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OGH vom 15.02.2000, 10Ob352/99h

OGH vom 15.02.2000, 10Ob352/99h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Anita H*****-K*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des zum Sachwalter bestellten Mag. Dr. Helmut B*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 14 R 362/99z-30, womit dem Rekurs des zum Sachwalter bestellten Mag. Dr. Helmut B***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom , GZ 8 P 71/98h-26, in der Hauptsache nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss, soweit darin dem Rekurs des bestellten Sachwalters in der Hauptsache nicht Folge gegeben wurde, als nichtig aufgehoben und die Sachwalterschaftssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom wurde Rechtsanwalt Mag. Dr. Helmut B***** für die Betroffene zum einstweiligen Sachwalter für die Besorgung dringender Angelegenheiten bei der Vertretung von Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt (ON 13). Über den Antrag des einstweiligen Sachwalters vom , ihn wegen berufsmäßiger Arbeitsauslastung von dieser Funktion zu entheben und einen anderen geeigneten einstweiligen Sachwalter zu bestellen (ON 14), wurde vom Erstgericht nicht entschieden. In der Tagsatzung vom erklärte die Betroffene ihr Einverständnis, dass der einstweilige Sachwalter zum "endgültigen" Sachwalter bestellt werde. Der einstweilige Sachwalter blieb "bei seiner bisherigen Stellungnahme" (ON 24).

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom wurde der einstweilige Sachwalter zum Sachwalter für den Angelegenheitenkreis der Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt (ON 26). Die Betroffene sei zufolge psychischer Erkrankung nicht in der Lage, die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Diese Angelegenheiten erforderten vor allem Rechtskenntnisse. Der bestellte Sachwalter sei auf Grund langjähriger Vertretungstätigkeit für die Betroffene bereits mit deren Rechtsangelegenheiten vertraut.

Gegen diesen Beschluss richtete sich der Rekurs des bestellten Sachwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass an seiner Stelle eine andere geeignete Person zum Sachwalter bestellt werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs des bestellten Sachwalters - soweit für das Revisionsrekursverfahren relevant - nicht Folge. Eine starke berufliche Auslastung sei kein tauglicher Entschuldigungsgrund gemäß § 195 ABGB. Der Bestellte sei auf Grund des Umstandes, dass er die Betroffene bereits seit Jahren vertrete, für die gegenständliche Aufgabe geradezu prädestiniert. Er sei gemäß § 200 ABGB zur Übernahme der Sachwalterschaft verpflichtet. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zufolge Lösung der relevanten Rechtsfrage im Sinne der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zulässig.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des bestellten Sachwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass an seiner Stelle eine andere geeignete Person zum Sachwalter bestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Wahrnehmung einer Nichtigkeit erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1891; JBl 1997, 326;

9 Ob 11/98b; RIS-Justiz RS0041896). Eine Nichtigkeit liegt hier vor;

sie ist aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses des bestellten Sachwalters vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen:

Gegen den Beschluss über die Bestellung des Sachwalters steht dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter das Rechtsmittel des Rekurses zu (§ 249 Abs 2 AußStrG). Wird ein Rekurs nicht von dem Betroffenen (seinem Vertreter) erhoben, so ist er in zweifacher, gegebenenfalls in dreifacher, Ausfertigung zu überreichen; eine Ausfertigung ist dem Betroffenen (seinem Vertreter) zuzustellen. Ihnen steht es frei, binnen 14 Tagen nach Zustellung der Rekursschrift beim Gericht erster Instanz eine Rekursbeantwortung einzubringen (§ 249 Abs 3 AußStrG).

Es handelt sich bei § 249 Abs 2 und 3 AußStrG um eine Sonderbestimmung gegenüber der allgemeinen Verfahrensbestimmung des § 9 AußStrG (Ent/Hopf, Sachwalterrecht, Anm 2 zu §§ 249 f; Maurer/Tschugguel, Sachwalterrecht2, Rz 4 zu § 249 AußStrG; NZ 1985, 177; NZ 1986, 131). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Regelung des Rechtsmittelverfahrens im Sachwalterrecht das Ziel, gegenüber der Entmündigungsordnung einen verbesserten Rechtsschutz des Betroffenen zu gewährleisten. Nur dem Betroffenen und seinem Vertreter wurde das Recht eingeräumt, sich zu einem nicht von ihnen erhobenen Rekurs durch Rekursbeantwortung zu äußeren (Ent/Hopf aaO 96 f; Maurer/Tschugguel aaO Rz 14 zu § 249 AußStrG; Mayr/Fucik, Verfahren Außerstreitsachen, 94; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 114).

Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall den § 249 Abs 3 AußStrG nicht beachtet und der Betroffenen keine Ausfertigung des Rekurses des bestellten Sachwalters gegen den Bestellungsbeschluss zugestellt, sondern den Akt sogleich dem Rekursgericht vorgelegt. Dieses entschied meritorisch über den Rekurs des bestellten Sachwalters, ohne auf das Unterbleiben einer Zustellung der Rekursschrift an die Betroffene Bedacht zu nehmen. Damit wurde aber das hier geltende Gebot der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens verletzt und dadurch der Betroffenen das rechtliche Gehör durch einen ungesetzlichen Vorgang im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen; der Betroffenen war es nämlich nicht möglich, sich durch eine Rekursbeantwortung am Rechtsmittelverfahren zu beteiligen. Die Verletzung des vorgeschriebenen rechtlichen Gehörs begründet auch im Außerstreitverfahren eine Nichtigkeit (Birkner, Parteistellung und rechtliches Gehör im Außerstreitverfahren, 57; SZ 56/109; 8 Ob 574/87; RIS-Justiz RS0005982). Die davon betroffene Entscheidung des Rekursgerichtes ist deshalb von Amts wegen als nichtig aufzuheben (JBl 1997, 326; EvBl 1997/30; 4 Ob 172/98t; 3 Ob 105/97f; 4 Ob 2331/96i; RIS-Justiz RS0042158). Das Rekursgericht wird die Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses an die Betroffene zu veranlassen und nach Einlangen der Rekursbeantwortung oder nach Ablauf der Rekursbeantwortungsfrist erneut zu entscheiden haben.

Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass des Revisionsrekurses die Nichtigkeit wahrgenommen; es bedurfte dabei in diesem Verfahrensabschnitt nicht der Einholung einer Revisionsrekursbeantwortung (EvBl 1997/30).