VfGH vom 01.12.2008, B1423/07
Sammlungsnummer
18617
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die grundverkehrsbehördliche Versagung der Genehmigung eines Rechtserwerbs
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom erwarb der
Beschwerdeführer von M. N. (beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) ein in Aurach gelegenes, von ihm bisher gepachtetes, aber (bis zum Jahr 2005) von einer Landwirtin landwirtschaftlich genütztes Grundstück (Wiesenfläche in Hanglage) im Ausmaß von 1.173 m2. Der Kaufvertrag wurde gemäß § 23 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel zur grundverkehrsbehördlichen Genehmigung angezeigt. Ausgeführt wurde, dass der Erwerber bereits Eigentümer der benachbarten Landwirtschaft "Obermoosberg" sei und das Kaufgrundstück seit längerem mitbewirtschafte. Durch den Erwerb würde die Landwirtschaft "Obermoosberg" eine Erweiterung auf insgesamt
13.178 m2 erfahren.
Die Bezirks-Grundverkehrskommission Aurach bei Kitzbühel als Grundverkehrsbehörde I. Instanz hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke erteilte dem Rechtserwerb die Genehmigung, weil dieser gleichsam einer Arrondierung der Landwirtschaft "Obermoosberg" diene.
2. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung (in der dieser u.a. vorbringt, dass es sich bei dem zwischen dem Beschwerdeführer und der Verkäuferin schon im Jahr 1977 abgeschlossenen Pachtvertrag um ein Umgehungsgeschäft gehandelt habe) gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines Gutachtens eines Amtssachverständigen - mit Bescheid vom Folge und versagte dem Erwerb gemäß § 4 Abs 1 lita, § 6 Abs 1 lita iVm § 25 TGVG 1996 (idF LGBl. 85/2005) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erwerbsliegenschaft vor ca. 10 bis 15 Jahren einer Mähnutzung unterzogen worden sei und danach bis vor wenigen Jahren einer Landwirtin als Viehweide gedient habe; eine Bewirtschaftung der landwirtschaftlich nutzbaren Liegenschaft durch den Erwerber, über die er seit ca. 30 Jahren auf Grund eines Pachtvertrages verfügungsberechtigt sei, habe - wie von dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden sei - nie stattgefunden; dies treffe ebenso auf das angrenzende Anwesen "Obermoosberg" zu. Der - gemäß § 4 Abs 1 lita (iVm § 2 Abs 1) TGVG 1996 genehmigungsbedürftige - Rechtserwerb erfülle daher aus agrarstrukturellen Gründen nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 lita leg.cit.: Da das Kaufgrundstück vom Erwerber nie gemeinsam mit der unmittelbar angrenzenden Liegenschaft bewirtschaftet worden sei und dieses keiner landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werde, sondern brach liege (und der Beschwerdeführer auch keine Nutzung für seine Rinderhaltung beabsichtige, weil das Vieh in den Feuchtwiesen einsinken würde), würde der Erwerb weder den öffentlichen Interessen an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch den öffentlichen Interessen an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes dienen. Es sei davon auszugehen, dass mit dem Erwerb, der lediglich zur Vergrößerung eines hobbyweise betriebenen Kleinbetriebes führe, die Arrondierung des Eigentums am "Obermoosberg" beabsichtigt sei; selbst die Wiedererrichtung einer landwirtschaftlichen Hofstelle wäre nach Ansicht der Behörde nicht geeignet, einen den Erfordernissen des § 2 Abs 2 TGVG 1996 entsprechenden land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb, der erheblich zum Lebensunterhalt des Erstehers bzw. seiner Familie beitragen könnte, zu erwirken.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lauten:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für den Erwerb von Rechten
a) an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken,
b) an Baugrundstücken und
c) an sonstigen Grundstücken, wenn der Rechtserwerber Ausländer ist.
(2) [...]
§2
Begriffsbestimmungen
(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten ferner Grundstücke, die zwar in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, die aber vor nicht mehr als zwanzig Jahren im Sinne des ersten Satzes genutzt wurden und noch so beschaffen sind, daß sie ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden können. Durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes verliert dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. Die Bezeichnung eines Grundstückes im Grundsteuer- oder Grenzkataster ist für dessen Beurteilung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht maßgebend. Baugrundstücke (Abs3) gelten nicht als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke.
(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.
(3) - (6) [...]
[...]
2. Abschnitt
Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken
§4
Genehmigungspflicht
(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:
a) den Erwerb des Eigentums;
b) - h) [...]
(2) [...]
[...]
§6
Genehmigungsvoraussetzungen
(1) Die Genehmigung nach § 4 darf nur erteilt werden, wenn
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a) | der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht, |
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b) | gewährleistet ist, dass die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden; [...] |
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c) | der Erwerber, in den Fällen der litb Z. 2 und 3 die für den landwirtschaftlichen Betrieb der Gesellschaft, Privatstiftung oder Genossenschaft tätige Person bzw. der Pächter oder Fruchtnießer, über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und |
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d) | der Erwerber erklärt, dass durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll. |
(2) - (9) [...]"
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Gegen die den angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde keine Bedenken vorgebracht; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass der vorliegenden Beschwerde nicht entstanden (vgl. zB VfSlg. 17.858/2006; ; , B2159/06). Es ist daher ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt wurde.
2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch "denkunmögliche Gesetzesanwendung" des § 2 Abs 1 TGVG 1996. Er bringt vor, dass es sich bei der Liegenschaft - entgegen den von der LGVK getroffenen Feststellungen - nicht um ein landwirtschaftliches Grundstück iSd § 2 Abs 1 TGVG 1996 handle. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 2 Abs 1 dritter Satz TGVG 1996 treffe bei Einstellung der landwirtschaftlichen Nutzung vor Ablauf von 20 Jahren die Grundverkehrsbehörde die Beweislast, dass die Einstellung zur Gesetzesumgehung erfolgte. Eine solche Gesetzesumgehung liege aber im vorliegenden Fall nicht vor. Das Anwesen "Obermoosberg" werde nur wegen der örtlichen Verhältnisse (Hangneigung, Sumpf) nicht mehr bewirtschaftet. Zudem habe die Behörde unberücksichtigt gelassen, dass der Erwerb der kleinen (selbständig nicht sinnvoll zu bewirtschaftenden) Grundparzelle der Arrondierung der größeren Liegenschaft diene, der Erwerber landwirtschaftlich befähigt sei und nachgewiesen habe, dass konkrete Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Wiederbewirtschaftung gesetzt worden seien (Initiative zur Errichtung einer bislang nicht vorhandenen Zufahrtsstraße und beabsichtigte Neuerrichtung einer Hofstelle auf dem Anwesen "Obermoosberg"). Die Versagung der Bewilligung sei bloß aus in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Gründen willkürlich erfolgt.
3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
4. Ein solch schwerer Fehler ist der belangten Behörde aber nicht zum Vorwurf zu machen:
4.1. Hinsichtlich der strittigen Frage, ob ein landwirtschaftliches Grundstück iSd § 2 Abs 1 TGVG 1996 vorliegt, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Qualifikation eines Grundstückes als landwirtschaftliches (zB VfSlg. 17.316/2004, 17.857/2006) zu verweisen. Auch im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie unter Zugrundelegung der Expertise des agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen die Erwerbsliegenschaft mit Blick auf ihre Beschaffenheit (Wiesenfläche) und Verwendung als Weidefläche bis zum Jahr 2005 als ein landwirtschaftliches Grundstück iSd § 2 Abs 1 TGVG 1996 eingestuft hat (zum Vorliegen einer geradezu typischen landwirtschaftlichen Nutzung im Fall der - hier bis zum Abschluss des Kaufvertrages erfolgten - Bewirtschaftung der Liegenschaft durch Beweidung vgl. zB VfSlg. 14.025/1995; ). Im Übrigen ist auch der Beschwerdeführer in seiner Anzeige gemäß § 23 TGVG 1996 vom Vorliegen eines (genehmigungspflichtigen) "land- bzw. forstwirtschaftlichen Grundstücks" ausgegangen.
4.2. Zudem ist die LGVK auf Basis des ergänzten - und insgesamt nicht zu beanstandenden - Ermittlungsverfahrens sowie nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise zum Ergebnis gelangt, dass bisher weder eine Bewirtschaftung des Erwerbsgrundstückes, über das der Beschwerdeführer schon seit ca. 30 Jahren auf Grund eines Pachtvertrages verfüge, noch eine Bewirtschaftung des Anwesens "Obermoosberg" durch den Beschwerdeführer erfolgt sei, er diese in seinem Eigentum stehende, an das Erwerbsgrundstück unmittelbar angrenzende Liegenschaft nunmehr brach liegen lasse und der Erwerb bloß der Schaffung eines hobbyweisen landwirtschaftlichen Kleinbetriebes (der nicht geeignet wäre, iSd § 2 Abs 2 TGVG 1996 zum Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und dessen Familie beizutragen) diene, weshalb der Rechtserwerb gesamthaft betrachtet den Zielen des § 6 Abs 1 lita TGVG 1996 zuwiderlaufen würde.
Die LGVK konnte daher die grundverkehrsbehördliche Genehmigung auf Grund ihrer Prognoseentscheidung gemäß § 6 Abs 1 lita TGVG 1996 in jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise versagen.
5. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. § 28 Abs 7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 15.324/1998, 16.570/2002 und 17.878/2006).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.