008, 33). Ein an die Bedingung künftiger Zahlung geknüpfter gerichtlicher Beschluss ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zulässig (vgl Schroll , WK StPO § 203 Rz 12), vielmehr ist dem Angeklagten ein den konkreten Kostenbeitrag enthaltendes Anbot (§ 207 iVm § 203 Abs 3 erster Satz StPO) zu stellen (vgl Schroll , WK StPO § 203 Rz 10, 13).
Wählt das Gericht wie hier den im Gesetz gar nicht vorgesehenen Weg einer „vorläufigen Einstellung“ unter gleichzeitiger Bekanntgabe des zu leistenden Pauschalkostenbeitrags, so stellt diese Verfügung eine bloß falsch bezeichnete Mitteilung gemäß § 203 Abs 3 erster Satz iVm § 207 StPO dar (vgl RIS Justiz RS0119663 [T4]).
In einer solchen Mitteilung liegt keine bloß prozessleitende, vielmehr eine Bindungswirkung entfaltende Verfügung, die solcherart Gegenstand einer konkreten Wirkung iSd letzten Satzes des § 292 StPO ist (vgl Ratz , WK StPO § 292 Rz 46).
Das Anbot vom auf vorläufige Verfahrenseinstellung gegen Bezahlung eines 250 Euro übersteigenden Beitrags zu den Verfahrenskosten hat sich für den Angeklagten nachteilig ausgewirkt. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, die als „Beschluss“ bezeichnete Verfügung vom in dem 250 Euro übersteigenden Ausmaß des für die vorläufige Einstellung des Verfahrens unter Bestimmung einer Probezeit vorausgesetzten (§ 388 Abs 1 StPO) Beitrags zu den gemäß § 381 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO zu ersetzenden Kosten aufzuheben.
Der Beschluss vom (ON 10) bleibt davon unberührt, weil der Angeklagte durch Leistung des festgesetzten Kostenbeitrags die sich aus § 388 Abs 1 StPO ergebende Bedingung für eine vorläufige Einstellung des Verfahrens unter Bestimmung einer Probezeit jedenfalls erfüllt hat.
Das Bezirksgericht Favoriten wird die Rückzahlung des 250 Euro übersteigenden (vom Angeklagten bereits bezahlten) Betrags zu veranlassen haben.