OGH vom 17.05.2018, 9Ob34/18t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Sachwalterschaftssache F***** W*****, geboren am *****, verstorben am ***** 2017, über den Revisionsrekurs des Antragstellers W***** W*****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 47/18m-149, womit dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 1 P 188/15d-146, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist der Sohn des am ***** 2017 verstorbenen Betroffenen. Für den Betroffenen war seit 2013 seine Tochter zur Sachwalterin bestellt.
Der Betroffene hinterließ neben seiner Ehefrau zwei aus dieser Ehe stammende Kinder sowie aus erster Ehe den Sohn und nunmehrigen Antragsteller. Dieser gab in dem zu AZ ***** des Bezirksgerichts Neulengbach anhängigen Verlassenschaftsverfahren eine bedingte Erbantrittserklärung ab.
In der Sachwalterschaftssache beantragte der Antragsteller (im eigenen Namen), ihm Akteneinsicht in folgende Teile des Pflegschaftsakts zu gewähren: Bericht über die mündelsichere Veranlagung des Erlöses aus dem Verkauf einer näher bezeichneten Liegenschaft gemäß dem Gerichtsauftrag ON 70, in die von der Sachwalterin dem Pflegschaftsgericht gelegte Antrittsrechnung, in die danach gelegten laufenden Rechnungen, in die nach Beendigung der Sachwalterschaft gelegte Schlussrechnung, in die vom Gericht dazu gefassten Genehmigungsbeschlüsse sowie in die jeweiligen Beschlüsse über die Festsetzung der Entlohnung der Sachwalterin.
Die ebenfalls erbantrittserklärte Tochter (und ehemalige Sachwalterin) des Verstorbenen sprach sich gegen den Antrag ihres Halbbruders aus und verwies darauf, dass ihre Berichte und Rechnungen inklusive der Schlussrechnung vom Sachwalterschaftsgericht bestätigt worden seien.
Das Erstgericht wies den vom Antragsteller in der Sachwalterschaftssache gestellten Antrag auf Akteneinsicht ab. Da der Antragsteller nicht Alleinerbe sei, komme ihm das Recht, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten nur gemeinsam mit den übrigen Erben zu, wobei die Vertretung im Einvernehmen zu erfolgen habe (§ 810 ABGB). Der Antragsteller sei daher als Dritter iSd § 141 AußStrG anzusehen, dem aus bloß wirtschaftlichen Interessen kein Recht auf Akteneinsicht zukomme.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge. Nur ein Erbe als Universalsukzessor nach dem Verstorbenen hätte Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt, soweit dies die Einkommens- und Vermögensangelegenheiten des Verstorbenen betreffe; dies auch ohne Zustimmung der übrigen Erben. Solange jedoch das Verlassenschaftsverfahren anhängig und die Universalrechtsnachfolge noch nicht eingetreten sei, handle es sich bei den bloß erbantrittserklärten Erben um die Vertreter der Verlassenschaft, die für Vertretungshandlungen gemäß § 810 Abs 1 ABGB das Einvernehmen mit den anderen erbantrittserklärten Erben suchen müssten. Liege dieses Einvernehmen, so wie hier, nicht vor, könne in diesem Verfahrensstadium die beantragte Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt nicht gewährt werden.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob für das Recht auf Akteneinsicht in die die Einkommens- und Vermögensangelegenheiten betreffenden Teile des Sachwalterschaftsakts die Zustimmung aller erbantrittserklärten Erben vorliegen müsse.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
1. Gemäß § 141 AußStrG („Vertraulichkeit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse“) dürfen Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse vom Gericht nur dem betroffenen Pflegebefohlenen und seinen gesetzlichen Vertretern, nicht aber sonstigen Personen oder Stellen erteilt werden. Diese Bestimmung schränkt die Akteneinsicht im Interesse der Geheimhaltung der Vermögensverhältnisse der beteiligten Pflegebefohlenen im Sachwalterschaftsverfahren für Dritte ein (1 Ob 98/12m; vgl ErlRV 224 BlgNR 22. GP 90). § 141 AußStrG ist als lex specialis für das II. Hauptstück des AußStrG anzusehen und bezieht sich auf das Ehe-, Kindschafts,- und Sachwalterschaftsverfahren, durch die die Grundregel des § 22 AußStrG iVm § 219 ZPO verdrängt wird (2 Ob 194/14i mwN; 10 Ob 66/17d unter Hinweis auf W. Tschugguel, Entscheidungsanmerkung zu 3 Ob 17/10m, iFamZ 2010/209, 287 [288]).
2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass Dritten im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 141 AußStrG grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht zukommt, ohne dass es auf ein (sonst) als „rechtlich“ zu qualifizierendes Interesse des Antragstellers ankäme (3 Ob 17/10m; 1 Ob 98/12m; 4 Ob 38/13m; 5 Ob 121/15b; 9 Ob 66/17x; 4 Ob 238/17d; vgl auch C. Graf, Akteneinsicht im Außerstreitverfahren und § 141 AußStrG, Zak 2007, 427 [429]). Dies soll dann nicht gelten, wenn die Akteneinsicht (ausschließlich) im Interesse des Pflegebefohlenen erfolgte (1 Ob 98/12m; 4 Ob 38/13m; 2 Ob 194/14i; 5 Ob 187/16k; 4 Ob 238/17d) oder alle Parteien der Akteneinsicht zustimmen (4 Ob 238/17d mwN).
3.§ 141 AußStrG ist nach ständiger Rechtsprechung auch nach dem Tod der betroffenen Person anzuwenden (1 Ob 98/12m; 4 Ob 38/13m mit weiteren Literaturnachweisen). Die Rechte des Betroffenen gehen auf dessen Erben über (RIS-Justiz RS0106077). Einem eingeantworteten Erben des Betroffenen ist nach gesicherter Rechtsprechung ein Recht auf Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt zu gewähren, soweit dies die Einkommens- und Vermögensangelegenheiten betrifft. Der Erbe ist in vermögensrechtlichen Belangen nicht „Dritter“, vielmehr ist er in die Rechte des Betroffenen im Sachwalterschaftsverfahren eingetreten und Universalsukzessor. Damit besteht ihm gegenüber kein Bedürfnis auf Geheimhaltung (3 Ob 17/10m; 1 Ob 98/12m; 4 Ob 238/17d; RIS-Justiz RS0106077; RS0125886).
4. Der Antragsteller ist (bisher) nicht eingeantworteter Erbe und damit (noch) nicht Universalsukzessor des Verstorbenen. Als einer von zumindest zwei bloß erbantrittserklärten Erben hat er daher jedenfalls gegen den ausdrücklichen Willen eines anderen erbantrittserklärten Erben kein Akteneinsichtsrecht nach § 141 AußStrG bezüglich der Einkommens- und Vermögensangelegenheiten.
Die Entscheidung 1 Ob 98/12m stützt den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers nicht, weil darin die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht vorgebracht hat, eine Erbantrittserklärung abgegeben zu haben. Soweit der Revisionsrekurs keinen sachlichen Grund erkennt, im vorliegenden Fall die Mitwirkung aller vertretungsberechtigten Miterben zu fordern, weil die Verlassenschaft durch die Akteneinsicht nicht belastet würde, wird übersehen, dass § 141 AußStrG eine Schutzvorschrift im Sachwalterschaftsverfahren zu Gunsten des Pflegebefohlenen darstellt (10 Ob 66/17d ua), die auch nach dessen Tod anzuwenden ist. Überlegungen des Revisionsrekurswerbers zur möglichen Verjährung eines unter Umständen gegenüber seiner Halbschwester und ehemaligen Sachwalterin des Betroffenen bestehenden Schadenersatzanspruchs wegen allfälliger Versäumnisse und Pflichtwidrigkeiten im Rahmen der Vermögensverwaltung des Betroffenen sind nicht geeignet, den Ausschluss Dritter von der Akteneinsicht (§ 141 AußStrG) zu durchbrechen.
Dem Revisionsrekurs des Antragstellers war daher nicht Folge zu geben.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00034.18T.0517.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.