OGH vom 25.04.2017, 10Ob34/16x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. L*****, vertreten durch die Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Hellenische Republik, *****, vertreten durch die Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 28.673,42 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 11 R 22/16k-33, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 26 Cg 7/15p-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 dahin auszulegen,
1. dass sich der Erfüllungsort im Sinn dieser Bestimmung auch im Fall eines – wie hier – mehrfachen vertraglichen Übergangs einer Forderung nach der erstmaligen vertraglichen Vereinbarung richtet?
2. dass der tatsächliche Erfüllungsort im Fall der Geltendmachung eines Anspruchs auf Einhaltung der Bedingungen einer Staatsanleihe wie der hier konkret von der Hellenischen Republik begebenen bzw des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung dieses Anspruchs bereits durch die Zahlung von Zinsen aus dieser Staatsanleihe auf ein Konto eines Inhabers eines inländischen Wertpapierdepots begründet wird?
3. dass der Umstand, dass durch die erstmalige vertragliche Vereinbarung ein rechtlicher Erfüllungsort im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a der Verordnung begründet wurde, der Annahme entgegensteht, dass die nachfolgende tatsächliche Erfüllung eines Vertrags einen – weiteren – Erfüllungsort im Sinn dieser Bestimmung begründet?
B. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a GOG ausgesetzt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Hellenische Republik begab Staatsanleihen. Gegenstand des Rechtsstreits sind die vom Kläger behaupteten Ansprüche auf Einhaltung und Erfüllung der Anleihebedingungen bzw auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Im derzeitigen Verfahrensstadium ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen österreichischen Gerichts zu klären. Die Klage wurde nach dem eingebracht, sodass gemäß ihrem Art 66 Abs 1 die Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („EuGVVO 2012“) anwendbar ist. Für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit sind in erster Linie die Angaben in der Klage maßgebend. Soweit es den Rahmen des Zuständigkeitsstreits nicht sprengt, steht es dem angerufenen Gericht auch frei, seine internationale Zuständigkeit im Licht aller ihm vorliegenden Informationen zu prüfen, wozu gegebenenfalls auch die zuständigkeitsrelevanten Einwände des Beklagten gehören (EuGH C-375/13, Kolassa, Rn 62 f, ECLI:EU:C:2015:37).
I. Sachverhalt aufgrund des wechselseitigen Vorbringens der Parteien:
Der Kläger erwarb über eine inländische Depotbank Staatsanleihen der Hellenischen Republik im Nominale von 35.000 EUR. Der Erwerb erfolgte im Weg eines Kommissionsgeschäfts zwischen dem Kläger und der Depotbank. Der Kläger bezeichnet sich als Inhaber eines bei der Depotbank geführten inländischen Wertpapierdepots und als Eigentümer der Staatsanleihen, die auf diesem Wertpapierdepot gutgebucht wurden. Die Staatsanleihen sind Inhaberwertpapiere, die dem Inhaber das Recht zur Kapitaltilgung bei Fälligkeit und pünktliche Zahlung entsprechend der Anleihebedingungen geben.
Zwischen dem Kläger und der Hellenischen Republik besteht kein Vertragsverhältnis. Der beklagte Staat emittierte in Griechenland Staatsanleihen nach griechischem Recht, die an der Athener Börse gehandelt wurden. Auch die vom Kläger erworbene Staatsanleihe unterlag griechischem Recht. Der beklagte Staat gab die Staatsanleihen als Wertrechte (Schuldbuchforderungen) aus. Diese wurden im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert. Das Girosystem der griechischen Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer. Für die Teilnehmer an dem System bedarf es der Zulassung durch den Gouverneur der griechischen Zentralbank. Gemäß Art 6 Abs 4 des griechischen Gesetzes Nr 2198/1994 wird eine Anleihe durch Gutschrift auf dem Konto des Teilnehmers übertragen. Dementsprechend wurden zunächst die Teilnehmer des Girosystems der griechischen Zentralbank Inhaber und Gläubiger der auch hier gegenständlichen Staatsanleihe. Dies ergibt sich auch aus den Anleihebedingungen. Gemäß Art 6 Abs 2 des griechischen Gesetzes Nr 2198/1994 können die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank zwar Dritten (Investoren) Rechtspositionen in Bezug auf die Anleihe einräumen; ein solches Rechtsgeschäft wirkt jedoch nur zwischen den Parteien und hat ausdrücklich keine Wirkung für oder gegen die Hellenische Republik.
Am erließ Griechenland das Gesetz Nr 4050/2012 betreffend „Regeln zur Änderung von Wertpapieren, die vom griechischen Staat emittiert oder garantiert wurden, mit Zustimmung der Anleiheinhaber“. Dieses Gesetz sieht vor, dass die Inhaber bestimmter griechischer Staatsanleihen ein Umstrukturierungsangebot erhalten. Zudem wurde eine Umstrukturierungsklausel eingefügt, die es ermöglicht, dass eine Änderung der ursprünglichen Anleihebedingungen mit qualifizierter Mehrheit des ausstehenden Kapitals beschlossen wird und dann auch für die Minderheit gilt. Nach dem Erlass dieses Gesetzes nahm der beklagte Staat eine Konvertierung der Anleihen des Klägers vor. Dadurch wurden die ursprünglichen Staatsanleihen gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert umgetauscht.
II. Unionsrechtliche Grundlagen:
Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 lautet:
„ABSCHNITT 2
Besondere Zuständigkeiten
Artikel 7
Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b) …“
III. Anträge und Vorbringen der Parteien:
Der Kläger begehrt von der Hellenischen Republik die Zahlung von 28.673,42 EUR. Er habe Anspruch darauf, dass neben den Zinsen das Nominale der von ihm erworbenen Staatsanleihen bei Fälligkeit am getilgt werde. Dies habe die Hellenische Republik rechtswidrig unterlassen. Sie habe eine eigenmächtige Zwangskonvertierung durchgeführt und damit den in den ursprünglichen Anleihen wurzelnden Anspruch des Klägers in rechtswidriger Weise nicht erfüllt. Bis zum Zeitpunkt der Konvertierung habe die Hellenische Republik die Zinsen stets auf das Konto des Klägers im Sprengel des angerufenen Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien überwiesen. Der Kläger habe die konvertierten Anleihen in Entsprechung seiner Schadensminderungspflicht um 7.831,58 EUR verkauft, sodass ihm ein Schaden in Höhe von 28.673,42 EUR entstanden sei. Der Kläger stützt seinen Anspruch ausdrücklich auf Erfüllung der Anleihebedingungen bzw macht er Schadenersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung geltend, weil die Hellenische Republik in vertragswidriger Weise die Anleihebedingungen verletzt habe.
Die beklagte Hellenische Republik erhob die Einrede des Fehlens der internationalen Zuständigkeit. Insbesondere seien die Voraussetzungen des Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 nicht erfüllt. Zwischen den Streitteilen bestehe weder ein Vertragsverhältnis noch ein vertragsähnliches Verhältnis. Die Staatsanleihen unterlägen griechischem Recht. Gläubiger der Staatsanleihen seien die Teilnehmer am Girosystem der griechischen Zentralbank, zu denen der Kläger nicht gehöre. Aus dem griechischen Gesetz Nr 2198/1994 und den Anleihebedingungen ergebe sich, dass die Hellenische Republik ihre vertragliche Pflicht zur Zahlung von Kapital und Zinsen gegenüber ihren Gläubigern in Athen (Griechenland) zu erfüllen habe.
IV. Bisheriges Verfahren:
Das Gericht erster Instanz (Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien) wies die Klage wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit zurück.
Das Gericht zweiter Instanz (Oberlandesgericht Wien) änderte die Entscheidung des Gerichts erster Instanz ab. Es wies die Einreden des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit ab. Der Kläger leite seinen Anspruch nicht aus einem griechischen Gesetzgebungsakt selbst, sondern aus den ursprünglichen Anleihebedingungen ab. Er behaupte, dass die Hellenische Republik ihre vertraglichen Verpflichtungen aus der Anleihe nicht erfülle, sodass er (auch) die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß Art 7 Nr 1 lit a Fall 2 EuGVVO 2012 geltend mache. Danach sei jener Ort für die internationale Zuständigkeit maßgeblich, an dem diese Verpflichtung zu erfüllen gewesen wäre. Beide Streitteile gingen davon aus, dass die in den ursprünglichen Anleihen verankerte Verbindlichkeit griechischem Recht unterliege. Gemäß Art 321 des griechischen Zivilgesetzbuchs diene der Wohnsitz des Gläubigers als Erfüllungsort für eine Geldschuld. Da der Kläger seinen Wohnsitz in Österreich habe, befinde sich der Erfüllungsort in Österreich.
Gegen diese Entscheidung hat die Hellenische Republik ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erhoben.
V. Berechtigung zur Vorlage:
Im vorliegenden Fall kommt der Frage der Bestimmung des Erfüllungsorts im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 erhebliche Bedeutung für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu, sodass die Vorlage nach Ansicht des vorliegenden Gerichts berechtigt ist.
VI. Begründung der Vorlagefragen:
1.1 Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 verlangt nicht unbedingt den Abschluss eines Vertrags. Für die Anwendung dieser Bestimmung ist gleichwohl die Feststellung einer Verpflichtung unerlässlich, weil sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dieser Bestimmung nach dem Ort bestimmt, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Somit setzt die Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregel, die in der genannten Bestimmung vorgesehen ist, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, voraus, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung bestimmt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt (EuGH C-375/13, Kolassa, Rn 39, ECLI:EU:C:2015:37).
1.2 Der Kläger bezeichnet sich als Inhaber der zugrunde liegenden Staatsanleihen und bezieht die behauptete Zahlungspflicht der Hellenischen Republik auf die Anleihebedingungen. Damit nimmt er in ausreichender Weise auf das behauptete Rechtsverhältnis zwischen ihm als Erwerber und der Hellenischen Republik als Emittentin der Staatsanleihen Bezug. Der Kläger begehrt Erfüllung bzw Schadenersatz wegen Nichterfüllung der Anleihebedingungen durch den beklagten Staat. Ausgehend von diesem maßgebenden Vorbringen des Klägers ist im Rahmen des Zuständigkeitsstreits von einem vertraglichen (Sekundär-)Anspruch nach Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 auszugehen. Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union setzt die Emission von Anleihen nicht notwendigerweise die Wahrnehmung von Befugnissen voraus, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen (EuGH C-226/13 ua, Fahnenbrock, Rn 53, ECLI:EU:C:2015:383). Der Oberste Gerichtshof gelangt im Anlassfall somit zum Ergebnis, dass der Kläger hinsichtlich der Erfüllung der Anleihebedingungen einen Erfüllungsanspruch aus dem Zahlungsversprechen der Hellenischen Republik als Anleiheschuldnerin geltend macht, die Emission der Anleihen (Inhaberschuldverschreibungen) keinen Akt iure imperii betrifft und daher eine Zivil- und Handelssache vorliegt (siehe dazu auch die Schlussanträge des Generalanwalts zu C-226/13, Fahnenbrock, Rn 62).
2.1 Es entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass der Erfüllungsort im Sinn des Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 nicht autonom, sondern nach dem auf einzelne Ansprüche aus einem Vertrag anwendbaren Recht zu bestimmen ist (EuGH C-12/76, Tessili, ECLI:EU:C:1976:133, ua). Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass auf das Anleiherechtsverhältnis griechisches Recht anwendbar ist.
2.2 Das griechische Recht bietet nach dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien mehrere mögliche Erfüllungsorte für die fragliche Verpflichtung:
2.3 Folgt man dem Standpunkt des Klägers, so kommt es allein auf den tatsächlichen Ort der Erfüllung der von der Hellenischen Republik übernommenen freiwilligen Verpflichtungen an. Danach sei Art 321 des griechischen Zivilgesetzbuchs anzuwenden, wonach eine Geldschuld – im Zweifel – an dem Ort zu leisten ist, an dem der Gläubiger zum Zeitpunkt der Leistungshandlung seinen Wohnsitz hat. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien.
2.4 Folgt man dem Standpunkt der Hellenischen Republik, so wäre die Zweifelsregel des Art 321 des griechischen Zivilgesetzbuchs infolge anderer Bestimmungen des griechischen Rechts (insbesondere jener des griechischen Gesetzes Nr 2198/1994) nicht anzuwenden. Die Hellenische Republik hätte demnach die Anleihebedingungen gegenüber seinen Gläubigern – zu denen der Kläger nicht gehöre – in Griechenland zu erfüllen. Die Weiterveräußerung der Staatsanleihen (etwa an die Depotbank des Klägers) wäre zwar zulässig, könnte aber gemäß Art 6 Nr 2 des griechischen Gesetzes Nr 2198/1994 keine rechtlichen Wirkungen für oder gegen die Hellenische Republik als ursprüngliche Schuldnerin bewirken.
3.1 Aus dem Vorbringen der Streitteile ergibt sich (im Rahmen des Zuständigkeitsstreits), dass der Kläger den von ihm behaupteten Anspruch gegen die Hellenische Republik von seiner Depotbank erworben hat. Die Forderung wurde allenfalls mehrfach übertragen, weil die Anleihen an der Athener Börse gehandelt wurden. Damit stellt sich die Frage, ob sich der Erfüllungsort im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 bereits nach dem ersten dieser Vertragsverhältnisse betreffend die Übertragung der gegenständlichen Staatsanleihe bestimmt. Bejaht man dies, stellt sich die weitere Frage, ob eine auf diese Weise einmal begründete Zuständigkeit auch in weiterer Folge ungeachtet der weiteren Forderungsübertragungen unverändert bleibt und somit auch für den Kläger gilt, der die Anleihe von seiner Depotbank erworben hat.
3.2 Für ein Beibehalten einer einmal begründeten (internationalen) Zuständigkeit spricht der Erwägungsgrund 15 der EuGVVO 2012, wonach die Zuständigkeitsvorschriften in hohem Maß vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten sollen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfordert es darüber hinaus das Ziel der Rechtssicherheit, dass das angerufene nationale Gericht in der Lage ist, ohne Schwierigkeiten über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden, ohne in eine – im Fall etwa eines mehrfachen Forderungsübergangs unter Umständen sehr aufwändige – Sachprüfung eintreten zu müssen (EuGH C-269/95, Benincasa, Rn 27, ECLI:EU:C:1997:337). Mit dem Erwägungsgrund 15 der EuGVVO 2012 scheint auch die Ansicht nicht vereinbar, dass es im Fall einer mehrfachen Übertragung der Forderung bei Maßgeblichkeit einer späteren Übertragung dazu kommen könnte, dass eine ursprünglich nicht vorhandene internationale Zuständigkeit eines Mitgliedstaats (erst) durch eine weitere Übertragung begründet werden kann.
4.1 Nach Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 wird der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nicht nur an dem Ort eröffnet, wo zu erfüllen wäre (rechtlicher Erfüllungsort), sondern auch an dem Ort, wo die Verpflichtung tatsächlich erfüllt worden ist. Die Bestimmung kann auch dahin ausgelegt werden, dass sie für die Bestimmung des Erfüllungsorts ungeachtet der vorangehenden vertraglichen Vereinbarungen an die tatsächliche Erfüllung einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung gegenüber dem Anspruchsteller anknüpft, hier also gegenüber dem Kläger. Bei dieser Auslegung würde die internationale Zuständigkeit unabhängig vom ursprünglich geschlossenen Vertragsverhältnis und einem darin begründeten rechtlichen Erfüllungsort beurteilt werden.
4.2 Dafür spricht, dass ganz allgemein – mangels Vereinbarung eines Erfüllungsorts – der Erfüllungsort für die verletzte Vertragsleistung nach der lex causae zu bestimmen ist. Dagegen sprechen der schon erwähnte Erwägungsgrund 15 zur EuGVVO 2012 und der Umstand, dass sich in einem Fall wie dem vorliegenden ein allenfalls bereits durch das primäre Vertragsverhältnis begründeter (internationaler) Gerichtsstand nachträglich ändern könnte.
4.3 Die Hellenische Republik hat nach den Behauptungen des Klägers bisher lediglich Zinsen auf ein im Inland befindliches „Konto“ des Klägers gezahlt. Für die internationale Zuständigkeit kommt es bei Sekundärpflichten – wie hier Schadenersatz wegen Nichterfüllung – auf jene der verletzten Hauptleistungspflicht an. Die maßgebliche Hauptleistungspflicht – die (Rück-)Zahlung des Nominales der Anleihe nach Ende der Laufzeit – hat der beklagte Staat jedoch nach den Behauptungen des Klägers nicht tatsächlich erfüllt. Damit stellt sich die Frage, ob die tatsächliche Leistung einer bloßen Nebenverpflichtung – wie hier der Zinszahlungen – im konkreten Fall eine tatsächliche Erfüllung im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 darstellt, die einen tatsächlichen Erfüllungsort begründet. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob mit der Zahlung auf ein „Konto“ – das sich hier zwar auch in Österreich befindet, aber nicht notwendigerweise im Wohnsitzmitgliedstaat des Kontoinhabers geführt werden muss – die tatsächliche Erfüllung vertraglicher Pflichten begründet werden kann.
5. Sollte danach von einer tatsächlichen Erfüllung am Wohnort des Klägers im vorliegenden Fall auszugehen sein, stellt sich schließlich – wiederum vor dem bereits dargestellten Hintergrund des Erwägungsgrundes 15 der EuGVVO 2012 – die Frage, ob dem ein bereits zuvor durch (erstmalige) vertragliche Übertragung begründeter rechtlicher Erfüllungsort entgegensteht, oder ob sich der Kläger dessen ungeachtet (allenfalls wahlweise) auch auf einen erst später begründeten tatsächlichen Erfüllungsort im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 stützen kann.
VII. Aussetzung des Verfahrens:
Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 90a Abs 1 GOG.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00034.16X.0425.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement;14 (Zivil-)Verfahrensrechtliche Entscheidungen;23 Entscheidungen zum Europarecht; |
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