OGH vom 15.07.2014, 10Ob39/14d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des S*****, geboren am *****, der V*****, geboren am ***** und des L*****, geboren am *****, die beiden Letztgenannten in Obsorge der Mutter Dr. K*****, die Mutter vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen Übertragung der Obsorge, über 1) den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dr. A*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 329/08v-S134, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Grieskirchen vom , GZ 1 P 30/04t-S114, bestätigt wurde und über 2.) den Rekurs des Dr. A***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 21 R 329/08v-S134, mit dem über Dr. A***** als Rekurswerber eine Ordnungsstrafe von 1.450 EUR verhängt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die vom Erstgericht verhängte Ordnungsstrafe von 1.450 EUR richtet, wird er zurückgewiesen.
2. Dem Rekurs gegen die vom Rekursgericht verhängte Ordnungsstrafe von 1.450 EUR wird nicht Folge gegeben.
3. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung der Anträge auf Übertragung der Obsorge richtet, wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der mittlerweile volljährige S***** und die beiden minderjährigen L***** und V***** sind die Kinder des Dr. A***** (im Folgenden nur „Vater“). Die Ehe der Eltern ist geschieden. Mit Beschluss vom (ON 58) betraute das Erstgericht die Mutter allein mit der Obsorge für die Kinder. Dieser Beschluss ist rechtskräftig.
Am beantragte der Vater erstmals, der Mutter die Obsorge zu entziehen und die Obsorge an ihn zu übertragen. Mit Beschluss vom wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Die gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsmittel des Vaters blieben erfolglos, sodass die Entscheidung in Rechtskraft erwuchs.
Am und am beantragte der Vater neuerlich, der Mutter die Obsorge für die Kinder zu entziehen und die Obsorge an ihn zu übertragen. Dabei nahm er im Zuge des Verfahrens auch auf die Richter des Rechtsmittelsenats des Landesgerichts Wels Bezug und führte in seiner Eingabe vom ua aus:
„... Dies ist nur als Beweis der katastrophalen emotionellen Minderintelligenz dieser Richter zu werten, die die Kinderpsyche nachweislich opfern, um die eigene richterliche Insuffizienz und den sexuellen Missbrauch der Kindesmutter durch ihren Vater zu vertuschen ...
... Der R Senat ist bisher nur aufgetreten als amtsmissbrauchender, Ordnungsstrafen verhängender Neurotikersenat ...
... Es handelt sich beim R Senat tatsächlich um eine atypische Ansammlung von neurotischen emotionell unausgereiften Richtern, die Beihilfe zur psychischen Kindesmisshandlung leisten ...“
Das Erstgericht wies die Anträge auf Übertragung der Obsorge ab und verhängte eine Ordnungsstrafe in Höhe von 1.450 EUR. Die Verhängung der Ordnungsstrafe wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Vater in seiner Eingabe vom nicht nur gegen den Erstrichter (im Einzelnen nicht wiedergegebene) Anwürfe erhoben habe, die an der Grenze zur Beleidigung lägen, sondern auch die Rechtsmittelrichter des Landesgerichts Wels mit beleidigenden Ausfällen bedacht habe.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionrekurs nicht zulässig sei. Unter einem verhängte es eine weitere Ordnungsstrafe von 1.450 EUR.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein vom Vater persönlich verfasstes und unterzeichnetes als außerordentlicher Revisionsrekurs und Rekurs bezeichnetes Rechtsmittel. Beantragt wird ua, es möge dem Begehren „auf Einholen eines Erwachsenenpsychiatrischen Gutachtens der Kindesmutter“ nachgekommen und die Ordnungsstrafen „aufgehoben“ werden.
Rechtliche Beurteilung
Zum Spruchpunkt 1 (Revisionsrekurs gegen die vom Erstgericht verhängte Ordnungsstrafe in Höhe von 1.450 EUR):
Nach § 22 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem über Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen im Verfahren in Außerstreitsachen sinngemäß anzuwenden. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 3 Ob 228/08p; 3 Ob 19/11g = RIS-Justiz RS00124331) umfasst der Verweis auf die Bestimmungen der ZPO in § 22 AußStrG in Ansehung der für Beleidigungen in Schriftsätzen verhängten Strafen auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO. Danach ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Eine Anfechtung der voll bestätigenden Entscheidung der zweiten Instanz in Ansehung der für die Beleidigungen in Schriftsätzen verhängten Strafen ist daher nach dieser Rechtsprechung jedenfalls unzulässig (zuletzt 10 Ob 74/11x). (Ein Verbesserungsverfahren [durch Beiziehung eines Rechtsanwalts] kann im Hinblick auf die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses unterbleiben.)
Zum Spruchpunkt 2 (Rekurs gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe durch das Rekursgericht):
Verhängt das Rekursgericht im Außerstreitverfahren eine Ordnungsstrafe, so ist dagegen der Rekurs an den Obersten Gerichtshof, unabhängig von der Höhe der Ordnungsstrafe oder vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zulässig. Es besteht keine absolute Anwaltspflicht (RIS-Justiz RS0121603; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG,§ 62 Rz 13). Der Rekurs ist aber nicht berechtigt:
1. In seinen Eingaben an das Erstgericht vom waren die bereits oben wiedergegebenen beleidigenden Ausfälle gegen die mit der Angelegenheit befassten Rechtsprechungsorgane enthalten.
2. Auch im Rekurs scheinen beleidigende Ausfälle über die in der Sache tätigen Richter auf, so etwa die Formulierung „… amtsmissbräuchliche neurotische richterliche Falschdarstellung ...“ Weiters wird ausgeführt, dass die bei den Mitgliedern des Rechtsmittelsenats des Landesgerichts Wels (Dr. L*****, Dr. K*****, Dr. A*****) vorliegende neurotische Persönlichkeitsstörung als bewiesen anzusehen sei; diese Richter seien „ein 100%ig nachweisliches amtsmissbrauchendes skandalöses Neurotikertrio“, welches vom Amt suspendiert werden sollte. Dieses „befangene Neurotikertrio erkenne logischerweise nicht mehr, dass es einen Kampf gegen den Rekurswerber führt, der unangenehme Fakten (Gerichtspfusch) von Richtern aufzeigt“ ... Richter des LG Wels, „die so was machen ... seien Verbrecher an der Kinderpsyche ...“. Ferner führt der Rekurswerber aus, dass es sich bei den von ihm diversen Richtern zugeordneten medizinischen neurotischen Diagnosen um „sachlich begründete, durch retrospektive Analyse zustande gekommene Feststellungen“ handle, die er erst nach zwei- bis dreijähriger Auseinandersetzung mit den genannten Richtern erarbeitet habe. Es handle sich daher um Fakten; Fakten könnten aber nie eine Beleidigung darstellen und schon gar kein Grund für die Verhängung einer Ordnungsstrafe sein.
Das Rekursgericht verhängte dafür eine Ordnungsstrafe von 1.450 EUR und begründete dies damit, dass sich der Vater trotz Verhängung mehrerer Ordnungsstrafen in verschiedenen Verfahren immer noch nicht veranlasst gesehen habe, sich in seinen Rechtsmittelschriften einer sachlichen Ausdrucksweise zu bedienen. Vielmehr wiederhole er die beleidigenden Äußerungen immer wieder und halte an ihnen in völlig uneinsichtiger Weise fest.
In seinem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs beantragt der Rekurswerber, die Ordnungsstrafe wegen „amtsmissbräuchlicher Verhängung“ zu widerrufen. Das Rekursgericht hätte die von ihm über die Rechtsprechungsorgane erstellte Diagnose einer Neurose von einem Fachmann überprüfen lassen müssen, „um die Glaubwürdigkeit des Gerichts in Zukunft mit neuen Richtern wiederherzustellen“.
Dazu ist auszuführen:
1. Gemäß § 22 AußStrG iVm mit § 86 ZPO kann vom Gericht eine Ordnungsstrafe gegen eine Partei verhängt werden, die die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletzt oder die in einem Schriftsatz den Gegner, einen Vertreter, Bevollmächtigten, Zeugen oder Sachverständigen beleidigt.
Der Regelungszweck dieser Bestimmung liegt in der Wahrung einer sachlichen unpersönlichen Ausdrucksweise (RIS-Justiz RS0036327 [T1]). Selbst eine sachlich berechtigte Kritik oder Äußerung kann wegen ihrer beleidigenden und ausfälligen Form die dem Gericht schuldige Achtung verletzen und eine Beleidigung darstellen (RIS-Justiz RS0036308).
Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise sind im vorliegenden Fall die Äußerungen des Rekurswerbers als Beleidigungen zu werten, weil sie das Maß sachlich berechtigter Kritik an den Rechtsprechungsorganen überschreiten. Nicht der Hinweis auf ein vermeintliches Fehlverhalten der abgelehnten Rechtsprechungsorgane und die daraus angeblich folgende Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidungen rechtfertigt die Verhängung der Ordnungsstrafe, sondern die verwendete Diktion, die im Interesse eines objektiv und emotionslos geführten Verfahrens nicht hingenommen werden kann. Der vom Rekurswerber gewünschte Wahrheitsbeweis ist bei exzessiven Werturteilen (Beleidigungen) wie sie hier vorliegen nicht möglich (RIS Justiz RS0036308 [T2]).
Die Verhängung der Ordnungsstrafen erfolgte daher zu Recht.
Dem Rekurs gegen die Verhängung der Ordnungsstrafe war somit nicht Folge zu geben.
Zum Spruchpunkt 3 (Rückstellung des Akts an das Erstgericht zwecks Verbesserung des Revisionsrekurses, soweit sich dieser gegen die Abweisung des Antrags auf Übertragung der Obsorge richtet):
Nach § 6 Abs 1 AußStrG müssen sich die Parteien in Verfahren, in denen einander Anträge zweier oder mehrerer Parteien gegenüberstehen können, im Revisionsrekursverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Diese Vertretungspflicht gilt auch für den Elternteil im Verfahren über dessen Antrag auf Übertragung der Obsorge. Der vom Vater selbst verfasste und unterzeichnete Revisionsrekurs ist dem Erstgericht daher zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens (§ 10 Abs 4 AußStrG) zurückzustellen. Das Rechtsmittel bedarf nach § 65 Abs 3 Z 5 AußStrG der Unterschrift eines Rechtsanwalts, und zwar in der im § 89c Abs 5 Z 1 GOG genannten Form. Falls die Verbesserung unterbleiben sollte, wäre das Rechtsmittel nach § 67 erster Satz AußStrG vom Erstgericht zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0120077).
Über die Delegierungsanträge erfolgt eine gesonderte Entscheidung.