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OGH vom 20.12.2017, 10Ob34/17y

OGH vom 20.12.2017, 10Ob34/17y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Thomas Kerle, Dr. Stefan Aigner und Mag. Gerd Pichler, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch den Zustellkurator Dr. Ralf Wenzel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 5.514 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 49/17k19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 18 C 531/16f15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 624 EUR (darin 104 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Schriftsatz der klagenden Partei vom wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

I. G***** ist Mieterin eines Privatparkplatzes in I*****. Der Parkplatz befindet sich an einer Nebenfahrbahn. Es handelt sich um einen Freiparkplatz. Bereits im Jahr 2015 waren neben dem Verkehrszeichen „Halten und Parken verboten“ samt Zusatz „24 Stunden“ Tafeln vorhanden, die klarstellen, dass es sich um Privatgrund (Kunden-/Lieferantenparkplätze) handelt, und dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. Es gab auch einen Hinweis auf die Klägerin als Abschleppunternehmen.

Am 24. oder wurde auf diesem Privatparkplatz ohne Zustimmung der Mieterin das Fahrzeug F***** mit dem Kennzeichen *****, zugelassen auf die Beklagte, abgestellt. Dadurch konnte ein Bekannter der Mieterin, der zur Nutzung des Parkplatzes berechtigt war, diesen nicht nutzen, obwohl er ihn benötigte. Er musste deshalb sein Fahrzeug kostenpflichtig in der Kurzparkzone abstellen, wobei er auch Strafzettel wegen Parkzeitüberschreitung erhielt.

Der Bekannte der Mieterin brachte einen Zettel auf dem Fahrzeug der Beklagten an, der den Hinweis enthielt, dass ein Parkverbot bestehe, sowie Telefonnummern der Mieterin und ihres Bekannten mit dem Ersuchen, diese anzurufen. Es meldete sich jedoch niemand. Zwei Tage später verständigte der Bekannte der Mieterin die Polizei, die ihn jedoch darauf hinwies, dass sie für einen Privatparkplatz nicht zuständig sei.

Am rief die Mieterin bei der Klägerin an und teilte mit, dass ein Fahrzeug unberechtigt auf ihrem Privatparkplatz stehe. Der Geschäftsführer der Klägerin empfahl ihr, sich zunächst umzuhören, ob jemand wisse, wem dieses Fahrzeug gehört. Daraufhin erkundigte sich der Bekannte der Mieterin beim Hausmeister und auch bei anderen Personen, ob ihnen Lenker oder Halter des Fahrzeugs bekannt seien. Niemand konnte ihm sagen, wem das Fahrzeug gehört.

Nachdem die Versuche, den Besitzer bzw Halter des Fahrzeugs ausfindig zu machen und mit ihm in Kontakt zu treten, gescheitert waren, beauftragte die Mieterin des Parkplatzes die Klägerin, das Fahrzeug abzuschleppen. Über die Kosten der Abschleppung und über Standgebühren wurde nicht gesprochen, diese waren der Mieterin aus früher von ihr veranlassten Abschleppungen durch die Klägerin bekannt.

Am Samstag, um etwa 11:00 Uhr schleppte die Klägerin das auf die Beklagte zugelassene Fahrzeug vom Privatparkplatz der Mieterin ab und stellte dieses auf dem Firmengelände der Klägerin ab, wo es sich nach wie vor befindet. Eine Abschleppung durch die Klägerin kostet grundsätzlich 300 EUR, zusätzlich wurden 18 EUR für die Ladungssicherung und 60 EUR für die außerhalb der Bürozeiten durchgeführte Abschleppung verrechnet. Die Standgebühren der Klägerin betragen 24 EUR täglich.

Die Mieterin des Parkplatzes trat ihre Ansprüche gegen den Lenker/die Lenkerin des abgeschleppten Fahrzeugs mit Zessionsvereinbarung vom zahlungshalber an die Klägerin ab.

Mit Schreiben vom und vom , gerichtet an die sich aus der Zulassungsevidenz ergebende Adresse der Beklagten, forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die Verwahrungskosten (Standgebühren) von täglich 24 EUR auf, ihr Fahrzeug sofort vom Firmengelände zu entfernen, bzw der Klägerin den Typenschein sowie einen Entsorgungsauftrag zukommen zu lassen.

Da diese Schreiben mit dem Vermerk „verzogen“ an die Klägerin retourniert wurden, holte diese am beim Zentralen Melderegister Auskunft ein, die keinen aktuellen Wohnsitz der Beklagten ergab. Auch das an eine weitere Adresse der Beklagten gesendete Aufforderungsschreiben des Klagevertreters vom konnte nicht zugestellt werden. Eine Kurzauskunft eines Inkasso- und Informationsbüros vom ergab, dass die Beklagte „untergetaucht“ war.

Die Klägerin begehrt die Zahlung der ihr zum Inkasso abgetretenen Schadenersatzansprüche der Mieterin des Parkplatzes gegen die Beklagte. Die Beklagte habe ihr Fahrzeug unerlaubt und rechtswidrig auf dem Privatparkplatz der Mieterin abgestellt und nicht entfernt. Die Mieterin habe diesen Parkplatz dringend benötigt und daher die Klägerin zur Abschleppung veranlasst. Sie sei dazu auch gemäß § 1304 ABGB verpflichtet gewesen. Die Beklagte sei nach den umfassenden Erhebungen der Klägerin „untergetaucht“.

Die durch einen Zustellkurator vertretene Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Mieterin nicht berechtigt gewesen sei, das Fahrzeug vom Privatparkplatz entfernen zu lassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Selbsthilfe zum Schutz des Besitzes sei nur in Ausnahmefällen zulässig. Insbesondere bestehe dieses Recht nicht, wenn staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden könne. In Fällen des widerrechtlichen Abstellens von Fahrzeugen auf dem eigenen Parkplatz stehe die Möglichkeit des Besitzstörungsverfahrens offen, in dessen Rahmen auch eine einstweilige Vorkehrung gemäß § 458 ZPO beantragt werden könne. Es fehle daher an der Voraussetzung des „Zuspätkommens“ staatlicher Hilfe im Sinn des § 344 Satz 1 ABGB, sodass die von der Mieterin ergriffenen Selbsthilfemaßnahmen rechtswidrig gewesen seien.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Selbsthilfe müsse stets mit angemessenen Mitteln erfolgen, was eine Abwägung der Interessen erfordere. Durch das unerlaubte Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten auf einem „freistehenden“ Parkplatz sei keine Behinderung von Einsatzfahrzeugen oder anderen Fahrzeugen bewirkt worden. Der dadurch der Mieterin entstandene Schaden sei nicht als unwiederbringlich im Sinn des § 381 Z 2 EO zu qualifizieren, weil nur solche Nachteile entstanden seien, die durch Geldersatz ausgeglichen werden können. Die Erschwerung der Benützung des Parkplatzes sei nicht ersatzfähig. Auch der von der Klägerin behauptete hypothetisch lange Verfahrensablauf eines Besitzstörungsverfahrens ändere nichts daran, dass von einem „Zuspätkommen“ staatlicher Hilfe im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden könne. Auf Geschäftsführung ohne Auftrag könne die Klägerin ihre Ansprüche nicht stützen, weil die Mieterin mit ihrem Vorgehen ausschließlich eigene Interessen, nicht aber jene der Beklagten verfolgt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung ihrer Klage anstrebt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurück-, hilfsweise abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Auch in der Revision hält die Klägerin an ihrer Argumentation fest, dass gerichtliche Hilfe im Sinn des § 344 Satz 1 ABGB für die Mieterin des Privatparkplatzes im konkreten Fall zu spät gekommen und nicht wirksam gewesen wäre. Die Entfernung des Fahrzeugs der Beklagten mit einstweiliger Vorkehrung wäre aufgrund des Wortlauts der §§ 458 ZPO und 381 Z 2 EO nicht in Frage gekommen. Im Rahmen eines Besitzstörungsverfahrens wäre es bis zur Ersatzvornahme im Exekutionsweg zu einer unzumutbaren Verzögerung von rund fünf bis sechs Monaten für die Mieterin sowie erheblichen Mehrkosten gekommen. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts könne die Mieterin einen Anspruch auch auf Geschäftsführung ohne Auftrag stützen, weil fremde Interessen auch dann verfolgt werden könnten, wenn gleichzeitig eigene Interessen im Spiel seien. Schließlich könne die Mieterin auch einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gemäß §§ 1041 ff, insbesondere § 1043 ABGB geltend machen.

Dazu wurde erwogen:

1.1 Gemäß § 19 Satz 1 ABGB muss zum Schutz und zur Durchsetzung von Rechten grundsätzlich behördliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Selbsthilfe im weiteren Sinn des § 19 Satz 2 ABGB (das ist Selbsthilfe im engeren Sinn, Notwehr, Nothilfe und Notstand) ist demgegenüber nur subsidiär und nur in engen Grenzen zulässig (Koch in KBB5§ 19 Rz 1).

1.2 Selbsthilfe im engeren Sinn ist gesetzlich erlaubte Eigenmacht zur Durchsetzung oder (vorläufigen) Sicherung eines eigenen Rechts (1 Ob 26/91 = SZ 64/137). Sie ist in der Regel unzulässig; der Berechtigte hat sich mit seinem Anliegen grundsätzlich an die vom Gesetz bestimmten Behörden zu wenden (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 4/86).

2.1 Nach § 344 Satz 1 ABGB, der ausdrücklich auf § 19 ABGB verweist, gehört zu den Rechten des Besitzes „auch das Recht, sich in seinem Besitz zu schützen und in dem Fall, dass richterliche Hilfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben“. Der Mieter eines Privatparkplatzes genießt als Rechtsbesitzer (RIS-Justiz RS0010133) Besitzschutz gemäß § 344 ABGB.§ 344 ABGB stellt neben § 19 ABGB, wo die Zulässigkeit der Selbsthilfe in gewissen Grenzen vorausgesetzt wird, die wesentliche Rechtsgrundlage des Selbsthilferechts überhaupt dar (G. Kodek in Klang3§344 Rz 5; Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4§ 344 Rz 1).

2.2 Nur dann ist der Akt der Selbsthilfe rechtmäßig, wenn die Hilfe der Behörden zu spät käme, also der vorgesehene Rechtsweg zur Durchsetzung nicht geeignet ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Behörde nicht erreichbar (RIS-Justiz RS0009032) oder nicht funktionsfähig ist, ferner, wenn sie sich weigert, einzuschreiten. Dass die Hilfe der Behörde zu spät käme, entspricht der beim Notstand anerkannten Voraussetzung, dass der Eingriff des Betroffenen der einzige Ausweg aus der Gefahr ist (zu all dem Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 4/86 mit Hinweis auf SZ 62/132 = 4 Ob 544/89). Nachteile, die durch die bloße Verfahrensdauer zu erwarten sind, berechtigen nicht zur Selbsthilfe, weil sonst Selbsthilfe immer schon dann zulässig wäre, wenn die Verfahrensdauer unmittelbares Eingreifen der Behörden nicht erwarten lässt (6 Ob 201/98x mit Hinweis auf SZ 64/97 = 3 Ob 548/91; RIS-Justiz RS0009027 [T3]).

2.3 Auch wenn die behördliche Hilfe zu spät käme, ist nicht jeder Akt der Selbsthilfe erlaubt. Selbsthilfe ist innerhalb der ihr gebotenen (notwendigen) Grenzen auszuüben (Reischauer in Rummel/Lukas4 § 19 Rz 116). § 344 ABGB erlaubt nur die Anwendung „angemessener Gewalt“. Es muss daher – wie auch bei Notwehr oder Notstand – eine Interessenabwägung vorgenommen werden, bei der insbesondere der durch das Unterbleiben der Selbsthilfe zu erwartende Nachteil und die durch die Selbsthilfe geschehene Güterbeeinträchtigung abzuwägen sind (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 4/85 und 4/87 mit Hinweis auf SZ 62/132 = 4 Ob 544/89; Kodek in Klang³ § 344 Rz 12, 31).

2.4 Eine Selbsthilfemaßnahme ist daher zusammengefasst nicht gerechtfertigt, wenn der zu sichernde Anspruch in Wahrheit nicht bestand, die behördliche Hilfe durchaus rechtzeitig gewesen wäre oder der Eingriff im konkreten Fall bei der gebotenen Abwägung der wechselseitigen Interessen übermäßig war (Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 4/89; Posch in in Schwimann/Kodek, ABGB I4§ 19 Rz 9; eine „umfassende Interessenabwägung“ fordern auch Meissel in Klang3§ 19 Rz 25 und Koch, KBB5§ 19 Rz 10).

2.5 Wer sich auf Selbsthilfe beruft, hat zu beweisen, dass er rechtmäßig handelte (RIS-Justiz RS0009034).

2.6 Ein sonst drohender Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens ist – worauf die Revisionswerberin hinweist – keine Voraussetzung für die Zulässigkeit von Selbsthilfe im engeren Sinn. Es genügt, dass sonst die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ernstlich in Frage gestellt würde (1 Ob 26/91; RIS-Justiz RS0009025; Reischauer in Rummel/Lukas4§ 19 Rz 103). Darauf kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht an.

3.1§ 3 Abs 1 Satz 2 StGB (Notwehr) lautet: „Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.“ Bezüglich des Abschleppens von Kraftfahrzeugen, die auf Privatgrund rechtswidrig parken, wird in Lehre und Rechtsprechung der Instanzgerichte vertreten, dass das eigenmächtige Abschleppen nur in gleicher Abwägung wie nach § 3 Abs 1 Satz 2 StGB zulässig sein soll (Reischauer in Rummel/Lukas4§ 19 Rz 123 mwH zur Rechtsprechung; Posch in Schwimann/Kodek4§ 19 Rz 12; Gaisbauer, Abschleppen von Fahrzeugen als Selbsthilfe, ImmZ 1993, 149 f; umfassend auch mit Darstellung der Rechtsprechung Legerer, Zur Zulässigkeit des Abschleppens besitzstörend abgestellter Fahrzeuge von Privatgrundstücken, ÖJZ 1998, 607 ff; ähnlich Jaksch-Ratajczak, Der Abschleppunternehmer als Besitzstörer, ZVR 2004/101, 353; aA Messiner, Ersatzansprüche für die Beseitigung von Kfz von Privatparkplätzen, ZVR 1983, 108). Im Regelfall stellt das private Abschleppen von Fahrzeugen daher keine erlaubte Selbsthilfe dar (Holzner in Rummel/Lukas4§ 344 Rz 6 mzwH; Grüblinger in Schwimann/Kodek, ABGB4§§ 344, 345 Rz 6).

3.2 Allgemein muss für die Selbsthilfe das gelindeste zielführende Mittel der Rechtsdurchsetzung gewählt werden (Meissel in Klang³ § 19 Rz 29), damit noch von einer innerhalb der Angemessenheitsgrenze der §§ 344, 19 ABGB liegenden Selbsthilfehandlung ausgegangen werden kann. Im Zusammenhang mit dem eigenmächtigen Abschleppen von Kraftfahrzeugen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 623/75 (SZ 48/107 = JBl 1978, 87 [Ostheim]) ausgeführt, dass das (unsachgemäße) „Beiseiteräumen“ eines Fahrzeugs dann keine berechtigte Selbsthilfe im Sinn der §§ 19, 344 ABGB darstellt, wenn diejenigen, die das Fahrzeug entfernt haben, zuvor keine Erkundigungen nach der Person des Lenkers eingeholt haben. Dies wurde von der (diesbezüglich einheitlichen) Lehre zustimmend aufgenommen. Stets ist danach zu beachten, dass vor dem Abschleppen zunächst zumutbare Erkundigungen nach der Person des Lenkers anzustellen sind, wobei diese Pflicht nicht überspannt werden darf (Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02§ 19 Rz 4; Kodek in Klang3§ 344 Rz 46 und dort FN 150; Meissel in Klang3§ 19 Rz 29; Posch in Schwimann/Kodek4§ 19 Rz 12; Holzner in Rummel/Lukas4§ 344 Rz 6; Reihs, Besitzstörung durch abgestellte Fahrzeuge, ZVR 2009/20, 46 [48 f]). Demjenigen, der rechtswidrig das Fahrzeug abstellte, muss dadurch die Möglichkeit geboten werden, das Fahrzeug selbst zu entfernen (Messiner, ZVR 1983, 108 f).

4.1 Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die durch die Mieterin veranlasste Abschleppung des Fahrzeugs der Beklagten unerlaubte Selbsthilfe war, weil diese Maßnahme im konkreten Fall nicht angemessen im Sinn des § 344 Satz 1 ABGB war.

4.2 Dazu ist wesentlich, dass sich der Umstand, dass die Beklagte „untergetaucht“ ist, erst im Zug der nach der Abschleppung am durchgeführten Nachforschungen herausstellte (Auskunft des Inkassobüros vom ). Aus dem konkreten Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Mieterin des Parkplatzes bis zum davon ausgehen konnte, dass der Lenker und/oder Zulassungsbesitzer des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs nicht erreichbar, sondern „untergetaucht“ sei.

4.3Vor der Abschleppung hinterließ der Lebensgefährte der Mieterin zwar einen Zettel auf dem Fahrzeug der Beklagten und fragte beim Hausmeister und anderen Personen nach, ob diesen bekannt sei, wem das Fahrzeug gehöre. Diese Maßnahmen stellen jedoch keine ausreichenden zumutbaren Erkundigungen dar: Gemäß § 47 Abs 2a KFG 1967 (auch in der am geltenden Fassung BGBl I 2012/50) hat die Behörde Privatpersonen auf Anfrage, in der das Kennzeichen, die Motornummer oder die Fahrgestellnummer angegeben und ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird, nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Auswertungsmöglichkeiten Namen und Anschrift des Zulassungsbesitzers aus der in § 47 KFG 1967 geregelten Zulassungsevidenz gegen eine geringe Gebühr (derzeit: 14,30 EUR, www.help.gv.at, Stand: ) bekannt zu geben. Diese Auskunft hätte die Mieterin des Parkplatzes, deren rechtliches Interesse gemäß § 47 Abs 2a KFG 1967 in der Beseitigung der Besitzstörung bestand, im konkreten Fall daher bereits vor Veranlassung der Abschleppung ohne unzumutbaren Aufwand erhalten können, weil ihr das Kennzeichen des Fahrzeugs bekannt war.

4.4 Die – nach den Feststellungen tatsächlich später auch eingeholte – Auskunft aus der Zulassungsevidenz wäre im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung erforderlich gewesen, um dem Lenker (Zulassungsbesitzer) des Fahrzeugs, von dessen „Verschwinden“ die Mieterin des Parkplatzes zum Zeitpunkt der von ihr veranlassten Abschleppung nicht ausgehen durfte, die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen.

4.5 Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch durch die Aufrechterhaltung eines durch eine Selbsthilfe geschaffenen Zustands die Selbsthilfe unrechtmäßig werden kann, sodass zur Verhinderung dieses Rechtswidrigwerdens gerichtliche (bzw behördliche) Schritte einzuleiten sind (1 Ob 567/87; RIS-Justiz RS0009031; Reischauer in Rummel/Lukas4§ 19 Rz 127). Veranlasst ein Mieter eines Parkplatzes ein Abschleppunternehmen, ein dort unberechtigt geparktes Fahrzeug abzuschleppen und (gegen Entgelt) auf einem Parkplatz des Abschleppunternehmens abzustellen, so ist er vor diesem Hintergrund selbst bei Annahme berechtigter Selbsthilfe im engeren Sinn gehalten, unverzüglich die erforderlichen gerichtlichen Schritte einzuleiten. Auch dazu ist, wie sich auch im konkreten Fall zeigt, die Einholung einer Auskunft aus der Zulassungsevidenz zweckmäßig und zumutbar, weil durch sie Name und Anschrift des Zulassungsbesitzers in Erfahrung gebracht werden kann.

4.6 Schon aus diesen Gründen stellt die Handlungsweise der Mieterin im vorliegenden Fall keine angemessene und damit rechtmäßige Maßnahme der Selbsthilfe im Sinn der §§ 19, 344 ABGB dar. Für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche fehlt es daher an einer Grundlage, sodass darauf – insbesondere auch auf die Frage der Kausalität betreffend die von der Klägerin geltend gemachten Standgebühren – nicht weiter einzugehen ist. Auf die Ausführungen der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der weiteren Frage, ob in ihrem Fall „richterliche Hilfe zu spät“ im Sinn des § 344 ABGB gekommen wäre, kommt es im konkreten Fall daher nicht an.

5. Die von der Revisionswerberin weiters geltend gemachte Geschäftsführung ohne Auftrag setzt begrifflich die Absicht voraus, ausschließlich ein fremdes Geschäft zu führen (RIS-Justiz RS0085741). Dem hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass die Mieterin im vorliegenden Fall nur eigene Interessen – das Entfernen des Fahrzeugs der Beklagten von ihrem gemieteten Parkplatz – verfolgte. Mit der Behauptung, dass fremde Interessen auch dann verfolgt würden, wenn eigene verfolgt werden, sodass Geschäftsführung ohne Auftrag nicht ausgeschlossen sei, zeigt die Revisionswerberin keine Korrekturbedürftigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auf. Denn sie legt auch in der Revision nicht dar, welche (von den eigenen deutlich abgrenzbaren, vgl Meissel in Rummel/Lukas4§ 1035 Rz 5 mwH) fremden Interessen die Mieterin des Parkplatzes verfolgt hätte. Ebenso wenig bestand nach den Feststellungen eine Absicht der Mieterin des Parkplatzes, Schaden von der Beklagten abzuwenden, sodass auch der in der Revision aufgestellten Behauptung eines „Notfalls“ im Sinn des § 1036 ABGB keine Berechtigung zukommt.

6. Erstmals in der Revision stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf die §§ 1041 ff, insbesondere 1043 ABGB, weil im vorliegenden Fall von einer „gemeinsamen Gefahr“ auszugehen sei. Bei diesem Vorbringen zu einer spezifischen Gefahrenlage handelt es sich um eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung (§ 482 Abs 1 ZPO), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

II. Die klagende Partei hat zusätzlich zu ihrer Revision einen Schriftsatz eingebracht. Dieser Schriftsatz verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0041666; RS0100170) und ist als unzulässig zurückzuweisen. Ein inhaltliches Eingehen auf diesen Schriftsatz ist dem Obersten Gerichtshof daher verwehrt.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00034.17Y.1220.000
Schlagworte:
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