VfGH vom 14.12.1994, B1400/92
Sammlungsnummer
13978
Leitsatz
Kein Verstoß von Bestimmungen des BDG 1979 über Dienstpflichten des Beamten gegen das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung bzw das Recht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre als Sonderfall des Rechts auf Meinungsäußerungsfreiheit; Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Beamten des Rechnungshofes wegen Dienstpflichtverletzung infolge denkunmöglicher Anwendung von Bestimmungen über Dienstpflichten bei Besorgung dienstlicher Aufgaben auf ein außerdienstliches Verhalten des Beamten, nämlich die Äußerung einer herabsetzenden Pauschalkritik am Rechnungshof in einem Vortrag und zwei Artikeln in Fachzeitschriften; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung der auch auf außerdienstliches Verhalten bezogenen Dienstpflichtverletzung der Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch die Äußerungen des Beschwerdeführers
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er mit ihm schuldig erkannt wurde, durch Verstoß gegen § 43 Abs 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. 333, und gegen § 44 Abs 1 BDG 1979 Dienstpflichtverletzungen iS des § 91 BDG 1979 begangen zu haben, und soweit über ihn daher die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von 15.000.- S verhängt wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er mit ihm schuldig erkannt wurde, durch Verstoß gegen § 43 Abs 2 BDG 1979 eine Dienstpflichtverletzung iS des § 91 BDG 1979 begangen zu haben, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit 16.500.- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer steht als Ministerialrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war der Rechnungshof.
Die Disziplinarkommission beim Rechnungshof, Senat I, erkannte mit Disziplinarerkenntnis den Beschwerdeführer schuldig (und verhängte über ihn die Disziplinarstrafe des Verweises), eine Dienstpflichtverletzung iS des § 91 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. 333, in der maßgebenden Fassung, dadurch begangen zu haben, daß er gegen die Verpflichtung gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979, seine Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, ferner gegen die Verpflichtung gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, des weiteren gegen die Verpflichtung gemäß § 44 Abs 1 BDG 1979, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen zu befolgen, verstoßen habe, indem er als Autor zweier näher bezeichneter Beiträge in Zeitschriften bestimmte, im Wortlaut wiedergegebene Aussagen gemacht habe.
Von zwei weiteren Anschuldigungen wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.
2. Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt (im folgenden: DOK) gab der gegen das Disziplinarerkenntnis eingebrachten Berufung des Disziplinaranwaltes Folge, der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge und erkannte den Beschwerdeführer schuldig, durch die Aussagen in den Artikeln "Präsidial- oder Kollegialsystem? Gedanken zur Reform des Rechnungshofes" in "Finanznachrichten", Nr. 30/31 vom und "Allokationstheoretischer Stellenwert des Rechnungshofes (RH)" in "Der öffentliche Sektor", Nr. 2-3/1990, S. 61 ff.,
"daß das eine oder andere dennoch hervorkommende unangenehme Prüfungsergebnis ...., um politischen Interventionen vorzubeugen, einer Sonderbehandlung unterzogen" wird; (Aussage a)
"die Prüfungstätigkeit verkommt damit letztlich zur Kunst aus Liebhaberei (Dilettantismus)"; (Aussage b)
daß "anstelle von Grundlagen für die Feststellung und Deckung des Personalbedarfes 'politische Interventionen und Protektionswirtschaft Platz' greift"; (Aussage c)
daß sich der Präsident "bloß auf kosmetische Berichtskorrekturen beschränkt"; (Aussage d)
daß eine "Herausforderung" besteht "zur Überwindung des im Rechnungshof vorherrschenden Dilettantismus, der sich die derzeitige Führung bis jetzt beharrlich entzogen hat" (Aussage f)
gegen die Verpflichtung gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979, unter anderem seine Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu zu besorgen, ferner gegen die Verpflichtung gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, schließlich gegen die Verpflichtung gemäß § 44 Abs 1 BDG 1979, seine Vorgesetzten zu unterstützen, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen iS des § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
Über den Beschwerdeführer wurde unter Berufung auf § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von 15.000.- S verhängt.
Von einer weiteren Anschuldigung wurde der Beschwerdeführer iS des § 126 Abs 2 BDG 1979 freigesprochen.
Ein die Annahme eines Erschwerungsgrundes betreffender Teil des Spruches des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses wurde (ersatzlos) aufgehoben. Bestätigt wurden hingegen die Aussprüche über den Ausschluß des Inhaltes des Disziplinarerkenntnisses von der Veröffentlichung (§128 BDG 1979) sowie über die Abstandnahme von der Auferlegung einer Kostenersatzpflicht (§117 Abs 2 BDG 1979).
3. Gegen den Bescheid der DOK richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art17 StGG), auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art13 StGG und Art 10 EMRK) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, begehrt wird.
4. Die DOK hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof
hat über die Beschwerde erwogen:
A. Wie sich aus der (abschließenden) Aufzählung der Disziplinarbehörden in § 96 BDG 1979 und aus der Umschreibung der Zuständigkeit der DOK in § 97 Z 3 BDG 1979 ergibt, unterliegen Entscheidungen der DOK keinem weiteren Instanzenzug (vgl. auch § 119 BDG 1979, wonach im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht durch die DOK § 73 Abs 2 und 3 AVG nicht anzuwenden ist). Der Instanzenzug ist somit ausgeschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
B. Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Die dem Hauptinhalt des Spruches des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses inhaltlich zugrunde liegenden Vorschriften der §§43 und 44 BDG 1979 haben folgenden Wortlaut:
"Allgemeine Dienstpflichten
§43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zu Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
(3) ....
Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten
§44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsrechtlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
(2) ....
(3) ....
Dienstpflichtverletzungen
§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
Disziplinarstrafen
§92. (1) Disziplinarstrafen sind
1. ....
2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage,
...."
2.a) Nach Art 13 Abs 1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung, von dem das durch Art 17 StGG ("Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.") verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre einen Sonderfall darstellt (s. etwa Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, Rz 785), ist zwar nur innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (s. etwa VfSlg. 6166/1970, 10700/1985, 11404/1987). Eine nähere Bestimmung des Wesensgehaltes dieses Grundrechtes findet sich in Art 10 EMRK (s. zB VfSlg. 11996/1989, 12796/1991, 13122/1992). Diese Verfassungsnorm bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung und stellt klar, daß dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen einschließt (Abs1), sieht aber vor, daß die Ausübung dieser Freiheiten im Hinblick darauf, daß sie Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden kann,
"wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten."
(Zur Korrektur der Übersetzung des Art 10 Abs 2 EMRK vgl. VfSlg. 6288/1970, wonach die Unrichtigkeit der deutschen Zbersetzung in der falschen Stellung der Worte "unentbehrlich sind" besteht. Bei richtiger Übersetzung sollten diese Worte, wie in der in der Bundesrepublik Deutschland publizierten deutschen Übersetzung, am Schluß dieses Absatzes stehen).
Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung darf also nur aus den in Art 10 Abs 2 EMRK angeführten Gründen beschränkt werden (VfSlg. 10700/1985, 13035/1992, 13122/1992).
Der Bescheid einer Verwaltungbehörde kann dieses Recht nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen ist oder auf einer verfassungwidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung eine verfassungsgesetzlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde (vgl. zB VfSlg. 9909/1983, 12822/1991).
b) Das durch Art 17 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre - wie erwähnt, ein Sonderfall des Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung - umfaßt das Recht der unbehinderten wissenschaftlichen Forschung und das Recht der unbehinderten Lehre der Wissenschaft (VfSlg. 1969/1950, 2706/1954, 3068/1956, 4881/1964; vgl. etwa auch Wielinger, Die Freiheit der Wissenschaft, in: Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg.), 40 Jahre EMRK, Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II, S. 175 ff.), vornehmlich - aber nicht ausschließlich (VfSlg. 4881/1964, 8136/1977, S. 89 f.) - im Bereich der akademischen Wissenschaftspflege (Forschung und Lehre) und damit der akademischen Lehrfreiheit. Aus dem Umstand, daß dieses Grundrecht ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt gewährleistet ist, leitete der Verfassungsgerichtshof ab, daß jedermann, der wissenschaftlich forscht oder lehrt, hiebei vom Staat keinen spezifischen, intentional auf die Einengung dieser Freiheit gerichteten Beschränkungen unterworfen werden darf (VfSlg. 8136/1977, S. 89 f.; im selben Sinn VfSlg. 3565/1959; vgl. etwa auch VfSlg. 6974/1973).
Wie jedoch der Verfassungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen VfSlg. 10401/1985 und 11567/1987 zu dem durch Art 17a StGG ("Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.") gleichfalls ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt gewährleisteten Recht, im Erkenntnis VfSlg. 11737/1988 aber allgemein zu den nicht durch einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt eingeschränkten ("absoluten") Grundrechten ausgesprochen hat, sind auch derartige Grundrechte nur innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze gewährleistet ("immanente Grundrechtsschranken"; vgl. dazu VfSlg. 11737/1988). In bezug auf die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre hatte der Verfassungsgerichtshof dies bereits durch die Erkenntnisse VfSlg. 1777/1949 und 4732/1964 klargestellt.
Allerdings können auch Gesetze, die nicht intentional gegen die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre gerichtet sind, in ihrer Auswirkung mit diesem Grundrecht in Konflikt geraten (so VfSlg. 11737/1988 mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung in bezug auf das Recht auf Freiheit der Kunst). Im Sinne der zitierten, an Hand der Kunstfreiheit entwickelten, aber bereits über sie hinausweisenden (VfSlg. 11737/1988) Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist ein durch Bescheid vorgenommener Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, der die wissenschaftliche Tätigkeit verhindert (VfSlg. 4881/1964) oder auch nur beschränkt (VfSlg. 2823/1955), nur dann zulässig, wenn er zum Schutz eines anderen Rechtsgutes erforderlich und verhältnismäßig ist. Es bedarf somit einer Abwägung zwischen der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre und dem durch den Eingriff geschützten Rechtsgut.
3. Die belangte Behörde gründet ihre Entscheidung unter anderem auf folgenden von der Erstbehörde festgestellten, vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer besitzt die Lehrbefugnis für "Finanzwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen Planungstheorie". Er hielt bei einem vom Institut für Finanzwissenschaften und Infrastrukturpolitik der Technischen Universität Wien veranstalteten "Jubiläumsseminar" mit dem Titel "175 Jahre Technische Universität Wien; Effizienz im öffentlichen Sektor", bei dem ua. Universitätsprofessoren, Dozenten, Assistenten, Abgeordnete und der Leiter der Innenrevision im Bundesministerium für Finanzen als Vortragende auftraten, als eines von 13 Referaten einen dreiviertelstündigen Vortrag, der mit dem Titel "Allokationstheoretischer Stellenwert des Rechnungshofes" angekündigt war.
Unter dem Namen des Beschwerdeführers erschien in der Zeitschrift "Finanznachrichten", Nr. 30/31 vom , ein Artikel mit der Überschrift "Präsidial- oder Kollegialsystem? Gedanken zur Reform des Rechnungshofes", dessen Fußnote 1 einleitend folgenden Hinweis enthält: "Überarbeitete Fassung des Abschnitts 5 des Seminarbeitrags 'Allokationstheoretischer Stellenwert des Rechnungshofes' zum Jubiläumsseminar '175 Jahre Technische Universität Wien' des Instituts für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik am in Bratislava." In diesem Artikel finden sich sämtliche jener (oben unter I. 2. im Wortlaut wiedergegebenen) Aussagen, deretwegen die disziplinäre Verurteilung des Beschwerdeführers durch die DOK erfolgte.
In der Publikation "Der öffentliche Sektor - Forschungsmemoranden", Heft 2-3/1990, S. 61 ff., erschien ein mit dem Namen des Beschwerdeführers gezeichneter Artikel mit der Überschrift "Allokationstheoretischer Stellenwert des Rechnungshofes (RH)", in dem diese Aussagen, mit Ausnahme der
letzten (".... Herausforderung zur Überwindung des im RH
vorherrschenden Dilettantismus, der sich die derzeitige Führung bis jetzt beharrlich entzogen hat."), wortgleich aufscheinen.
4.a) Die Vorschriften des § 43 Abs 1 und 2 sowie des § 44 Abs 1 BDG 1979, deren Verletzung dem Beschwerdeführer als schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten zur Last gelegt wurde, stehen zu Art 10 EMRK nicht in Widerspruch. Soweit ihnen (auch) eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung innewohnt, können sie zweifellos als Vorschriften angesehen werden, die in Art 10 Abs 2 EMRK ihre Deckung finden (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 7907/1976).
b) Die in Rede stehenden Vorschriften zielen keineswegs darauf ab, das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre zu beschränken. Sie finden vielmehr allgemein auf die von ihrem persönlichen Geltungsbereich erfaßten Personen - das sind alle Bediensteten, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen ("Beamte"; § 1 Abs 1 BDG 1979) - Anwendung (zur Geltung der dienstrechtlichen Vorschriften auch für die im Bereich der Wissenschaft und ihrer Lehre tätigen Personen vgl. etwa VfSlg. 1777/1949, 2345/1952, 3068/1956, 3565/1959, 4323/1962, 4732/1964, 4881/1964; vgl. dazu auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, S. 51 ff.). Es kann sich demnach kein (Bundes-) Beamter der Anwendung dieser Vorschriften unter Berufung auf dieses Grundrecht entziehen. Im Bereich der Wissenschaft und ihrer Lehre tätige Beamte sind demnach insoweit gegenüber sonstigen Beamten nicht privilegiert. Dies gilt nicht nur für Beamte, die einer solchen Tätigkeit im Rahmen ihrer Aufgaben obliegen (wie Hochschullehrer, s. dazu § 155 BDG 1979), sondern gleichermaßen auch für Beamte, die der Wissenschaft und/oder ihrer Lehre außerhalb der Wahrnehmung der Aufgaben ihres Arbeitsplatzes (§36 BDG 1979) nachgehen.
Die in Rede stehenden Vorschriften finden somit auf öffentlichrechtliche Bedienstete des Bundes auch insoweit Anwendung, als diese - dienstlich oder außerdienstlich - im Bereich der Wissenschaft und/oder ihrer Lehre tätig sind; sie sind nicht wegen Eingriffes in dieses Grundrecht verfassungswidrig.
5. Es gibt keinen stichhaltigen Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer in Besorgung seiner dienstlichen Aufgaben - als Stellvertreter des Leiters der Grundsatzabteilung des Rechnungshofes - gehandelt hat, als er den Vortrag bei dem erwähnten "Jubiläumsseminar" hielt und die beiden in Rede stehenden Artikel verfaßte. Es ist nämlich weder ersichtlich, daß diese Tätigkeiten zur Wahrnehmung der Aufgaben seines Arbeitsplatzes (§36 Abs 1 BDG 1979) gehörten noch auch, daß sie ihm etwa zusätzlich übertragen worden wären. An diesem Ergebnis ändert es nichts, daß der Beschwerdeführer bei der Ausführung dieser Tätigkeiten über Informationen verfügte, die ihm nur auf Grund seiner damaligen Verwendung als Stellvertreter des Leiters der Grundsatzabteilung des Rechnungshofes zugänglich waren.
§ 43 Abs 1 BDG 1979 bezieht sich auf die Besorgung der dienstlichen Aufgaben des Beamten (s. dazu Kucsko-Stadlmayer, aaO, S. 207 ff.). Unter "dienstlichen Aufgaben" sind die Aufgaben des Arbeitsplatzes des Beamten (§36 BDG 1979) zu verstehen (so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 11 BlgNR 15. GP, S. 85,
Zu § 43). Außerdienstliches Verhalten des Beamten wird durch § 43 Abs 1 BDG 1979 nicht berührt (s. etwa Schwabl-Chilf (Hrsg.), Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten2, S. 5, FN 7).
Auch der Abs 1 des mit "Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten" überschriebenen § 44 BDG 1979 bezieht sich auf die Besorgung der dienstlichen Aufgaben des Beamten (Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 11 BlgNR 15. GP, S. 85, Zu § 44, verweisen auf den Zusammenhang der in § 44 Abs 1 BDG 1979 normierten Verpflichtung des Beamten, seine Vorgesetzten zu unterstützen, mit der dem Beamten durch § 43 Abs 1 BDG 1979 auferlegten Verpflichtung, seine Aufgaben aus eigenem zu besorgen; vgl. auch Kucsko-Stadlmayer, aaO, S. 253 f.). Somit finden § 43 Abs 1 und § 44 Abs 1 BDG 1979 auf das in Rede stehende Verhalten des Beschwerdeführers keine Anwendung. Es ist daher ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch dieses außerdienstliche Verhalten gegen diese Vorschriften verstoßen hat. Es verletzt daher der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer, soweit er ihm eine Verletzung seiner Dienstpflichten durch ein Zuwiderhandeln gegen § 43 Abs 1 und gegen § 44 Abs 1 BDG 1979 zur Last legt, wegen denkunmöglicher Anwendung dieser Vorschriften im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung.
6. Hingegen unterliegt es keinem Zweifel, daß sich § 43 Abs 2 BDG 1979 schon seinem insoweit klaren Wortlaut nach auf das gesamte Verhalten des Beamten, demnach also auch auf das außerdienstliche, bezieht.
Die Vorschrift des § 43 Abs 2 BDG 1979 verbietet dem Beamten ein - auch außerdienstliches - Verhalten, das geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen. Ein außerdienstliches Verhalten des Beamten begründet dessen disziplinäre Verantwortlichkeit somit dann, wenn es Zweifel an der gesetzmäßigen und sachlichen Amtsführung hervorzurufen geeignet ist, also "Rückschlüsse darauf zuläßt, daß er sich bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben rechtswidrig oder unsachlich (parteiisch oder eigennützig) verhält" (so Kucsko-Stadlmayer, aaO, S. 234; vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch ; , 86/09/0164; s. etwa auch Öhlinger, Der öffentliche Dienst zwischen Tradition und Reform, S. 33 f.).
Die Möglichkeit zur sachlichen, in der gebotenen Form geäußerten Kritik ist ein unverzichtbares, aus der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art 10 EMRK erfließendes, jedermann zustehendes Recht in einem demokratischen Gemeinwesen (so VfSlg. 11996/1989, S. 199; ). Sie muß auch einem Beamten gegenüber der Behörde, der er angehört, offenstehen. Eine disziplinäre Verantwortlichkeit begründet eine solche Kritik dort, wo sie die durch die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und durch § 43 Abs 2 BDG 1979 - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - gezogene Grenze überschreitet, indem sie geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten zu beeinträchtigen.
Die Auffassung der DOK, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten, unter Berufung auf seine verantwortliche Funktion im Rechnungshof und unter Verwertung seines daraus erworbenen Wissens über den Rechnungshof gemachten, eine herabsetzende Pauschalkritik an dieser Institution enthaltenden Äußerungen erfüllten den in § 43 Abs 2 BDG 1979 umschriebenen Tatbestand, ist selbst dann vertretbar, wenn sie nicht auf jede dieser Äußerungen zutreffen sollte. Der angefochtene Bescheid verletzt demnach, soweit mit ihm dem Beschwerdeführer eine Verletzung des § 43 Abs 2 BDG 1979 als schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten zur Last gelegt wird, den Beschwerdeführer nicht in dem durch Art 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.
Ob der angefochtene Bescheid in diesem Umfang in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, war vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.
Es würde zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn man mit der DOK davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer (auch) die ihm zur Last gelegten Äußerungen im Rahmen wissenschaftlicher Betätigung gemacht hat, weil bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides, wie sich bereits aus dem Dargelegten ergibt, weder ein gegen die Freiheit der Wissenschaft oder ihrer Lehre verstoßendes oder sonst verfassungswidriges Gesetz angewendet noch dem Gesetz fälschlicherweise ein gegen dieses Grundrecht verstoßender Inhalt zugrundegelegt wurde.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid, soweit der Beschwerdeführer eines Verstoßes gegen § 43 Abs 1 und gegen § 44 Abs 1 BDG 1979 schuldig erkannt wurde, ebenso wie hinsichtlich des einheitlichen Ausspruches über die Strafe aufzuheben.
Im übrigen war die Beschwerde abzuweisen und insoweit gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
7. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.750.- S enthalten.