zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 04.10.1991, B1408/90

VfGH vom 04.10.1991, B1408/90

Sammlungsnummer

12841

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Anerkennung einer an die Mitglieder einer Lagerhausgenossenschaft ausgezahlten Warenrückvergütung als Betriebsausgabe; keine Bedenken gegen die Einbeziehung rückvergüteter Beträge einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft in die Steuerbemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs 3 Z 2 KStG 1988

Spruch

Die beschwerdeführende Genossenschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid wird der beschwerdeführenden Lagerhausgenossenschaft die Anerkennung einer im Geschäftsjahr 1989/90 an ihre Mitglieder ausgezahlten Warenrückvergütung von 225.440 S für 1988/89 als Betriebsausgabe unter Berufung auf § 8 Abs 3 Z 2 KörperschaftsteuerG (KStG) 1988 versagt. Darin ist bestimmt:

"Eine Einkommensverwendung ist auch anzunehmen bei:

2. Rückvergütungen, die von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Form von Kaufpreisrückvergütungen, Kaufpreisnachzahlungen oder Unkostenvergütungen gewährt werden und aus dem Mitgliedergeschäft erwirtschaftet wurden. Dies gilt auch für Rückvergütungen der Verbrauchergenossenschaften, die das im § 13 genannte Höchstausmaß übersteigen."

Der hier bezogene § 13 KStG 1988 lautet:

"Verbrauchergenossenschaften können bei der Ermittlung des Gewinnes Vergütungen abziehen, die bei Beginn des Wirtschaftsjahres dem Grunde und der Höhe nach feststehen und den Mitgliedern daher bei Bezug der Ware einen genau bezeichneten Rechtsanspruch auf die Auszahlung der Rückvergütung gewähren, soweit sie 1 % des Mitgliederumsatzes nicht übersteigen."

Die beschwerdeführende Genossenschaft erachtet sich durch die Anwendung des § 8 Abs 3 Z 2 KStG 1988 im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Die Einbeziehung rückvergüteter Beträge in die Steuerbemessungsgrundlage sei "ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte Prinzip der sachgerechten Besteuerung". Verfassungsrechtlich sei eine Differenzierung zwischen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits geboten. Außerdem lasse sich keine sachliche Rechtfertigung für die durch § 13 KStG 1988 bewirkte Besserstellung der Verbrauchergenossenschaften erkennen.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die beschwerdeführende Genossenschaft zieht zunächst die Berechtigung des Gesetzgebers in Zweifel, Warenrückvergütungen von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften überhaupt als Einkommensverwendung zu qualifizieren. Nach Meinung der insofern hauptsächlich auf Stoll-Tanzer, Die Gewinnbesteuerung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (Wien 1985) gestützten Beschwerde bewirkt die Rückvergütung eine Minderung des Gewinns, dessen Höhe erst nach Abzug der Rückvergütung festzustellen sei. Genossenschaften seien nicht auf den gewinnorientierten Einsatz von Kapital ausgerichtet, sondern hätten nur Ergänzungs- und Hilfsfunktion für die Erwerbs- oder Hauswirtschaft ihrer Mitglieder. Die Früchte ihrer Tätigkeit seien den Mitgliedern unmittelbar zuzurechnen (Stoll-Tanzer 18), sodaß aus Mitgliedergeschäften ein (betriebswirtschaftlicher) Gewinn überhaupt nicht denkbar sei (Stoll-Tanzer 22). Nur die körperschaftliche Rechtsform führe zur eigenständigen Steuerrechtsubjektivität der Genossenschaft, weshalb ihr "ein eigener steuerlicher Gewinnkreis zugewiesen" werde, der aber nur das Nichtmitglieder-Zweckgeschäft erfassen dürfe

(Stoll-Tanzer 33, 35). Ein zur Rückvergütung führender "Überschuß" könne nur darauf zurückzuführen sein, daß das Mitglied zunächst einen zu hohen Aufwand für die Güterbeschaffung angesetzt habe (Stoll-Tanzer 39f), weshalb das Entgelt nun teilweise zurückgezahlt werden müsse (Stoll-Tanzer 43). Die Besteuerung eines solchen (Schein-)"Gewinnes" führe zur nochmaligen Besteuerung eines bereits einmal besteuerten Einkommensteiles (Stoll-Tanzer 40).

Der Verfassungsgerichtshof kann die aus diesen Überlegungen abgeleiteten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs 3 Z 2 KStG 1988 nicht teilen. Der Grad der wirtschaftlichen Selbständigkeit einer Gemeinschaft ist für die Frage der Körperschaftsteuerpflicht nicht entscheidend. Ohnehin sind die Übergänge fließend: Auch Kapitalgesellschaften können erwerbs- oder hauswirtschaftlichen Zwecken ihrer Teilhaber dienen und Genossenschaften können Gewinne horten und in gewisser Weise erwerbswirtschaftlich einsetzen. So gehen auch Stoll-Tanzer (43) davon aus, daß die von der Gemeinschaft erzielten "Überschüsse" aus dem Mitglieder-Zweckgeschäft "je nach der statutarisch eingeengten Wahl der maßgebenden Genossenschaftsorgane als 'Überschüsse' rückvergütet oder als 'Gewinne' auf den jeweiligen Anteil ausgeschüttet bzw. auf neue Rechnung vorgetragen werden" können. Die Entscheidung des Gesetzgebers, auch juristische Personen einer Einkommensteuer zu unterwerfen, obwohl ihre Gewinne letztlich ihren Teilhabern zukommen sollen, hängt von der mehr oder weniger selbständigen Funktion der Körperschaften nicht notwendig ab. Der Gesetzgeber kann an die mit der rechtlichen Selbständigkeit verbundenen Folgen anknüpfen. Die typischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Körperschaften rechtfertigen zwar unterschiedliche steuerliche Behandlungen - wie dies in den verschiedenen Epochen der Entwicklung des Körperschaftsteuerrechts der Fall war (dazu aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 6709/1972 und VfSlg. 9516/1982) -, sie verbieten es aber nicht, den aus dem Vermögensvergleich zwischen Anfang und Ende des Wirtschaftsjahres hervorgehenden "Gewinn" der Körperschaft auch insoweit der Besteuerung zu unterwerfen, als er später den Mitgliedern entsprechend ihrer Beteiligung an diesem Erwerb rückvergütet wird. Die Annahme, daß "Überschüsse aus dem genossenschaftseigenen Mitgliedergeschäft ... nur im nachhinein Gewinnqualität erlangen, wenn und soweit sie

nicht genossenschaftsnah ... rückvergütet werden, sondern entweder

akkumuliert oder genossenschaftsfern ... für die Kapitalverzinsung

Verwendung finden" (Stoll-Tanzer 43, Hervorhebung im Original), sodaß "derartige Gewinne in steuerlich-wirtschaftlicher Betrachtung wiederum zu bei der Genossenschaft steuerneutralen Überschüssen werden" müßten, "soweit ihre (Rück-)vergütung an die Mitglieder erfolgt" (Stoll-Tanzer 45), läßt die Möglichkeit eben dieser Disposition und das darin liegende Gewinnelement außer Acht. Es mag dem Gesetzgeber - aus den von den Kritikern dargelegten Gründen - freistehen, Rückvergütungen als gewinnmindernd zu behandeln, er kann sie aber als einen Bestandteil des Gewinnes der Körperschaft auch ebenso besteuern wie die Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Mitglieder (bei denen sie dafür nur nach dem halben Einkommensteuersatz versteuert werden). Ob der Vorteil der Rückvergütung den Mitgliedern nach Maßgabe ihrer Kapitalbeteiligung oder im Verhältnis ihres Beitrages zum Gewinn zufließt, ist für die Behandlung der Genossenschaft nicht wesentlich.

2. Da die beschwerdeführende Genossenschaft keine Verbrauchergenossenschaft ist, kommt § 13 KStG 1988 im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Und § 8 Abs 3 Z 2 würde im anwendbaren Umfang auch durch eine verfehlte Einschränkung der Begünstigung des § 13 auf Verbrauchergenossenschaften nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Wie die Beschwerde ausdrücklich einräumt, beruhte die in Rede stehende Rückvergütung nicht auf einem Anspruch, der vor Beginn des Wirtschaftsjahres dem Grund und der Höhe nach festgesetzt war. Nur innerhalb der Gruppe von Genossenschaften, die einen solchen Anspruch schon bei Beginn des Wirtschaftsjahres gewähren, kann aber die bekämpfte Einschränkung auf Verbrauchergenossenschaften von Bedeutung sein. Eine Entfernung dieser Einschränkung in § 13 und im zweiten Satz des § 8 Abs 3 Z 2 bliebe ohne Auswirkung auf die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Genossenschaft.

Auf die gegen § 13 erhobenen Vorwürfe ist daher nicht einzugehen.

3. Die gerügte Eigentumsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes liegt also nicht vor. Da auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und eine sonstige Anwendung rechtswidriger genereller Normen nicht hervorgekommen ist, muß die Beschwerde abgewiesen werden.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).