OGH vom 25.11.2014, 10Ob37/14k

OGH vom 25.11.2014, 10Ob37/14k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des inzwischen volljährigen D*****, geboren am , und der mj Kinder L*****, geboren am , J*****, geboren am , und F*****, geboren am , über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 485/13s, 23 R 486/13p, 23 R 487/13k und 23 R 488/13g 32, in der Fassung des Beschlusses vom , womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Haag vom , GZ 1 Pu 175/13k 7 bis 10, teilweise abgeändert wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Anträge auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen jeweils vom abgewiesen werden.

Text

Begründung:

Mit Eingaben jeweils vom beantragten die Antragsteller, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger, die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschlüssen jeweils vom die beantragten Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 115 EUR (D*****), 135 EUR (L*****) und von jeweils 125 EUR (F***** und J*****) monatlich jeweils ab bis (D*****), (L*****), (J*****) bzw (F*****). Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Unterhaltsschuldner aufgrund einer vor dem Kinder und Jugendhilfeträger am abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung zur Zahlung der genannten Unterhaltsbeträge an die Antragsteller verpflichtet sei. Der Unterhaltsschuldner habe nach der am eingetretenen Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze geleistet, weshalb gegen ihn am 26. (richtig:) 9. 2013 beim Erstgericht eine Gehalts und Fahrnisexekution beantragt worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, teilweise dahin Folge, dass die Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG jeweils erst ab gewährt werden. Es sei zwar richtig, dass die Exekutionsanträge gegen den Unterhaltsschuldner am bei dem aufgrund des Wohnorts des Unterhaltsschuldners unzuständigen Erstgericht eingebracht worden seien. Dieses habe allerdings die Exekutionsanträge an das zuständige Bezirksgericht Steyr weitergeleitet, wo sie am eingelangt seien. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen seien daher erst mit dem Einlangen der Exekutionsanträge beim zuständigen Exekutionsgericht am vorgelegen, weshalb den unterhaltsberechtigten Kindern erst ab Unterhaltsvorschüsse gewährt werden könnten. Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es änderte jedoch in der Folge seinen Ausspruch antragsgemäß dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die vom Rekursgericht vorgenommene Bewilligung der Unterhaltsvorschüsse im Hinblick auf das nachträgliche Einlangen der Exekutionsanträge beim zuständigen Exekutionsgericht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Bund dagegen erhobene und von den übrigen Verfahrensparteien unbeantwortet gebliebene Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber macht geltend, das Rekursgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die antragstattgebenden Beschlüsse des Erstgerichts jeweils vom stammen, während ein (tauglicher) Exekutionsantrag gegen den Unterhaltsschuldner erst am somit nach der Entscheidung erster Instanz beim dafür zuständigen Exekutionsgericht eingelangt sei. Zu dem für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz hätten die Antragsteller daher weder einen tauglichen Exekutionsantrag eingebracht gehabt noch dies bescheinigt.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

1. Die Vorschussgewährung nach § 3 UVG setzt voraus, dass das Kind zuvor gegen den Unterhaltsschuldner exekutive Schritte beantragt oder dem Exekutionsantrag gleichgestellte Schritte gesetzt hat, wie sie in § 3 Z 2 UVG angeführt sind. Danach sind Vorschüsse insbesondere dann zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1) und der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht (§ 11 Abs 2), einen Exekutionsantrag nach § 294a EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder keine in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen unter Berücksichtigung von § 372 EO eingebracht zu haben (Z 2).

2. Unterhaltsvorschüsse im Sinn des § 3 UVG werden daher nur dann gewährt, wenn das Kind vorher Schritte initiiert hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine zielführende Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen. Aufgrund der Subsidiarität der Vorschussgewährung gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen muss der Exekutionsantrag grundsätzlich zielführend in dem Sinn sein, dass damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch auch zu lukrieren. An diesen Exekutionsantrag sind daher inhaltliche Anforderungen zu stellen, die ihn ex ante aus Sicht des Antragstellers betrachtet zur sofortigen Geschäftsbehandlung geeignet erscheinen lassen. In diesem Sinn ist das Einlangen bei dem (ex ante betrachtet) zuständigen Gericht notwendig. Auch wenn das unzuständige Gericht den Antrag gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht überweisen muss, kann die Einbringung eines Exekutionsantrags bei „irgendeinem“ Gericht kein tauglicher Antrag (im Sinne einer „Wahrung“ des Einbringungsmonats im Sinn des § 8 UVG) sein. Maßgeblich ist vielmehr das Einlangen des Exekutionsantrags beim zuständigen Gericht, soweit dieses auch ex ante als zuständig erkennbar war (vgl jüngst 10 Ob 62/14m unter Hinweis auf Neumayr in Schwimann , ABGB 4 § 3 UVG Rz 20 f und 29 mwN).

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die allgemeinen oder die hier in § 3 Z 2 UVG normierten besonderen Voraussetzungen für die Vorschussgewährung vorliegen, ist stets der Entscheidungszeitpunkt erster Instanz (vgl jüngst 10 Ob 62/14m uva; EFSlg 127.892; RIS Justiz RS0076052 [T5 und T 7]). Liegen die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung zu diesem Zeitpunkt nicht vor, ist der Antrag zur Gänze abzuweisen (vgl 10 Ob 6/11x; 10 Ob 79/10f ua; Garber , Zur Vollstreckbarkeit eines Unterhaltstitels als Voraussetzung für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem UVG,iFamZ 2011, 6 f mwN), selbst wenn absehbar ist, dass die Voraussetzungen zum nächstfolgenden Monatsersten erfüllt sein könnten ( Neumayr in Schwimann , ABGB 4 § 3 UVG Rz 25 mwN). Auch die Rekursentscheidung hat auf der Grundlage der Sach und Rechtslage zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung zu ergehen, weshalb erst nach diesem Zeitpunkt eingetretene neue Umstände (hier: Einlangen des Exekutionsantrags beim zuständigen Exekutionsgericht) in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden können (vgl Neumayr in Schwimann , ABGB 4 § 15 UVG Rz 25 mwN).

4. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz lag keine „taugliche“ Exekutionsführung im Sinn des § 3 Z 2 UVG vor, weil die Exekutionsanträge am unbestritten bei dem dafür nicht zuständigen Erstgericht gestellt worden waren. Da sie erst am somit nach der Beschlussfassung in erster Instanz beim zuständigen Exekutionsgericht einlangten, waren die Anträge auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 3 Z 2 UVG zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz abzuweisen.

Es waren somit in Stattgebung des Revisionsrekurses des Bundes die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Antragsabweisung abzuändern. Das Erstgericht wird nunmehr über die von den Antragstellern am neuerlich gestellten Unterhalts-vorschussanträge (ON 19 bis 22) zu entscheiden haben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00037.14K.1125.000