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VfGH vom 04.10.2004, B1396/03

VfGH vom 04.10.2004, B1396/03

Sammlungsnummer

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Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit und Frauen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit EUR 2142,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer übt auf Grund seiner Anmeldung vom mit Wirksamkeit vom das nicht bewilligungspflichtige gebundene (vgl. § 124 Z 12 GewO 1994 idF vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2002) bzw. - seit In-Kraft-Treten des genannten Bundesgesetzes mit - das reglementierte Gewerbe der Masseure (§94 Z 48 GewO 1994) aus.

2. Mit einem - an den Magistrat der Stadt Wels gerichteten - Schreiben vom meldete der Beschwerdeführer seine Absicht, die Tätigkeit als Heilmasseur freiberuflich auszuüben, und beantragte die Ausstellung eines Berufsausweises als Heilmasseur.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wurde dem Beschwerdeführer die freiberufliche Ausübung der Tätigkeit eines Heilmasseurs "mangels Vorliegens eines entsprechenden Qualifikationsnachweises" untersagt.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Gewerbliche Masseure dürften die Tätigkeit als Heilmasseur nur dann freiberuflich ausüben, wenn sie sich der in § 84 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes - MMHmG, BGBl. I Nr. 169/2002, vorgesehenen "Aufschulung" unterzogen hätten. Diese "Aufschulung" könne gemäß § 84 Abs 7 MMHmG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003) allein dann entfallen, wenn die "qualifizierte Leistungserbringung" des gewerblichen Masseurs durch dessen "direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" - im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des MMHmG - nachgewiesen sei. Im vorliegenden Fall habe die - auf Grund des Landesgesetzes LGBl. Nr. 66/1983 idgF bestehende - Oö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge (eine "Körperschaft öffentlichen Rechtes"; so § 1 Abs 2 erster Satz leg. cit.) ihren Mitgliedern die Kosten der von ihnen in Anspruch genommenen Massageleistungen des Beschwerdeführers erstattet. Zwar könne die Oö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge als "gesetzlicher Krankenversicherungsträger" iS des § 84 Abs 7 MMHmG angesehen werden, der Beschwerdeführer habe seine Leistungen aber nicht "direkt" mit der genannten Anstalt abgerechnet, sondern nur über Dritte, nämlich die Mitglieder der Anstalt. Die Voraussetzungen des § 84 Abs 7 MMHmG seien damit nicht erfüllt. Da der Beschwerdeführer im Übrigen nicht einmal behauptet habe, über den sonst erforderlichen Qualifikationsnachweis zu verfügen, sei ihm die freiberufliche Tätigkeit als Heilmasseur somit zu Recht untersagt worden.

3. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, worin die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG) und auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des § 84 Abs 7 MMHmG hinsichtlich des Wortes "direkte" sowie des § 1 Abs 5 MMHmG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes haben weiters die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen sowie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger schriftliche Äußerungen zum Gegenstand erstattet.

4. Aus Anlass dieses Beschwerdefalls sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 84 Abs 7 MMHmG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003) entstanden, weshalb er am beschlossen hat, diese Bestimmung von Amts wegen einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen.

Mit hg. Erkenntnis vom , G21/04 ua., wurde die Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" in § 84 Abs 7 MMHmG als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. ua.) - Beschwerde erwogen:

1. § 84 MMHmG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003) lautet samt Überschrift (die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle ist hervorgehoben):

"Gewerbliche Masseure

§84. (1) Personen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes

1. die Befähigung für das reglementierte Gewerbe der Massage gemäß der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. Nr. 618/1993, auf Grund einer erfolgreich abgelegten Prüfung nach dem nachgewiesen haben und

2. das reglementierte Gewerbe der Massage (§94 Z 48 GewO 1994) tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben,

sind berechtigt, bis zum Ablauf des eine Aufschulung zum Heilmasseur gemäß diesem Bundesgesetz zu absolvieren.

(2) Personen, die

1. vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes das reglementierte Gewerbe der Massage tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben und

2. die Befähigung für das reglementierte Gewerbe der Massage ohne Absolvierung einer entsprechenden fachlichen Prüfung rechtmäßig erlangt haben und

3. bis zum Ablauf des vierten dem In-Kraft-Treten folgenden Jahres die Befähigungsprüfung gemäß § 2 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. Nr. 618/1993, erfolgreich absolvieren,

sind berechtigt, bis zum Ablauf des eine Aufschulung zum Heilmasseur gemäß diesem Bundesgesetz zu absolvieren.

(3) Die Aufschulung gemäß Abs 1 und 2 besteht aus

1. einer theoretischen Ausbildung in der Dauer von 360 Stunden und einer praktischen Ausbildung in der Dauer von 80 Stunden sowie

2. der kommissionellen Abschlussprüfung (§54).

(4) Personen, die die kommissionelle Abschlussprüfung gemäß Abs 3 Z 2 mit Erfolg abgelegt haben, ist ein Zeugnis, in dem jedenfalls die gesetzliche Grundlage für die Antrittsberechtigung, der Prüfungserfolg sowie die Berufsbezeichnung 'Heilmasseur'/'Heilmasseurin' anzuführen sind, auszustellen.

(5) Die Ausbildung und die kommissionelle Abschlussprüfung gemäß Abs 3 dürfen zweimal wiederholt werden. Wird die zweite Wiederholungsprüfung nicht erfolgreich absolviert, ist die Absolvierung der verkürzten Ausbildung zum medizinischen Masseur gemäß § 26 und in weiterer Folge die Absolvierung des Aufschulungsmoduls zum Heilmasseur zulässig.

(6) Ein Zeugnis gemäß Abs 4 gilt als Qualifikationsnachweis gemäß § 36 Z 4.

(7) Gewerbliche Masseure, deren qualifizierte Leistungserbringung durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes nachgewiesen ist, können auch ohne Aufschulung eine Tätigkeit als Heilmasseur ausüben."

2. Die belangte Behörde hat somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Nach Lage des Falles - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, erfüllt der Beschwerdeführer alle Voraussetzungen des § 84 Abs 1 MMHmG - ist es nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass die Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Gesetzesstelle für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Der Kostenspruch stützt sich auf § 88 VfGG. Die zugesprochenen Kosten enthalten Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG).

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.