OGH vom 11.11.2016, 10ObS126/16a

OGH vom 11.11.2016, 10ObS126/16a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch die Sachwalterin S*****, diese vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Doll Aidin, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 36/16d 19 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 25 Rs 36/16d 21), womit aus Anlass des Rechtsmittels der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 44 Cgs 318/14t 14, das Verfahren hinsichtlich der Zuerkennung der Ausgleichzulage für nichtig erklärt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Ab dem bezog die Klägerin von der beklagten Partei eine Witwenpension samt Ausgleichszulage.

Am heiratete die Klägerin. Die Ehe wurde mit Urteil des Familiengerichts Ankara vom geschieden.

Am stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Wiederaufleben der Witwenpension.

Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte diesen Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass die neue Ehe der Klägerin mit Urteil des Familiengerichts Ankara vom aus ihrem alleinigen Verschulden geschieden worden sei.

Dagegen richtete sich die am zu AZ 65 Cgs 102/13f des Erstgerichts eingebrachte Klage der Klägerin mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die Witwenpension samt Ausgleichszulage zu gewähren und ihr binnen 14 Tagen die Witwenpension samt Ausgleichszulage insgesamt in Höhe von 24.240 EUR samt Stufenzinsen seit zu bezahlen.

Das Berufungsgericht wies diese Klage mit Beschluss und Urteil vom , AZ 25 Rs 70/14a, soweit das Begehren auf Gewährung einer Witwenpension und einer Ausgleichszulage samt Verzugszinsen bis sowie auf Gewährung einer Ausgleichszulage samt Verzugszinsen ab gerichtet ist, zurück und hob in diesem Umfang das dem Ersturteil vorangegangene Verfahren bis einschließlich Klagszustellung als nichtig auf. Ferner sprach es aus, dass der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab dem Grunde nach zu Recht besteht, und trug der Beklagten bis zur Erlassung des die Höhe der Witwenpension festsetzenden Bescheids die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von 330 EUR ab auf. Es begründete die teilweise Zurückweisung der Klage damit, dass der von der Klägerin bekämpfte Bescheid vom ausschließlich ihren Antrag vom , mit dem sie das Wiederaufleben ihrer Witwenpension nach ihrem ersten Ehemann zum frühestmöglichen Zeitpunkt (das sei gemäß § 265 Abs 3 ASVG der ) erreichen wolle, zum Inhalt habe. Ansprüche der Klägerin vor dem und auf Ausgleichszulage samt Verzugszinsen ab seien daher weder Gegenstand ihres Antrags noch des Bescheids vom , weshalb hinsichtlich derartiger Ansprüche der Rechtsweg im gegenständlichen Verfahren unzulässig sei.

Die von der Klägerin gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom , AZ 10 ObS 136/14v, zurück. Darin hielt er fest, dass Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Frage eines Anspruchs der Klägerin auf ein Wiederaufleben ihrer Witwenpension gemäß § 265 Abs 2 und 3 ASVG ab sei.

Mit Bescheid vom sprach die Beklagte aus, dass der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab wieder auflebe, die monatliche Leistung ab diesem Zeitpunkt 356,97 EUR und ab 362,68 EUR betrage und die für den Zeitraum bis entstandene Nachzahlung einbehalten werde. Begründend führte die Beklagte aus, der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach dem ersten Ehemann lebe mit dem Monatsersten, der der Antragstellung vom folge, in der unter Berücksichtigung der Pensionsanpassung nach § 108h ASVG festgestellten Höhe wieder auf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren, die Beklagte „schuldig zu erkennen, der Klägerin die Witwenpension samt Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe weiter zu gewähren“.

Das Erstgericht wies mit Urteil das auf Weitergewährung der Witwenpension samt Ausgleichszulage gerichtete Klagebegehren zurück (Spruchpunkt 1.) und das auf Auszahlung der einbehaltenen Nachzahlung gerichtete Klagebegehren ab (Spruchpunkt 2.).

Aus Anlass der von der Klägerin gegen diese Entscheidung erhobenen „Berufung“ sprach das Berufungsgericht aus, dass die der Klägerin aufgrund des Wiederauflebens des Anspruchs gebührende Witwenpension ab monatlich 356,97 EUR und ab monatlich 362,68 EUR betrage. Unter Spruchpunkt II.1. gab es der als Rekurs aufzufassenden Berufung gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Urteils nicht Folge, und es erklärte aus Anlass des Rechtsmittels das Verfahren über das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Ausgleichszulage für nichtig. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs gegen Punkt II.1. seiner Entscheidung zu, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage befasst habe, ob der Antrag auf Wiederaufleben der infolge Wiederverehelichung erloschenen Witwenpension auch den Antrag auf Zuerkennung der Ausgleichszulage enthalte. Es führte aus, bei dem dem Verfahren zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom handle es sich um den die Höhe des im Verfahren AZ 65 Cgs 102/13f des Erstgerichts bereits bindend festgestellten Anspruchs der Klägerin auf Witwenpension ab festsetzenden Bescheid, mit dem zudem ein Pensionseinbehalt verfügt worden sei. Aus dem Vorbringen der Klägerin gehe unmissverständlich hervor, dass die Klage auf Zuerkennung einer Ausgleichszulage ab , auf Auszahlung der einbehaltenen Pensionsbeträge und auf Überprüfung der von der Beklagten ermittelten Pension abziele. Die als unwiderruflich anerkannt anzusehende Leistungsverpflichtung sei von Amts wegen in den Urteilsspruch aufzunehmen gewesen. Die Klägerin hätte die Zuerkennung der Ausgleichszulage gesondert beantragen müssen. Der dem Verfahren zugrunde liegende Bescheid habe nur die Höhe der wiederaufgelebten Witwenpension festgesetzt. Die Klägerin habe das – im Übrigen im Verfahren AZ 65 Cgs 102/13f dokumentierte – Faktum, bei der Beklagten am nur einen Antrag auf Wiedergewährung der Witwenpension aufgrund Wiederauflebens des Anspruchs, aber keinen – gesonderten – Antrag auf Ausgleichszulage gestellt zu haben, selbst einbekannt. Das habe die Beklagte nicht bestritten. Die Tatsache sei daher zugestanden. In Ermangelung eines dem als Säumnisklage aufzufassenden Klagebegehren auf Zuerkennung der Ausgleichszulage zugrunde liegenden Antrags im Leistungsverfahren sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, einen Bescheid zu erlassen. Daher liege kein Säumnisfall nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG vor.

Mit ihrem unbeantwortet gebliebenen Revisionsrekurs bekämpft die Klägerin Punkt II.1. der Entscheidung des Berufungsgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung der vom Gericht zweiter Instanz, deren Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses den Obersten Gerichtshof nicht bindet (§ 526 Abs 2 ZPO), bezeichneten Rechtsfrage ab. Die Klägerin macht keine im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage geltend.

1. Die Klägerin gründet in ihrem Rechtsmittel die Säumigkeit der Beklagten ausschließlich auf die Behauptung, die Beklagte habe der Klägerin einen Antrag auf Ausgleichszulage übermittelt, den die Klägerin umgehend ausgefüllt retourniert habe. Diese Behauptung ist eine im Revisionsrekursverfahren unbeachtliche Neuerung ( E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 526 Rz 3 mwN). Die Klägerin hat ihre Klage nicht auf den nun behaupteten Sachverhalt gestützt, sondern geltend gemacht, dem Antrag der Klägerin auf Weitergewährung (der Witwenpension) sei auch der Antrag auf Ausgleichszulage inhärent gewesen. Sie hat nie behauptet, dass der Klage ein anderer als der im bekämpften Bescheid genannte Antrag der Klägerin vom zugrunde liegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte in der Klagebeantwortung die behauptete gesonderte Antragstellung (auf Gewährung der Ausgleichszulage) nicht zugegeben. Sie führte dort nur aus, wenn die Klägerin vermeine, der Antrag auf Weitergewährung der Witwenpension sei zugleich ein Antrag auf Ausgleichszulage, müsse darauf hingewiesen werden, dass die Klägerin die zur Feststellung des geltend gemachten Anspruchs erforderlichen Urkunden und Unterlagen beizubringen habe. Den Aufforderungen im Oktober, November und Dezember 2014, die notwendigen Nachweise vorzulegen, sei die Klägerin nicht nachgekommen.

2.1. Zu der Frage, deretwegen das Berufungsgericht den Revisionsrekurs zuließ, führt die Klägerin nichts aus.

2.2. Nach § 296 Abs 2 Satz 1 ASVG ist der Anspruch auf Ausgleichszulage erstmalig „auf Grund des Pensionsantrags“ festzustellen. Da die erstmalige Feststellung der Ausgleichszulage von Amts wegen erfolgt, bedarf es neben dem Pensionsantrag keines gesonderten Antrags auf Ausgleichszulage. Hingegen ist ein (gesonderter) Antrag erforderlich, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf Ausgleichszulage erst nach der Entscheidung über den Pensionsantrag erfüllt sind oder nach dem Wegfall der Ausgleichszulage später wieder erfüllt werden (10 ObS 265/00v SSV NF 14/120; 10 ObS 2010/96b SSV NF 10/34).

2.3. Dem rechtskräftigen Beschluss des Berufungsgerichts vom , AZ 25 Rs 70/14a, mit dem die Klage auf Gewährung von Ausgleichszulage samt Verzugszinsen ab zurückgewiesen wurde, liegt implizit die rechtliche Beurteilung zugrunde, dass der Antrag der Klägerin vom auf Wiederaufleben der Witwenpension den Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszulage nicht enthielt. Diese Beurteilung hat der Oberste Gerichtshof im Beschluss vom , AZ 10 ObS 136/14v, unausgesprochen gebilligt.

2.4. Selbst wenn der Antrag der Klägerin vom auf Wiederaufleben der Witwenpension auch den Antrag auf Gewährung der Ausgleichszulage umfasste, so wäre mit dem den Anspruch auf Witwenpension ablehnenden Bescheid der Beklagten vom implizit (vgl 8 ObS 12/03b SSV NF 17/114) auch über den Antrag auf Ausgleichszulage abweisend entschieden worden, denn eine Ausgleichszulage zu einer Pension (§ 292 Abs 1 ASVG) setzt einen Pensionsanspruch (eine Pension) voraus. Eine Säumnis der Beklagten mit der Erlassung eines Bescheids über den Antrag der Klägerin vom kann daher nicht vorliegen.

2.5. Der vorliegenden Klage auf Gewährung der Ausgleichszulage fehlen die Verfahrensvoraussetzungen nach § 67 Abs 1 Z 1 und Z 2 ASGG. Zutreffend ist die von der Klägerin nicht bekämpfte Auffassung des Gerichts zweiter Instanz, dass mit dem dem Verfahren zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom nur über die Höhe des im Verfahren AZ 65 Cgs 102/13f des Erstgerichts bereits bindend festgestellten Anspruchs der Klägerin auf Witwenpension ab abgesprochen wurde, nicht aber über einen Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage. Das Klagebegehren auf Gewährung der Ausgleichszulage war ja in diesem Verfahren zurückgewiesen worden. Mangels eines Bescheids der Beklagten über den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage ist die Voraussetzung nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG nicht gegeben (10 ObS 45/97h SSV NF 11/22). Eine Säumigkeit der Beklagten mit der Erlassung des Bescheids über den Antrag der Klägerin vom auf Wiederaufleben der Witwenpension, sollte er auch den Antrag auf Ausgleichszulage umfassen, läge nicht vor (siehe oben Punkt 2.4.), sodass auch eine Säumnisklage (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG) nicht zulässig ist. Fehlen diese Verfahrensvoraussetzungen, so ist die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen (§ 73 ASGG).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00126.16A.1111.000