OGH vom 27.05.2003, 10ObS128/03a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johann Ellersdorfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Birgit R*****, ohne Beschäftigungsangabe, *****, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Karenzgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 289/02b-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 41 Cgs 112/02d-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat am ihre Tochter Stefanie entbunden und in der Zeit vom bis Karenzgeld nach den §§ 2 und 11 KGG bezogen, wobei ab dem auch der Zuschlag zum Karenzgeld (§ 8 KGG) gewährt wurde.
Mit Bescheid vom wies die Beklagte den Antrag der Klägerin vom auf Weitergewährung des Karenzgeldes für weitere 365 Tage bis zum ab.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene und auf Gewährung der beantragten Leistung gerichtete Klagebegehren ab. Es verwies in rechtlicher Hinsicht darauf, dass nach § 11 Abs 1 KGG in der auf den gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung das Karenzgeld im Höchstausmaß von 549 Tagen gebühre, sofern die Leistung nur von einem Elternteil in Anspruch genommen werde. Nach § 11 Abs 3 KGG in der nunmehr geltenden Fassung erhöhe sich dieser Anspruch nur für Geburten ab dem um 365 Tage. Da die Tochter der Klägerin am , somit wenige Tage vor der Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung, geboren worden sei, komme diese auf den gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge, weil es die in der Berufung gegen die geltende Gesetzeslage ausschließlich geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin wiederholt unter den geltend gemachten Revisionsgründen ausschließlich ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 11 Abs 1 und 3 KGG idF BGBl I Nr 103/2001 und regt eine diesbezügliche Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof an. Durch die Übergangsbestimmung des § 11 Abs 3 KGG idF BGBl I Nr 103/2001 würden ohne sachliche Rechtfertigung zwei Gruppen von Kleinkindern, welche das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, geschaffen, nämlich solche, die ab dem geboren worden seien, und solche, die vor dem geboren worden seien. Der Gesetzgeber habe durch die Neuregelung des Karenzgeldgesetzes, welche mit in Kraft getreten sei, eine sozialrechtliche Besserstellung von Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bzw von deren Eltern beabsichtigt. Tatsächlich habe der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 11 Abs 1 und Abs 3 KGG eine rückwirkende Begünstigung für jene Kinder, die ab dem geboren sind, bzw für deren Eltern geschaffen, ohne dabei zu begründen, welche sachlichen Überlegungen den Gesetzgeber zur Festlegung dieses Stichtages und somit zur Begünstigung von Geburten, welche nicht länger als eineinhalb Jahre ab Inkrafttreten des KBGG idF BGBl I Nr 103/2001, zurückliegen, bewogen haben. Es würden durch diese Übergangsregelung somit jene Kinder, die vor dem geboren wurden und zum Stichtag ebenfalls das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bzw deren Eltern ohne sachliche Rechtfertigung vom Bezug des Karenzgeldes für weitere 365 Tage ausgeschlossen.
Der erkennende Senat vermag sich der Argumentation der Revisionswerber nicht anzuschließen und hat auf Grund folgender Erwägungen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsbestimmung des § 11 Abs 1 und 3 KGG idF BGBl I Nr 103/2001:
Im Zuge der Neufassung des § 11 KGG durch das BGBl I 1999/153 wurde, um eine flexiblere Inanspruchnahme des Karenzgeldes zu ermöglichen, für Anspruchsfälle auf Grund von Geburten nach dem ein sogenanntes Karenzgeldkonto eingerichtet. Das Karenzgeldkonto beträgt in Anknüpfung an die bisherige Rechtslage, wonach die Höchstdauer des Karenzgeldbezuges mit Vollendung des 18. Lebensmonates des Kindes bzw bei Teilung des Karenzurlaubes oder Unmöglichkeit der Inanspruchnahme durch den anderen Elternteil mit Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes begrenzt war, 549 Tage, das entspricht unter Berücksichtigung eines Schaltjahres 1 ½ Jahre, bzw 731 Tage (2 Jahre). Unter Berücksichtigung dieser Gesetzeslage ergab sich im Fall der Klägerin ein Anspruch auf Karenzgeld bis .
Durch das Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl I Nr 103/2001, wurde für Kinder, die ab dem geboren wurden bzw werden, mit dem Kinderbetreuungsgeld als Ergänzung der Familienbeihilfe eine neue umfassend konzipierte Sozialleistung geschaffen. Nehmen beide Elternteile Kinderbetreuungsgeld in Anspruch, wird es längstens bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes gewährt, bezieht jedoch nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld, verkürzt sich der Anspruch bis zur Vollendung des 30. Lebensmonates (§ 5 KBGG). Finanziert wird das Kinderbetreuungsgeld aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen.
Da das KBGG am in Kraft trat und nur für Geburten nach dem anzuwenden ist (§ 49 Abs 1 KBGG), gelten für Geburten bis zum weiterhin die Bestimmungen des KGG, wobei diese Bestimmungen für Geburten zwischen dem und dem jedoch mit dem BGBl I Nr 103/2001 durch die Schaffung von Übergangsbestimmungen entsprechend den Bestimmungen des KBGG geändert wurden. Nach diesen Übergangsbestimmungen entsprechen Anspruchshöhe und Anspruchsdauer sowie die zu beachtenden Zuverdienstgrenzen neben dem Karenzgeld für diese Anspruchsberechtigten ab dem jenen des KBGG (vgl §§ 7, 11 Abs 3 und 17 Abs 4 KGG idF BGBl I Nr 103/2001). Für diese Eltern bleibt demnach auch das System des Karenzgeldkontos aufrecht, weshalb das Karenzgeldkonto für ab geborene Kinder um 365 Tage erhöht wurde (§ 11 Abs 3 KGG idF BGBl I Nr 103/2001). Dieser Übergangsbestimmung lag somit ganz offensichtlich die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, dass der anspruchsberechtigte Personenkreis, dessen Anspruch auf Karenzgeld sich zeitlich jedenfalls bis zum Inkrafttreten des KBGG mit erstreckte, ab diesem Zeitpunkt auch in den Genuss der günstigeren Regelungen des KBGG (insbesondere auch hinsichtlich der Verlängerung der Anspruchsdauer) kommen sollte, während jedenfalls der Personenkreis, zu dem auch die Klägerin gehört, dessen Anspruch auf Karenzgeld auf Grund der bisherigen Rechtslage bereits vor dem Inkrafttreten des KBGG erschöpft war, von dieser Gesetzesänderung nicht mehr erfasst sein sollte. Das Anknüpfen an dieses Kriterium stellt nach Ansicht des erkennenden Senates einen durchaus sachlichen Gesichtspunkt für die Abgrenzung des Geltungsbereiches der bisherigen von der neuen günstigeren Rechtslage dar. Im Übrigen steht dem Gesetzgeber, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein Gestaltungsspielraum insofern zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist, und es sind gerade im Sozialversicherungsbereich Stichtagsregelungen in Anpassung an die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten unvermeidlich, mögen sie auch in Einzelfällen Härten mit sich bringen. Es wurde daher bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine zeitliche Differenzierung durch eine Stichtagsregelung nicht grundsätzlich gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstößt, da es im Wesen einer Änderung materiell-rechtlicher Bestimmungen liegt, dass Rechtsfälle je nach dem für maßgeblich erklärten zeitlichen Sachverhaltselement unterschiedlich nach der alten oder neuen Rechtslage behandelt werden. Es steht daher grundsätzlich auch in der rechtspolitischen Freiheit des Gesetzgebers festzulegen, wann eine neue, den Versicherten begünstigende Bestimmung zu gelten hat (SSV-NF 2/88; 6/54; 7/56; 10 ObS 197/94; 10 ObS 223/95; 10 ObS 300/02v ua).
Der erkennende Senat sieht daher für die von der Revisionswerberin angeregte Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof keine Veranlassung.
Der Revision kommt somit keine Berechtigung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.