OGH vom 24.01.2019, 12Os146/18i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manuel E***** wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 10 U 193/17x des Bezirksgerichts Donaustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom , GZ 10 U 193/17x-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalprokurators Dr. Plöchl zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 10 U 193/17x-20, verletzt im Schuldspruch 1./ das Gesetz in § 447 StPO iVm § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 35 Abs 1, 37 SMG.
Dieses Urteil wird im Schuldspruch 1./ sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Donaustadt verwiesen.
Text
Gründe:
Am trat die Staatsanwaltschaft Wien zu AZ 132 BAZ 469/17g gemäß § 35 Abs 9 SMG vorläufig von der Verfolgung des Manuel E***** wegen des Verdachts nach § 27 Abs 1 Z 1 (erster und zweiter Fall) und Abs 2 SMG zurück (ON 1 S 1).
Gleichfalls erfolgte jeweils wegen des Verdachts nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG zu AZ 103 BAZ 591/17k der Staatsanwaltschaft Wien am (ON 8 S 1) und zu AZ 132 BAZ 850/17m der Staatsanwaltschaft Wien am (ON 1 S 1 in ON 9) ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs 9 SMG.
Nachdem Manuel E***** in den genannten Verfahren nicht zur Begutachtung bei der Gesundheitsbehörde (§ 12 SMG) erschienen war (ON 5, ON 6 in ON 8 und ON 6 in ON 9), erhob die Staatsanwaltschaft Wien jeweils Strafantrag wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (ON 6, ON 7 in ON 8 und ON 7 in ON 9).
Mit Beschlüssen vom und bezog das Bezirksgericht Donaustadt die zu AZ 103 BAZ 591/17k und AZ 132 BAZ 850/17m, jeweils der Staatsanwaltschaft Wien, anhängigen Verfahren in das Verfahren AZ 10 U 193/17x ein (ON 1 S 4).
Die Hauptverhandlung wurde am „zur Durchführung von Maßnahmen gemäß § 35, 37 SMG […] auf vorerst unbestimmte Zeit vertagt“ (ON 13). Nach mehrmaligen Urgenzen (ON 1 S 5 f) bei der Gesundheitsbehörde und der Einbeziehung eines weiteren Verfahrens wegen § 125 StGB (ON 1 S 7) wurde Manuel E***** mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom (ON 20) (richtig:) der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (1./) sowie (richtig:) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (2./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs zu 1./ hat Manuel E***** in W***** vorschriftswidrig Suchtgift „für den persönlichen Gebrauch“ erworben und besessen, und zwar
a./ am 1 Gramm Cannabiskraut,
b./ am 1,5 Gramm Cannabiskraut und
c./ am 1,4 Gramm Cannabisharz (US 2).
Zur Begründung des Ausschlusses eines diversionellen Vorgehens wurde lediglich auf die – einem solchen nach den § 37, 35 Abs 1 SMG aber nicht entgegenstehende – „Vorstrafenbelastung“ verwiesen (US 2).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 10 U 193/17x-20, in folgender Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringen der Anklage das Gericht die § 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
Wurden durch die Tat § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG verwirklicht, so ist Diversion nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – stets geboten (vgl RIS-Justiz RS0131952). Der Umstand, dass der Angeklagte weiterer, mit dem Suchtmittelgesetz in keinem Zusammenhang stehender Verbrechen oder Vergehen schuldig erkannt wird, hindert eine solche vorläufige Verfahrenseinstellung nicht (Schroll, WK-StPO § 203 Rz 33/1; RIS-Justiz RS0113621). Nachdem im § 35 Abs 1 SMG keine spezialpräventiven Ausschlussgründe vorgesehen sind, verletzt die auf eine „Vorstrafenbelastung“ gestützte Verweigerung eines diversionellen Vorgehens und der genannten Bestimmung das Gesetz (vgl Schroll, WK-StPO § 203 Rz 32/1 f).
Im Fall einer Verurteilung hat die gekürzte Urteilsausfertigung neben den wesentlichen Bestandteilen des Urteils (§ 270 Abs 2 StPO) auch die vom Gericht als erwiesen angenommenen – entscheidungswesentlichen (Danek, WK-StPO § 270 Rz 30 f) – Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten, sodass insgesamt die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nachvollziehbar und überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0125764).
Das Bezirksgericht hätte daher gemäß § 447 StPO iVm § 270 Abs 4 Z 2 StPO Feststellungen zu den Tatsachen treffen müssen, aufgrund derer sich trotz Bejahung der Verwirklichung auch des § 27 Abs 2 SMG die Nichtanwendung der – als temporäres Verfolgungshindernis einer Verurteilung entgegenstehenden – Diversionsbestimmungen der § 37, 35 Abs 1 SMG aus dem Gesetz ableiten lässt (RIS-Justiz RS0125764 [T3]; RIS-Justiz RS0119091 [T9]).
Die aufgezeigte Gesetzesverletzung ist geeignet, sich zum Nachteil des Angeklagten Manuel E***** auszuwirken, weshalb deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zuzuerkennen war.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00146.18I.0124.000 |
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