OGH vom 07.05.2019, 10ObS129/18w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. K*****, vertreten durch Prutsch & Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Mag. Philipp Pall, Rechtsanwälte in Graz, wegen Wiedereingliederungsgeld, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 44/18x-10, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 42 Cgs 96/17f-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger befand sich als Arbeitnehmer vom bis im Krankenstand. Er erfuhr gegen Ende seines Krankenstands zufällig, dass es die Möglichkeit der Wiedereingliederungsteilzeit und des Bezugs von Wiedereingliederungsgeld gebe. Noch während seines Krankenstands teilte er seiner Arbeitgeberin mit, Wiedereingliederungsteilzeit in Anspruch nehmen zu wollen. Die Arbeitgeberin teilte ihm mit, dass Teilzeitarbeit möglich sei. Bereits nach einem ersten Langzeitkrankenstand hatte der Kläger mit seiner Arbeitgeberin Teilzeit vereinbart.
Am Montag, trat der Kläger seinen Dienst wieder an. Noch am selben Tag vereinbarte der Kläger mit seiner Arbeitgeberin, die Wochenarbeitszeit beginnend mit auf 25 Stunden, wegen der weiten Anfahrt des Klägers zum Arbeitsplatz verteilt auf drei Arbeitstage, zu reduzieren. Im August 2017 nahm der Kläger tageweise Zeitausgleich, weil er Überstunden aus der Zeit vor seinem Krankenstand abzubauen hatte. Am arbeitete der Kläger zehn Stunden, weil zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass er im Anschluss an den Zeitausgleich nehmen werde und die anstehende Arbeit noch zuvor erledigen wollte.
Erst am lagen die erforderlichen Bestätigungen der Arbeitgeberin und der Arbeitsmedizinerin vor, sodass eine schriftliche Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin für die Zeit von (nach zweimaliger Korrektur durch die Arbeitgeberin letztlich) bis an diesem Tag abgeschlossen wurde. In der schriftlichen Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit wurde entgegen der ursprünglich getroffenen Vereinbarung festgehalten, dass die wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden auf fünf Tage (Montag bis Freitag) zu je fünf Stunden aufgeteilt wird.
Die Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung vom wurde der Beklagten noch an diesem Tag per EMail übermittelt. Mit EMails vom und informierte die Beklagte den Kläger, dass seinem Antrag auf Wiedereingliederungsgeld nicht stattgegeben werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom sprach die beklagte Gebietskrankenkasse aus, dass der Kläger aus Anlass der mit seiner Arbeitgeberin vereinbarten Arbeitszeitreduktion vom bis keinen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld habe. Die Wiedereingliederung des Arbeitnehmers müsse unmittelbar im Anschluss an die zuvor bestandene mindestens sechswöchige Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit begonnen werden. Allerdings müssten zu diesem Zeitpunkt das Wiedereingliederungsgeld vom Krankenversicherungsträger bereits bewilligt und diese Bewilligung spätestens am Tag vor Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit zugestellt worden sein. Diese Voraussetzungen seien hier nicht verwirklicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage, mit der der Kläger die Feststellung begehrt, dass er aufgrund der mit seiner Arbeitgeberin vereinbarten Arbeitszeitreduktion Anspruch auf Zuerkennung und Auszahlung des Wiedereingliederungsgeldes vom bis habe. Weder sei es bereits während des Krankenstands erforderlich, den Antrag einzubringen, noch die für den Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung erforderlichen Gespräche zu führen. Dies sei dem kranken Arbeitnehmer nicht zumutbar. Die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld müsse nicht bereits im Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Beschäftigung vorliegen. Die Voraussetzung, dass die vereinbarte Arbeitszeitreduktion unmittelbar an das Ende des Krankenstands anschließe, sei erfüllt. Das vereinbarte Stundenausmaß sei nicht überschritten worden, die einvernehmliche Leistung von Mehrarbeitsstunden sei nicht ausgeschlossen.
Dazu brachte die Beklagte im gerichtlichen Verfahren vor, dass die Vereinbarung vom „grundsätzlich den gesetzlichen Vorgaben entsprechen [würde]“ und „somit grundsätzlich sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung des Wiedereingliederungsgeldes zugestanden [werden]“ (ON 5). Ausdrücklich bestritten werde der Anspruch des Klägers dahingehend, dass der Antrag nicht für den Zeitraum im unmittelbaren Anschluss an den am endenden Krankenstand gestellt bzw die Vereinbarung nicht für diesen Zeitraum getroffen wurde. Nicht nur müsse die Wiedereingliederungsteilzeit unmittelbar nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nach langem Krankenstand begonnen werden, sondern müsse zu diesem Zeitpunkt bereits das Wiedereingliederungsgeld vom Krankenversicherungsträger bewilligt und die Mitteilung über die Bewilligung spätestens am Tag vor Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit zugestellt sein. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor; das Wiedereingliederungsgeld könne weder rückwirkend vereinbart noch bewilligt werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es teilte den Standpunkt der Beklagten. Am habe weder eine Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit vorgelegen noch sei die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld bzw deren Zustellung erfolgt, sodass eine Wiedereingliederungsteilzeit ab diesem Zeitpunkt nicht möglich sei. Eine spätere Erfüllung der Voraussetzungen könne daran nichts ändern, weil in diesem Fall die Wiedereingliederungsteilzeit nicht unmittelbar an das Ende des Krankenstands anknüpfe.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat unter ausführlicher Auseinandersetzung mit Gesetzesmaterialien und Lehrmeinungen den Standpunkt, dass sich das Erfordernis eines „nahtlosen“ Übergangs des Krankenstands in die Wiedereingliederungsteilzeit nicht aus § 13a AVRAG in der anwendbaren Fassung BGBl I 2017/30 ergebe. Dies habe der Gesetzgeber mit der Novellierung dieser Bestimmung mit BGBl I 2018/54 klargestellt. Die Inanspruchnahme der Wiedereingliederungsteilzeit sei auch nach einer kurzfristigen, in einem zeitlichen und ursächlichen Konnex zur ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit stehenden Arbeitsaufnahme möglich. Die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs habe die Beklagte nicht bestritten.
§ 143d ASVG bestimme den Beginn des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld mit dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts einer nach § 13a AVRAG vereinbarten Wiedereingliederungsteilzeit. Der Versicherungsfall der Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 120 Z 2a ASVG könne aber nicht vor deren tatsächlichem Beginn eintreten. Ausgehend von der erst am vereinbarten Wiedereingliederungsteilzeit gebühre der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld gemäß § 85 ASVG ab . Die Zustellung der Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes an Arbeitgeber und Arbeitnehmer entfalte nur Bedeutung für die arbeitsrechtliche Seite der Wiedereingliederungsvereinbarung, um Arbeitnehmer davor zu schützen, dass diese die Arbeitszeitreduktion vornehmen und dann – im Fall der Nichtgewährung von Wiedereingliederungsgeld – eine nicht eingeplante Einkommensreduktion hinnehmen müssten. Für den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld müsse es hingegen genügen, dass eine den Vorgaben des § 13a AVRAG entsprechende Vereinbarung getroffen worden sei und der Arbeitnehmer die Teilzeitarbeit – wenn auch unter dem Risiko, dass das Wiedereingliederungsgeld nicht bewilligt werde – tatsächlich angetreten habe. Es könne nicht darauf ankommen, wie schnell der Krankenversicherungsträger den Antrag bearbeite, oder ob noch weitere Erhebungen zur medizinischen Notwendigkeit der Wiedereingliederungsteilzeit erforderlich seien.
Da das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe, ob der Kläger nach der Ablehnung des Wiedereingliederungsgeldes durch die Beklagte die vereinbarte Arbeitszeitreduktion – gegebenenfalls: in welchem Ausmaß – eingehalten habe, sei das Verfahren ergänzungsbedürftig. Darüber hinaus fehle es dem Kläger an einem Feststellungsinteresse, weil er bereits ein Leistungsbegehren erheben hätte können.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht als zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den hier zu beurteilenden Fragen fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der vom Kläger beantwortete Rekurs der Beklagten, mit dem diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.
Auch im Rekurs hält die Beklagte daran fest, dass die Wiedereingliederung des Arbeitnehmers nach der hier anzuwendenden Rechtslage unmittelbar an das Ende des langen Krankenstands anschließen müsse. Sie könne daher nicht erst nach dem Ende dieses Krankenstands beantragt werden. Für den Beginn des Anspruchs komme es nicht auf den Antrag, sondern auf die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes an. Eine vor dieser Bewilligung angetretene Teilzeitbeschäftigung sei keine Wiedereingliederungsteilzeit im Sinn des Gesetzes und schaffe keinen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld. Eine rückwirkende Antragstellung sei nicht möglich, weil es dem Krankenversicherungsträger in diesem Fall nicht möglich wäre, die medizinische Zweckmäßigkeit der Vereinbarung zu prüfen. Dies sei aber erforderlich, um den Arbeitnehmer vor Druck des Arbeitgebers zu schützen und Missbrauch zu verhindern. Die für die Bearbeitung des Antrags erforderliche Zeit müsse der Versicherte ebenso akzeptieren wie die Zeit, die die Erstellung des Wiedereingliederungsplans erfordere.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Ziel des Wiedereingliederungsteilzeitgesetzes BGBl I 2017/30 ist es, den längeren Verbleib von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Erwerbsleben zu unterstützen. Langfristig dient dies der Sicherung des gesetzlichen Pensionssystems und der Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Erwerbstätiger. Für Menschen, die in Beschäftigung stehen und ernsthaft für längere Zeit physisch oder psychisch erkrankt sind, wurde ein arbeits sozialversicherungsrechtliches Modell normiert, das es ihnen ermöglicht, schrittweise in den Arbeitsprozess zurückzukehren (237/ME 25. GP 1). Die Wiedereingliederungsteilzeit ist ein befristetes, von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbartes Teilzeitmodell, das mit einer Geldleistung der Krankenversicherung an den Arbeitnehmer verbunden ist, um dessen arbeitsrechtliche Entgelteinbuße teilweise zu kompensieren (Gleißner/Kircher, Die neue Wiedereingliederungsteilzeit, ZAS 2012/20, 100 [101]).
1.2 Im Verfahren ist unstrittig noch die vor der Novellierung des § 13a AVRAG und des § 143d ASVG mit der Novelle BGBl I 2018/54 geltende Rechtslage nach der seit geltenden Stammfassung des Wiedereingliederungsteilzeitgesetzes, BGBl I 2017/30, anzuwenden (§ 19 Abs 1 Z 40 AVRAG;§ 703 ASVG).
2.1 Die arbeitsrechtliche Seite der Wiedereingliederungsteilzeit ist (insbesondere) in § 13a AVRAG geregelt. Diese Bestimmung lautet in der hier anzuwendenden Fassung auszugsweise (Hervorhebungen durch den Senat):
„Wiedereingliederungsteilzeit
§ 13a. (1) Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin kann nach einem mindestens sechswöchigen ununterbrochenen Krankenstand (Anlassfall) mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Wiedereingliederungsteilzeit) für die Dauer von mindestens einem Monat bis zu sechs Monaten vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Monate gedauert hat [Satz 1]. Sofern weiterhin die arbeitsmedizinische Zweckmäßigkeit der Wiedereingliederungsteilzeit gegeben ist, kann einmalig eine Verlängerung der Wiedereingliederungsteilzeit für die Dauer von mindestens einem Monat bis zu drei Monaten schriftlich vereinbart werden [Satz 2]. Während der Wiedereingliederungsteilzeit darf die vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit zwölf Stunden nicht unterschreiten und das dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin im Kalendermonat gebührende Entgelt muss über dem im § 5 Abs 2 ASVG genannten Betrag liegen. Für den Abschluss einer Vereinbarung nach dem ersten Satz müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. eine Bestätigung über die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin für die Zeit ab Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit;
2. Beratung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin und des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin über die Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit im Rahmen des Wiedereingliederungsmanagements nach dem Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz (AGG), BGBl. I Nr. 111/2010; Die Beratung erstreckt sich auch auf den zwischen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin und Arbeitgeber oder Arbeitgeberin zu vereinbarenden Wiedereingliederungsplan (§ 1 Abs. 2 Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz – AGG, BGBl. I Nr. 111/2010). Die Beratung kann entfallen, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin, Arbeitgeber oder Arbeitgeberin und der Arbeitsmediziner oder die Arbeitsmedizinerin oder das arbeitsmedizinische Zentrum nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung und dem Wiedereingliederungsplan zustimmen [Satz 4].
Der Wiedereingliederungsplan muss bei der Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit berücksichtigt [][][]
(2) Die Vereinbarung nach Abs. 1 hat Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung zu enthalten, wobei die betrieblichen Interessen und die Interessen des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zu berücksichtigen sind. …“
2.2 Die Regelungen des ASVG zum Wiedereingliederungsgeld lauten auszugsweise in der hier anwendbaren Fassung:
„§ 116. (1) Die Krankenversicherung trifft Vorsorge
…
2a. für den Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand; …
…
§ 117. Als Leistungen der Krankenversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt:
…
3a. aus dem Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand: Wiedereingliederungsgeld (§ 143d); …
…
§ 120. Der Versicherungsfall gilt als eingetreten:
…
2a. im Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand mit dem tatsächlichen Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit nach § 13a AVRAG;
…
Wiedereingliederungsgeld
Anspruchsberechtigung und Höhe
§ 143d. (1) Personen, die eine Wiedereingliederungsteilzeit nach § 13a AVRAG vereinbart haben, haben für deren Dauer, jedoch höchstens neun Monate, ab dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld. Voraussetzung hiefür ist, dass dieses durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers auf Basis eines im Rahmen der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit erstellten Wiedereingliederungsplanes für zunächst höchstens sechs Monate bewilligt wurde. Eine Verlängerung bedarf einer neuerlichen Bewilligung. Die ärztliche Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn die Wiedereingliederungsteilzeit medizinisch zweckmäßig ist.
…
(6) Der Dienstgeber ist über den Umstand der Bewilligung oder Ablehnung nach Abs. 1 oder die Entziehung des Wiedereingliederungsgeldes nach § 99 unverzüglich zu informieren. …“
3.1 Die Wiedereingliederungsteilzeit ist daher an mehrere Voraussetzungen und einen gewissen Ablauf geknüpft (vgl zB die Darstellungen bei Gleißner/Kircher, ZAS 2017/20, 101 ff, und Schrattbauer, Die neue Wiedereingliederungsteilzeit, in Traut-Mattausch/Pfeil/ Mosler, Early Intervention [2018] 27 [29] ff):
- der Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit setzt einen mindestens sechswöchigen, ununterbrochenen Krankenstand voraus (§ 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG);
- das Arbeitsverhältnis muss zu Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit mindestens drei Monate ununterbrochen gedauert haben (§ 13a Abs 1 Satz 1 AVRAG);
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen eine Vereinbarung treffen, die dreierlei voraussetzt:
a) Bestätigung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers durch den Arzt (§ 13a Abs 1 Z 1 AVRAG);
b) Erstellung eines Wiedereingliederungsplans (§ 13a Abs 1 Satz 5 und 6 AVRAG);
c) Beratung im Rahmen des Wiedereingliederungsmanagements Zustimmung des Arbeitsmediziners zum Wiedereingliederungsplan und zur Wiedereingliederungsvereinbarung (§ 13a Abs 1 Z 2 AVRAG);
- die Wiedereingliederungsvereinbarung hat gemäß § 13a Abs 2 AVRAG Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung zu enthalten.
3.2 Die Gewährung von Wiedereingliederungsgeld setzt gemäß § 143d Abs 1 ASVG erstens die vorherige Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG voraus. Zweitens ist die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld durch den chef und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers auf Basis des Wiedereingliederungsplans erforderlich.
3.3 Der Krankenversicherungsträger hat den Arbeitgeber über den Umstand der Bewilligung oder Ablehnung des Wiedereingliederungsgeldes gemäß § 143d Abs 6 ASVG unverzüglich zu informieren (dies soll laut ErläutRV 1362 BlgNR 25. GP 2 schriftlich erfolgen). Im Fall der Bewilligung gebührt das Wiedereingliederungsgeld ab dem tatsächlichen Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit (§ 120 Z 2a ASVG) und – in der Regel – für deren Dauer (§ 143d Abs 1 ASVG). Die Vereinbarung der Wiedereingliederungsteilzeit bleibt bis zur Mitteilung des Krankenversicherungsträgers über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes und deren Zustellung (an den Arbeitgeber, § 143d Abs 6 ASVG) schwebend unwirksam (ErläutRV 1362 BlgNR 25. GP 4). Sie wird erst mit dem auf die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld folgenden Tag gemäß § 13a Abs 1 Satz 7 AVRAG rechtswirksam (Dunst/Panhölzl, Die Wiedereingliederung nach langen Krankenständen, DRdAinfas 2017, 113 [114 f]).
3.4 Zusammengefasst sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Absicht des Gesetzgebers zunächst eine die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllende schriftliche Wiedereingliederungsvereinbarung gemäß § 13a AVRAG schließen. Diese ist dem chef und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers vorzulegen, der über die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d ASVG zu entscheiden hat. Erst durch die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld und die Zustellung dieser Bewilligung an den Arbeitgeber kann die Wiedereingliederungsvereinbarung rechtswirksam werden.
4.1 Unterschiedlich ist das vom Gesetzgeber in diesem Zusammenhang eingerichtete arbeits und sozialversicherungsrechtliche Rechtsschutzsystem:
4.2 Der Abschluss der arbeitsrechtlichen Wiedereingliederungsvereinbarung gemäß § 13a AVRAG kann weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erzwungen werden, es besteht darauf kein Rechtsanspruch (Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG³ § 13a Rz 3; Mosing, Die arbeits und sozialrechtlichen Aspekte der Wiedereingliederungsteilzeit, ecolex 2017, 347). In Betrieben mit einem zuständigen Betriebsrat ist dieser gemäß § 13a Abs 2 AVRAG den Verhandlungen beizuziehen. Der besondere Schutzgedanke des Gesetzgebers offenbart sich deutlich in der Regelung des § 13a Abs 2 letzter Satz AVRAG, wonach die Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit – abgesehen von der befristeten Änderung der Arbeitszeit – keine inhaltliche Änderung des Arbeitsvertrags bewirkt (Kallab/Hauser, Entgeltfortzahlungsgesetz und Wiedereingliederungsteilzeit6 [2018] 312). Verboten ist die einseitige Anordnung von Mehrarbeit oder Änderung der Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber gemäß § 13a Abs 3 AVRAG. Spricht der Arbeitgeber wegen einer vom Arbeitnehmer beabsichtigten oder tatsächlich durchgeführten Wiedereingliederungsteilzeit die Kündigung des Arbeitsvertrags aus, so kann diese Kündigung vom Arbeitnehmer gemäß § 15 AVRAG bei Gericht angefochten werden.
4.3 Beim sozialversicherungsrechtlichen Anspruch des Dienstnehmers auf Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d ASVG handelt es sich hingegen um eine Pflichtleistung aus dem in der Krankenversicherung geregelten Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand und daher um eine Leistungssache gemäß § 354 Z 1 ASVG. Eine Rechtsstreitigkeit über den Bestand (und auch den Umfang) des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld ist daher eine Sozialrechtssache gemäß § 65 Abs 1 Z 1 ASGG. Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens ist – wie auch im vorliegenden Fall – die Berechtigung (sowie Ausmaß und Höhe) des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld.
5. Infolge der Außerstreitstellung durch die Beklagte ist im vorliegenden Fall von einer den gesetzlichen Vorgaben des § 13a AVRAG entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin auszugehen. Die erste Voraussetzung für die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d Abs 1 ASVG, das Vorliegen einer Wiedereingliederungsvereinbarung gemäß § 13a AVRAG, liegt daher unstrittig vor.
6.1 Die zweite Voraussetzung des Anspruchs gemäß § 143d ASVG ist die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld durch den chef und kontrollärztlichen Dienst des Krankenversicherungsträgers. Diese zweite strittige Voraussetzung des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld ist einer Überprüfung im sozialgerichtlichen Verfahren zugänglich.
6.2 Die chef und kontrollärztliche Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes darf gemäß § 143d Abs 1 letzter Satz ASVG nur erteilt werden, wenn die Wiedereingliederungsteilzeit ist. Grundlage für die Beurteilung des chef und kontrollärztlichen Dienstes sind die vom Versicherten vorzulegenden Unterlagen, insbesondere der Wiedereingliederungsplan und die ärztlichen Befunde (ErläutRV 1362 BlgNR 25. GP 1 f).
6.3 Im Schrifttum wird dazu vertreten, dass auf den Begriff der zweckmäßigen Krankenbehandlung gemäß § 133 Abs 2 ASVG zurückgegriffen werden kann (Schober in Sonntag, ASVG9§ 143d Rz 4 aE). Zweckmäßigkeit ist gegeben, wenn die Behandlung nach den Erfahrungssätzen der medizinischen Wissenschaft mit hinreichender Sicherheit objektiv geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen (10 ObS 135/14x, SSVNF 28/73 mwH; RS0083820 [T2]).
6.4 Die Wiedereingliederungsteilzeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers kein „Teilkrankenstand“. Sie setzt voraus, dass der Arbeitnehmer „absolut arbeitsfähig“ ist und darüber eine ärztliche Bestätigung vorliegt. Sie schafft keinen „Sonderstatus“ zwischen „arbeitsfähig“ und „arbeitsunfähig“ (ErläutRV 1362 BlgNR 25. GP 5; Födermayr, Arbeits und sozialrechtliche Fragen des Wiedereingliederungsteilzeitgesetzes – WET, in Kietaibl/Resch, Krankenstand und Wiedereingliederung [2017] 17 [20]; ebenso Födermayr, Wiedereingliederungsteilzeit [WET], SozSi 2018, 470). Die Wiedereingliederungsteilzeit kann daher eine medizinisch zweckmäßige (Präventions)Maßnahme sein, wenn der Arbeitnehmer zwar arbeitsfähig, medizinisch aber „noch nicht ganz gesund“ ist und daher aus medizinischen Gründen die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers bei sofortigem vollen Wiedereinstieg in das Arbeitsleben (wieder) verschlechtert (Höltl/Jöst/Wolf, Die neue Wiedereingliederungsteilzeit – eine Maßnahme im oder nach dem Krankenstand? ecolex 2017, 879 [881]; ähnlich Saurugger, Wiedereingliederungsteilzeitgesetz, ASoK 2016, 493 [495]; Drs in SVKomm [190. Lfg] § 143d ASVG Rz 14 aE). Erfordert die zuvor bestehende Erkrankung hingegen beispielsweise keine „schrittweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess“, wäre die Wiedereingliederungsteilzeit medizinisch nicht zweckmäßig (Mosing, ecolex 2017, 351).
7.1 Letztlich bedarf es keiner abschließenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob die vereinbarte Wiedereingliederungsteilzeit im vorliegenden Fall medizinisch zweckmäßig im Sinn des § 143d Abs 1 letzter Satz ASVG war:
7.2 Richtig ist zwar, dass sich in § 13a Abs 1 AVRAG in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl I 2017/30 keine Regelung befand, ob die Wiedereingliederungsteilzeit unmittelbar nach Ende des Krankenstands beginnen müsse, oder ob ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang mit dem vorangegangenen zumindest sechs Wochen dauernden Krankenstand genüge (in diesem Sinn Pfeil in ZellKomm³ § 13a AVRAG Rz 6; Drs in SVKomm § 143d ASVG Rz 14; Höltl/Jöst/Wolf, ecolex 2017, 882; vgl auch die diesbezügliche ausdrückliche Klarstellung in den Gesetzesmaterialien zu § 13a Abs 1 AVRAG idF BGBl I 2018/54, auf die das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, ErläutRV 164 BlgNR 26. GP 1, 3). Gegenstand der Prüfung des Anspruchs auf Wiedereingliederungsgeld ist gemäß § 143d Abs 1 letzter Satz ASVG jedoch ausschließlich die Frage, ob die Wiedereingliederungsteilzeit im dargestellten Sinn ist. Die Beklagte hat jedoch – bereits im angefochtenen Bescheid – lediglich geltend gemacht, dass die vereinbarte Teilzeitbeschäftigung infolge der verspäteten Antragstellung nicht als Wiedereingliederungsteilzeit qualifiziert werden könne und kein Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld bestehe. Dass die vom Kläger vereinbarte Wiedereingliederungsteilzeit hingegen medizinisch nicht zweckmäßig gewesen sei, hat die Beklagte nicht behauptet.
7.3 Dem Argument der Revisionswerberin, dass die medizinische Zweckmäßigkeit einer Wiedereingliederungsteilzeit im Fall einer rückwirkenden Antragstellung nicht mehr geprüft werden könne, ist nicht zu folgen. Einerseits ist dem Kläger schon gemäß § 102 Abs 1 ASVG die Möglichkeit eröffnet, Wiedereingliederungsgeld binnen zwei Jahren nach Entstehen des Anspruchs (§ 85 ASVG) zu beantragen (Drs in SVKomm § 143d Rz 5). Andererseits hat der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 13 Abs 1 AVRAG mit BGBl I 2018/54 klargestellt, dass die Wiedereingliederungsteilzeit bis zu einem Monat nach dem Ende des mindestens sechswöchigen Krankenstands beantragt werden kann. In einem solchen Fall kann die medizinische Zweckmäßigkeit der Wiedereingliederungsteilzeit nur nachträglich beurteilt werden. Warum eine solche nachträgliche Prüfung aus medizinischen Gründen nicht möglich sein sollte, legt die Revisionswerberin nicht dar.
8.1 Der Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld beginnt gemäß § 143d Abs 1 ASVG mit dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts der Wiedereingliederungsteilzeit. Der tatsächliche Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG ist auch der Eintritt des Versicherungsfalls der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand gemäß § 120 Z 2a ASVG.
8.2 Richtig ist, dass die Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a Abs 1 Satz 7 AVRAG frühestens mit dem auf die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes folgenden Tag wirksam wird. Die Zustellung der Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes setzt begrifflich dessen vorherige Bewilligung durch den chef und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers voraus. Da dessen Ablehnung wie ausgeführt im sozialgerichtlichen Verfahren überprüfbar ist, ersetzt ein klagestattgebendes gerichtliches Urteil die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes und damit auch deren Zustellung an den Arbeitgeber im Sinn des § 13a Abs 1 AVRAG (iVm § 143d Abs 6 ASVG). Da dies naturgemäß nur mit zeitlicher Verzögerung erfolgen kann, muss § 13a Abs 1 AVRAG in einem solchen Fall einschränkend dahin verstanden werden, dass die Wiedereingliederungsteilzeit für den im sozialgerichtlichen Verfahren allein zu behandelnden Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld rückwirkend als wirksam vereinbart anzusehen ist. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt des Vorliegens einer schriftlichen Vereinbarung gemäß § 13a Abs 1 AVRAG, die – mit Ausnahme der Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes und deren Zustellung an den Arbeitgeber – sämtliche sonstige Voraussetzungen des § 13a AVRAG erfüllt. Dies war hier unstrittig am der Fall, sodass der Anspruch des Klägers auf Wiedereingliederungsgeld dem Grunde nach ab dem darauf folgenden Tag, dem , zu Recht besteht.
8. Zutreffend ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld ab dem hat. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179; RS0043414). Dem Rekurs der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 50, 52 ZPO iVm § 2 ASGG.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00129.18W.0507.000 |
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