OGH vom 24.02.1978, 13Os202/77
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Feber 1978 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Friedrich, Dr. Schneider und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sulyok als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahles nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1, 128
Abs 1 Z. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom , GZ. 4 a Vr 1.814/77-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ambros und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate herabgesetzt wird.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene Scheren- und Messerschleifer Franz A des Verbrechens des schweren Diebstahles nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 1 StGB.
schuldig erkannt, weil er am in Tullnerbach in Gesellschaft eines Unbekannten als Beteiligten (§ 12 StGB.) eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich eine Bodenstanduhr im Wert von 2.500 S, der Leopoldine B, welche die Wegnahme infolge ihrer hochgradigen Verkalkung nicht verhindern konnte, sohin unter Ausnützung eines Zustandes der Bestohlenen, der sie hilflos machte, mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 5, 10 und 11
StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund bringt die Beschwerde unter dem Titel einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung vor, das Erstgericht habe es unterlassen, sich mit einem Widerspruch in der den Beschwerdeführer - der einen ordnungsgemäßen Ankauf der Uhr behaupte und einen Diebstahl leugne - belastenden Aussage des Zeugen Michael C zu befassen. Dieser Zeuge habe nämlich angegeben, trotz einer Starerkrankung gut zu sehen, habe aber dennoch nicht erkennen können, welchen Gegenstand die angeblich von ihm beobachteten beiden Männer aus dem Haus der Leopoldine B getragen hätten. Da die Uhr aber eine Höhe von 2 m aufweise, hätte er sie - normales Sehvermögen vorausgesetzt - als solche erkennen müssen. Außerdem habe das Gericht die die Verantwortung des Beschwerdeführers unterstützende Aussage der Aloisia A, der Gattin des Beschwerdeführers, als unglaubwürdig abgetan, ohne zu berücksichtigen, daß die Zeugin in der Hauptverhandlung eine genaue Lageskizze der §rtlichkeiten und des Abstellplatzes des zum Transport benützten Kraftfahrzeuges anzufertigen in der Lage war, was ihr jedenfalls dann nicht möglich gewesen wäre, wenn sie ihn nicht, wie dies der Beschwerdeführer behaupte, beim Abtransport der Uhr unterstützt hätte.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge schlägt nicht durch.
Was die Einwendungen gegen die Sehkraft des Michael C und die Glaubwürdigkeit seiner Aussage schon aus diesem Grund anlangt, so sprach der genannte Zeuge, anders als der Beschwerdeführer darzutun sucht, bei Wiedergabe seiner Wahrnehmungen zwar anfangs von 'etwas' und von einem 'Gegenstand', den Männer aus dem Haus der B wegtrugen (S. 92), doch erklärte er später ausdrücklich, er habe gesehen, daß zwei Männer die Uhr samt Untersatz zum VW-Bus des Beschwerdeführers trugen (S. 94 und 96);
die eine durch das Nichterkennen der Uhr manifestierte schlechte Sehleistung des Zeugen infolge Starerkrankung behauptenden Einwendungen des Beschwerdeführers, die diese dezidierte Angabe negieren, gehen deshalb ebenso ins Leere wie die daraus gezogenen Schlußfolgerungen der Beschwerde. An der seine wiedergegebenen Wahrnehmungen ermöglichenden Sehkraft des Zeugen C zu zweifeln, hatte das Erstgericht daher keinen Anlaß. Was aber Aloisia A betrifft, so versagte das Schöffengericht ihr die Glaubwürdigkeit nicht bloß, wie in der Rechtsmittelschrift behauptet, ohne nähere Begründung; es legte vielmehr sehr ausführlich und im Akteninhalt gedeckt dar, warum es der Darstellung dieser Zeugin nicht folgen könne (S. 114); hiebei verwies das Erstgericht insbesondere auf die Aussagen der übrigen Zeugen, die als damaligen Begleiter des Beschwerdeführers einen bärtigen Mann und keine Frau erkannt hatten. Was der Beschwerdeführer hiegegen vorbringt, ist somit nichts anderes als eine unzulässige und damit auch unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Mit Recht leitete das Erstgericht aus der Tatsache, daß die Zeugin A eine (richtige) Lageskizze anzufertigen vermochte, keine weiteren Schlußfolgerungen ab, weil feststand, daß die Zeugin ihren Ehemann bei anderen Gelegenheiten begleitete und so Kenntnis von der Situation beim Haus der Leopoldine B hatte (S. 100).
Unter weiterer Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO. wirft der Beschwerdeführer dem Urteil unzureichende Begründung vor, weil nicht näher ausgeführt werde, wieso er, der mit Leopoldine B nur kurze Gespräche über das Scheren- und Messerschleifen geführt habe, Kenntnis von ihrer hochgradigen Verkalkung hätte haben sollen.
Auch dieser Vorwurf trifft das Urteil nicht zu Recht. Auf Grund der Aussagen der Zeugen Michael und Anna C (S. 91 und 96) konnte das Gericht nämlich feststellen, daß Leopoldine B bei relativ guter körperlicher Verfassung an schwerer Verkalkung litt, die sie Ereignisse aus jüngster Vergangenheit fast augenblicklich wieder vergessen ließ und daß dieser Zustand auch bei kurzem Gespräch auffiel. Der Feststellung, daß dies auch der Beschwerdeführer erkannte (S. 113 und 116), haftet sohin ein formaler Mangel nicht an.
Der Mängelrüge kommt also insgesamt keine Berechtigung zu. Mit seiner auf die Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Rechtsrüge bekämpft der Beschwerdeführer die Annahme der Qualifikation nach dem § 128 Abs 1 Z. 1 StGB.
und meint, daß Leopoldine B in relativ gutem körperlichem Zustand und deshalb auch in der Lage gewesen sei, Widerstand gegen das Wegtragen der Uhr zumindest zu versuchen. Die Erinnerungslücken und Gedächtnisstärungen seien aber, für sich allein betrachtet, noch nicht geeignet, Hilflosigkeit im Sinn des § 128 Abs 1 Z. 1 StGB. zu begründen, weshalb diese Qualifikation der Tat zu Unrecht bejaht worden sei.
Auch diesem Einwand kann Berechtigung nicht zuerkannt werden. Hilflos ist, wer zur Zeit der Tat außerstande oder zumindest schwer behindert ist, seinen Besitz zu beschützen und entweder überhaupt nicht oder nur unter Aufbietung äußerster Anstrengung in der Lage ist, sich ohne Unterstützung anderer gegen eine Gefahr zu helfen. Solche Zustände werden aber nicht nur durch rein körperliche Gebrechen herbeigeführt, sondern entstehen auch aus psychischem Unvermögen (vgl. ÖJZ-LSK 1977/110 bei § 128 Abs 1 Z. 1 StGB.). Vorliegend war Leopoldine B wegen ihrer - nach den Feststellungen des Erstgerichtes auch vom Angeklagten erkannten - zeitlichen und örtlichen Unorientiertheit infolge äußerst schwerer Verkalkung, die auch die Ursache ihrer Aufnahme in eine Pflegeanstalt am Tag nach der Tat war (S. 112), nicht imstande, sich und ihr Eigentum selbst vor Angriffen zu schützen, sondern bedurfte dazu der Hilfe anderer, etwa ihrer Nachbarn, denen sie aber vorliegend infolge ihrer Verkalkung nicht einmal angeben konnte, was und von wem ihr etwas ohne ihre Zustimmung weggetragen worden war. Dem Erstgericht unterlief, betrachtet man diesen in erster Instanz festgestellten Zustand, in dem sich Leopoldine B befand, sohin kein Rechtsirrtum, wenn es die Tat auch nach § 128 Abs 1 Z. 1 StGB. qualifizierte.
Es kommt daher der Rechtsrüge keine Berechtigung zu. Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. rügt der Beschwerdeführer schließlich, daß ihm die am von 13 Uhr 45 bis 16 Uhr 40
im Gewahrsam der Sicherheitsbehörde (Kommissariat Donaustadt der Polizeidirektion Wien) verbrachte Zeit (S. 11) nicht als Vorhaft nach § 38 StGB. angerechnet worden sei.
Auch insoweit ist die Beschwerde unbegründet.
Nach dem § 38 StGB. ist zwar jede polizeiliche Verwahrungshaft, auch wenn die Festnahme nicht im Auftrag eines Gerichtes stattfindet und nicht unmittelbar zu einer gerichtlichen Haft führt, auf die Strafe anzurechnen, aber - im Blick auf § 18 Abs 2 StGB. - nur sofern diese Haft das Ausmaß der geringsten zeitlichen Freiheitsstrafe von mindestens einem Tag im Sinn des § 18 Abs 2 StGB. übersteigt. Dieses Mindestmaß nach § 18 Abs 2 StGB. wurde hier nicht überschritten (vgl. 9 Os 85/76 = ÖJZ-LSK 1977/55 bei § 38 StGB.). Zum übrigen stellt die den Entlassungsvollzug betreffende Bestimmung des § 148 Abs 2 StVG. ohnehin sicher, daß es vorliegend im Ergebnis zu keiner Überschreitung der nach dem Strafausspruch zu verbüßenden Haftzeit durch die im Gewahrsam der Sicherheitsbehörde zugebrachte Zeit von nicht ganz drei Stunden kommen kann.
Der in jeder Richtung unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Franz A war sohin ein Erfolg zu versagen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 128 Abs 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr.
Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die mehrfache Qualifikation der Tat, die einschlägigen Vorstrafen und die Rückfallseignung nach dem § 39 StGB., als mildernd hingegen die objektive Schadensgutmachung.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes, die Verhängung einer Geldstrafe und schließlich die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.
Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.
Zutreffend nahm das Erstgericht als erschwerend an, daß der Angeklagte den an sich schweren Diebstahl (§ 128 Abs 1 Z. 1 StGB.) in Gesellschaft eines Beteiligten (§ 127 Abs 2 Z. 1 StGB.) - sohin schon im Grundtatbestand qualifiziert - beging. Der in der Berufung geltend gemachte Milderungsgrund des § 34 Z. 14 StGB. wurde im Ersturteil ohnehin herangezogen (objektive Schadensgutmachung);
daß der Angeklagte aber sich der Zufügung eines gräßeren Schadens freiwillig enthalten hätte, trifft nicht zu, weil ihm - nach der Aktenlage - durch die Wachsamkeit der Nachbarn der Bestohlenen die Gelegenheit zu weiteren Diebstählen benommen war. Hingegen ist dem Berufungswerber zuzugeben, daß - neben den zutreffend als erschwerend angenommenen einschlägigen Vorstrafen - eine Rückfallseignung im Sinn der (nicht angewendeten) Bestimmung des § 39 StGB.
keineswegs gesondert als erschwerend ins Gewicht fällt. Immerhin aber verhielt sich der Angeklagte seit seiner letzten Strafverbüßung (am ) bis zur Tatbegehung (am ) doch geraume Zeit hindurch wohl, sodaß dem Obersten Gerichtshof allein unter diesem Gesichtspunkt die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das tat- und schuldgerechte Ausmaß von acht Monaten geboten erscheint.
Bei diesem Strafmaß fehlen die nach § 37 StGB. erforderlichen Voraussetzungen für eine Umwandlung der Freiheits- in eine Geldstrafe, sodaß dem darauf abzielenden Berufungsbegehren ebenso ein Erfolg zu versagen war wie dem auf Gewährung der bedingten Strafnachsicht gerichteten Verlangen, welchem das belastete Vorleben des Angeklagten und seine fehlende Schuldeinsicht entgegenstehen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.