OGH vom 17.02.2021, 12Os146/20t

OGH vom 17.02.2021, 12Os146/20t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Oshidari, Dr. MichelKwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen Thomas S***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Manuel E***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom , GZ 27 Hv 1/20p277, und über die Beschwerde des Angeklagten Manuel E***** gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit und Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch IV.2., demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) betreffend den Angeklagten Thomas S***** sowie der Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe für den genannten Angeklagten aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihrer Berufung in Ansehung des Angeklagten Thomas S***** wird die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen im Übrigen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Dem Angeklagten Manuel E***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – Thomas S***** (unter anderem) mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV.) und Manuel E***** des Verbrechens des Raubes nach (richtig) § 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (I.A.2.) und des Vergehens des Diebstahls nach § 15, 127 StGB (I.F.) schuldig erkannt.

[2] Danach haben

I.A.2./ Manuel E***** am in I***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zur strafbaren Handlung des Thomas S*****, Angelo Sz*****, Lorenz O***** und Rasul B***** beigetragen, die im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter dem Christoph A***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) sowie mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich dessen Geldbörse samt Inhalt, einen Kopfhörer im Wert von 180 Euro sowie einen Grinder abnötigten, indem sie sich ihm bedrohlich näherten, ihn von seinen Begleitern abdrängten und umkreisten, ihn körperlich bedrängten und Thomas S***** ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und Thomas S*****, Lorenz O***** und Rasul B***** die genannten Gegenstände aus seiner Bauchtasche entnahmen, indem er während der Tatausführung an den ihm bekannten Noah So*****, welcher zuvor versucht hatte, Christoph A***** zu helfen, herantrat und zu diesem sagte, dass er sich heraushalten solle;

I.F./ Manuel E***** am in I***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz versucht, einer unbekannten Person ein Fahrrad der Marke Cheyenne wegzunehmen, indem er mit dem unversperrten Fahrrad wegfuhr, wobei er von der Polizei angehalten wurde;

IV./ Thomas S***** Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, nämlich

1./ in der Nacht vom 22. auf den in H***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den abgesondert verfolgten Pouriya M*****, Angelo Sz***** und Sanjin R***** ein Sparbuch des Autohauses T*****, indem sie dieses im Zuge des Einbruchs in das genannte Autohaus an sich nahmen;

2./ am in M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den abgesondert verfolgten Pouriya M***** und Sanjin R***** ca 150 Begutachtungsplaketten, indem sie diese im Zuge des Einbruchs in das Autohaus In***** an sich nahmen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch I.A.2. richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manuel E*****, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Entgegen der Mängelrüge ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 30 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882).

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[6] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil im Schuldspruch IV.2. dem Angeklagten Thomas S***** zum Nachteil gereichende Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[7] Denn nur bereits ausgestellte (und in der Regel am Fahrzeug angebrachte) Begutachtungsplaketten nach § 57a KFG entsprechen dem Urkundenbegriff des § 74 Abs 1 Z 7 StGB (Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 53; Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 225 Rz 3; Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 223 Rz 27), während dies auf Blankobegutachtungsplaketten – mangels des rechtserheblichen Erklärungsinhalts und Erkennbarkeit des Ausstellers – nicht zutrifft (12 Os 5/17b mwN).

[8] Feststellungen dazu enthält das angefochtene Urteil allerdings nicht (vgl US 25). Da dieses Konstatierungsdefizit die abschließende rechtliche Beurteilung der vom Schuldspruch IV.2. umfassten Unterdrückung von „150 Begutachtungsplaketten“ hindert, ist insofern die Verfahrenserneuerung unumgänglich (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[9] Aus der erforderlichen Aufhebung des Schuldspruchs IV.2. folgte die Kassation des Strafausspruchs betreffend den Angeklagten Thomas S***** sowie des Beschlusses auf Anordnung von Bewährungshilfe für den Genannten.

[10] Mit ihrer Berufung hinsichtlich des Angeklagten Thomas S***** war die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung zu verweisen.

[11] Über die Berufungen im Übrigen sowie die implizit erhobene Beschwerde wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00146.20T.0217.000

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