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OGH vom 13.10.1983, 7Ob638/83

OGH vom 13.10.1983, 7Ob638/83

Norm

ABGB § 508;

Kopf

SZ 56/147

Spruch

Ohne besondere Vereinbarung oder Vertragsergänzung umfaßt der Anspruch des Wohnungsgebrauchsberechtigten nach § 508 ABGB nicht die Kosten der Errichtung oder Verbesserung der Wohnung

(LG Eisenstadt R 16/83; BG Oberpullendorf C 178/81

Text

Die Erstbeklagte ist die Witwe, der Zweitbeklagte der Sohn des am verstorbenen Sohnes des Erstklägers und der Zweitklägerin Johann S. Die Zweitklägerin ist die Tochter der Drittklägerin. Auf der der Zweitklägerin gehörenden Liegenschaft EZ 65 KG R, zu deren Gutsbestand ua. das Grundstück 22/2 mit dem Haus R, L-Straße 13, gehört, war die Dienstbarkeit des lebenslänglichen Fruchtgenusses für die Drittklägerin einverleibt. Nach dem Übereinkommen vom räumte die Zweitklägerin der Drittklägerin gegen Verzicht auf ihr Fruchtgenußrecht das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht im hinteren Zimmer des Hauses L-Straße 13 samt dem Recht der Mitbenützung verschiedener Nebenräumlichkeiten ein. Die Zweitklägerin verpflichtete sich ferner, die Drittklägerin im Krankheitsfalle zu verpflegen und zu betreuen. Mit Übergabsvertrag vom übergab die Zweitklägerin ihrem Sohn Johann S und der Erstbeklagten aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 65 KG R verschiedene Grundstücke, darunter auch das Grundstück 22/2 mit dem Hause R, L-Straße 13. Die Übernehmer räumten für sich und ihre Rechtsnachfolger der Übergeberin und dem Erstkläger auf Lebensdauer das gebrauchsweise Wohnungsrecht bestehend aus der Alleinbenützung des sogenannten hinteren Zimmers im Hause L-Straße 13 samt dem Recht der Mitbenützung der erforderlichen Nebenräumlichkeiten ein. Johann S verstarb am . Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes 22/2 mit dem Haus L-Straße 13. Dieses Haus besteht aus einem links und einem rechts neben der Einfahrt gelegenen Gebäudekomplex.

Die Kläger behaupten, daß dem Erstkläger und der Zweitklägerin das Wohnungsrecht an dem hinteren Zimmer im links, der Drittklägerin das Wohnungsrecht an dem hinteren Zimmer im rechts der Einfahrt gelegenen Gebäudekomplex zustehe. Sie begehren, gestützt auf § 508 ABGB, die Beklagen schuldig zu erkennen, die beiden rechts und links der Hauseinfahrt gelegenen hinteren Zimmer laut dem Sachverständigengutachten des Georg R im Betrage von 98 589 S bzw. 93 450.10 S instand zu setzen, sodaß die Kläger in der Lage seien, ihr Wohnungsrecht auszuüben.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Den Klägern sei nur ein Wohnungsrecht an dem rechten hinteren Zimmer eingeräumt worden. An eine Ausnützung des Wohnungsrechtes sei aber nie gedacht worden. An dem Zustand des rechten hinteren Zimmers sei keine Verschlechterung eingetreten. Eine Verbesserung gegenüber dem seinerzeitigen Zustand könnten die Kläger nicht begehren. Die Beklagten hätten aus dem Hause keinen Nutzen. Die begehrten Instandsetzungsarbeiten würden den Nutzen der Beklagten bei weitem übersteigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Nach seinen Feststellungen handelt es sich bei dem links der Hauseinfahrt gelegenen Gebäudekomplex um einen aus drei Räumen bestehenden Rohbau. In allen Räumen sind nur das Rohziegelmauerwerk ohne Elektroinstallationen, ohne Fenster, ohne Türen und ohne Decke vorhanden. Der Fußboden besteht aus Beton oder Estrich. In den im rechts der Einfahrt gelegenen Gebäudekomplex gelegenen Räumen sind Teile einer Sanitär- und Elektroinstallation vorhanden. Die Räume erwecken den Anschein, ursprünglich als Wohnräume verwendet worden zu sein. Die Eingangstür zum hinteren Zimmer ist jedoch zugemauert. Das hintere Zimmer kann nur durch einen Nebeneingang betreten werden. Es sind teilweise Elektroinstallationen vorhanden. Die Malerei ist mangelhaft und zT beschädigt. An der Ostseite ist nach der Zumauerung der Tür das Rohmauerwerk sichtbar. Neben einigen Möbelstücken liegt im Zimmer Bauschutt und Bauholz. Bauschutt und Bauholz befinden sich auch in den dem hinteren Zimmer vorgelagerten Räumen. Das Haus war bereits im Jahre 1976 völlig unbewohnt. Nach dem Tode seines Sohnes begann der Erstkläger im Juni 1977 mit Umbauarbeiten. Er besserte den Verputz der beiden straßenseitigen Schlafzimmer aus. Zwischen den Schlafzimmern und dem Wohnzimmer wurden Zwischenwände aufgezogen. In dem im Schlafzimmer neben der Einfahrt gelegenen Bad wurden neue Rohre verlegt. Eine Tür von der Küche in das hintere Zimmer wurde zugemauert und eine Tür zu dem nach dem hinteren Zimmer gelegenen Abstellraum aufgebrochen. Der Erstkläger wollte nach dem Tode seines Sohnes der Erstbeklagten ein Zuhause schaffen. Die Erstbeklagte half bei den Umbauarbeiten mit. Der Erstkläger leitete jedoch die gesamte Planung und den Umbau des Hauses. Im Zuge des Abhandlungsverfahrens nach Johann S kam es zu Auseinandersetzungen mit der Erstbeklagten, weshalb der Erstkläger seine Bautätigkeit einstellte. Bis zum Jahre 1976 war das rechte hintere Zimmer bewohnbar. Die links der Einfahrt gelegenen Räume befanden sich bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Übergabsvertrages in demselben Zustand wie derzeit.

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, daß der Erstkläger und die Zweitklägerin selbst dann eine Instandsetzung des links der Hauseinfahrt gelegenen hinteren Zimmers nicht begehren könnten, wenn ihnen ein Wohnungsrecht an diesem Zimmer eingeräumt worden sein sollte, weil sich dieses Zimmer bereits im Zeitpunkt der Übergabe in dem derzeitigen Zustand befunden habe. Das rechts der Hauseinfahrt gelegene hintere Zimmer habe sich bis zur Übergabe der Liegenschaft an die Erstbeklagte und deren verstorbenen Ehemann in einem bewohnbaren Zustand befunden, sodaß die Ausübung des Wohnungsrechtes möglich gewesen sei. Erst durch die Umbauarbeiten des Erstklägers sei dieses Zimmer unbewohnbar geworden. Hinzu komme, daß die Liegenschaft keinen Ertrag abwerfe, sodaß die begehrten Instandsetzungsarbeiten den Beklagten nicht zumutbar seien.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Nach den bisherigen Feststellungen des Erstgerichtes lasse sich nicht beurteilen, ob dem Erstkläger und der Zweitklägerin an dem hinteren Zimmer im links der Hauseinfahrt gelegenen Zubau ein Wohnungsrecht zustehe. Stehe ihnen ein solches Recht nicht zu, sei ihr Instandsetzungsbegehren unberechtigt. Aus dem Wortlaut des Übergabsvertrages lasse sich ein Wohnungsrecht des Erstklägers und der Zweitklägerin an dem linken hinteren Zimmer nicht mit Sicherheit ableiten. Die Wendung "das sogenannte hintere Zimmer" spreche nur dafür, daß die Parteien bestimmte Vorstellungen über den vom Wohnungsrecht umfaßten Raum gehabt haben. Sollte aber die Bestimmung des Zimmers einer späteren Vereinbarung vorbehalten worden sein und eine solche Willenseinigung nicht zustande gekommen sein, stunde dem Erstkläger und der Zweitklägerin kein Instandsetzungsanspruch auf ein einseitig von ihnen ausgewähltes Zimmer zu. Wenn eine Willenseinigung erfolgt sei, müsse geklärt werden, was über den Ausbau des Zimmers vereinbart worden sei. Das der Drittklägerin zustehende Wohnungsrecht an dem hinteren Zimmer in dem rechts der Hauseinfahrt gelegenen Gebäudekomplex habe nach dem Inhalt der Vereinbarung vom Unterhaltscharakter. Mit Rücksicht darauf komme die Bestimmung des § 508 Satz 2 ABGB nur insoweit zur Anwendung, als die Instandhaltungspflicht des Eigentümers der dienenden Sache nur in der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ihre Grenze finde. Eine entscheidende Verbesserung des Wohnungsstandards müsse der Eigentümer nicht vornehmen. Er müsse die Räume nur in dem Zustand erhalten, in dem sie sich zur Zeit der Vertragserrichtung befunden hätten. Es sei daher vom Erstgericht noch zu prüfen, ob es sich bei den im Sachverständigengutachten angeführten Arbeiten um Verbesserungs- oder nur um Erhaltungsarbeiten handle und ob den Beklagten die Arbeiten wirtschaftlich zugemutet werden könnten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge. Er bestätigte den Beschluß des Berufungsgerichtes im Ausspruch über das Begehren der Drittklägerin und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über das Begehren des Erstklägers und der Zweitklägerin auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Wohnungsrecht ist eine besondere Art des Gebrauchsrechtes oder des Fruchtgenusses je nachdem, ob Wohnräume nur zum persönlichen Bedarf (Wohnungsgebrauchsrecht) oder ohne diese Einschränkung (Wohnungsfruchtgenuß) benützt werden dürfen (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz. 1 zu § 521). Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien nicht strittig, daß nach den getroffenen Vereinbarungen den Klägern nur ein Wohnungsgebrauchsrecht zukommen soll. Beim Wohnungsgebrauchsrecht hat der Eigentümer des Hauses nach § 508 ABGB die Sache auf seine Kosten in gutem Zustand zu erhalten. Dieser von der allgemeinen Regel des § 483 ABGB und der Bestimmung des § 512 ABGB abweichenden Norm liegt die Erwägung zugrunde, daß der dem Eigentümer verbleibende Nutzen jenen des Gebrauchsberechtigten in den meisten Fällen bedeutend übersteigt (Klang in Klang[2], II 581 f.).

Nach dem Standpunkt des Erstklägers und der Zweitklägerin umfaßt ihr Wohnungsgebrauchsrecht das hintere, links der Einfahrt gelegene Zimmer. Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes waren die links der Einfahrt gelegenen Räume zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrages vom im Zustand des Rohbaues, in dem sie sich auch derzeit noch befinden. Erstreckte sich das Wohnungsgebrauchsrecht des Erstklägers und der Zweitklägerin auf das linke hintere Zimmer, hätte es einen erst zu schaffenden Wohnraum zum Gegenstand. Zu den vom Eigentümer nach § 508 ABGB zu tragenden Instandhaltungskosten gehören aber nicht die Kosten der Errichtung der dienstbaren Sache. Ein solcher Anspruch des Wohnungsgebrauchsberechtigten läßt sich auch nach dem äußersten möglichen Wortsinn, der die Grenze jeglicher Auslegung bildet (Koziol - Welser, Grundriß[6], I 18) aus § 508 ABGB nicht ableiten. Gegen einen solchen Anspruch sprechen auch die Erwägungen, die der von den allgemeinen Regeln der §§ 483 und 512 ABGB abweichenden Bestimmung des § 508 ABGB zugrunde liegen. Bauführungen, die schon vor Bestellung der Dienstbarkeit hätten vorgenommen werden sollen, fallen auch nicht unter die sonst allenfalls auf das Wohnungsrecht anzuwendenden §§ 514 bis 516 ABGB. Welchem der beiden Teile solche Kosten zur Last fallen, richtet sich nach dem Entstehungsgrund der Dienstbarkeit und dem Inhalt des Bestellungsvertrages (Klang aaO 392). Aus der Instandhaltungspflicht des Eigentümers nach § 508 ABGB, auf die die Kläger ihr Begehren ausdrücklich gestützt haben, läßt sich der Anspruch des Erstklägers und der Zweitklägerin jedenfalls nicht ableiten. Ein solcher Anspruch mag sich aus einer schlüssigen Vereinbarung oder aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Darauf haben sich der Erstkläger und die Zweitklägerin aber nicht berufen und in dieser Richtung auch kein Sachvorbringen erstattet (vgl. ZVR 1980/298; SZ 44/21). Zur Entscheidung über das Klagebegehren des Erstklägers und der Zweitklägerin bedarf es daher nicht der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung. Auch wenn sich das vom Erstkläger und der Zweitklägerin eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht auf das links der Einfahrt gelegene hintere Zimmer erstrecken sollte, wäre ihr Klagebegehren abzuweisen. Über die Begehren des Erstklägers und der Zweitklägerin ist daher die Rechtssache iS einer Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichtes spruchreif.

Wie bereits das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat, besitzt das der Drittklägerin eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht Versorgungscharakter. Die Beklagten haben daher die Kosten einer Instandhaltung ohne die Einschränkung des § 508 letzter Satz ABGB bis zur Grenze des wirtschaftlichen Zumutbaren zu tragen, soweit dies zur Erreichung des Zweckes der Dienstbarkeit erforderlich ist. Eine Verbesserung müssen die Beklagten aber nicht ohne weiteres vornehmen. Sie haben die Wohnung nur in dem brauchbaren Zustand zu erhalten, in dem sie sich zur Zeit der Einräumung des Wohnungsrechtes befand. Ob die von der Drittklägerin begehrte Instandsetzung im Rahmen dieser Grenzen liegt, läßt sich auf Grund der erstgerichtlichen Feststellung nicht beurteilen. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß der Sachverhalt in dieser Richtung ergänzungsbedürftig ist. In diesem Umfang hat es daher beim Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu verbleiben.